Bochum. In der City schließen immer wieder Läden. Doch vom Abgesang will die Geschäftswelt nichts wissen. Auch der Ruhrpark kriegt sein Fett weg.
In der Bochumer Innenstadt schließt das nächste Geschäft. Bis Ende März verlässt Angelika Raters mit dem Outlet-Ableger ihrer „Venice“-Boutique das Ladenlokal auf der Bongardstraße 20-24. Ihr mehr als 30 Jahre altes Hauptgeschäft auf der Großen Beckstraße bleibe aber geöffnet, betont die Händlerin – was die Situation in der City hinreichend widerspiegelt: Die Innenstadt ist im Wandel, steht vor großen Herausforderungen, stemmt sich aber zugleich gegen jeglichen Abgesang.
„Die Innenstadt stirbt“ – Händler widersprechen energisch
„Die Innenstadt stirbt.“ Mit dieser Aussage hat Tine van der Vis für einiges Aufsehen gesorgt. Nach 43 Jahren gibt sie mit ihrer Mutter Inge das Wohnstudio auf der Grabenstraße, unterhalb der Sparkassen-Hauptstelle, auf. Im WAZ-Bericht klagt sie über die schwindende Zugkraft der City, warnt vor einer bedrohlichen Entwicklung und mahnt Verbesserungen insbesondere für Familien an.
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„Unser Glaube an die Bochumer Innenstadt bleibt stark, ebenso wie bei vielen anderen“, entgegnet Andor Baltz. Der Inhaber des größten Modehauses in der City (14.000 Quadratmeter Verkaufsfläche) weiß: Der stationäre Einzelhandel hat‘s nicht leicht. Die Pandemie hat das Online-Geschäft zusätzlich befeuert. Viele, aber bei weitem nicht alle Kunden seien zurückgekehrt.
Baltz: Geschäftsaufgaben sind „ein Stück weit Normalität“
Es sei aber „komplett verfehlt“, die Innenstadt zu Grabe zu tragen. Sein Unternehmen schreibe wieder Umsatzzahlen wie vor Corona. Auch die Entwicklung der gesamten Innenstadt sei „grundsätzlich positiv“, erklärt Andor Baltz im Gespräch mit der WAZ.
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Ja, es gebe schwierige Randbereiche, etwa auf der unteren und oberen Kortumstraße. Ja, es war wenig klug, mit dem Umbau des Husemannplatzes erst zur Eröffnung des Husemann-Karreees zu beginnen. Ja, gerade für Kinder müsse mehr getan werden, auch die Sauberkeit und ein öffentliches WC seien Dauerthemen. Ja, es sei gut, darüber nachzudenken, die oberen Etagen von Geschäftshäusern zu Wohnungen umzuwandeln.
Aber nein: Die jüngsten Schließungen seien nicht alarmierend, sondern „ein Stück Normalität“, sagt Baltz und unterstreicht die Darstellung der Bochumer Wirtschaftsentwicklung. Die Leerstandsquote bewege sich mit sechs bis sieben Prozent (rund 60 Ladenlokale) im üblichen Rahmen. Die City werde nach wie vor gut besucht. Das zeigten die aktuellen Daten des Kölner Dienstleisters „Hystreet.com“, der die Frequenz auf der Kortumstraße elektronisch ermittelt. 521.295 Einkäufer waren es im Februar, 943.128 im Dezember 2023.
Beim Husemann-Karree hat Bochum „noch Glück gehabt“
Kritischen Stimmen zum Trotz wertet Andor Baltz das Husemann-Karree als Gewinn für die Innenstadt. „Decathlon hätte zwar mehr dringend benötigte auswärtige Kunden nach Bochum geholt. Doch auch für Woolworth als Ankermieter gibt es einen Markt. Das gehört dazu.“
Bochum habe „noch Glück gehabt“, dass der 180-Millionen-Komplex überhaupt fertiggestellt werde. Dass die rapide gestiegenen Baukosten Großprojekte auch zu Fall bringen können, zeige das geplatze Neubauvorhaben am Südring/Luisenstraße/Hellweg.
Modehändler: Im Ruhrpark werden Leerstände „nur besser kaschiert“
Der Ruhrpark bleibe „ein starker Wettbewerber für die Bochumer City“, konstatiert Andor Baltz. Daran ist er selbst beteiligt: Seit 20 Jahren betreibt sein Modehaus eine 3000-Quadratmeter-Filiale im Harpener Einkaufszentrum. Die Entwicklung dort sei „sehr gut“. Doch: Leerstände gebe es auch im Ruhrpark. „Sie werden dort nur besser kaschiert.“
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Marc Mauer, Vorstand der City-Werbegemeinschaft IBO, bekräftigt: „Bei allen Herausforderungen sind und bleiben wir mit unserem Handelsbesatz konkurrenzfähig und schlagen uns deutlich besser als andere Innenstädte im Revier.“ Die aktuellen, millionenschweren Investitionen zeigten, „dass viele Menschen an eine erfolgreiche Zukunft unserer Innenstadt glauben“.
Boutique-Inhaberin will ihr Hauptgeschäft fortführen
Das sieht auch Angelika Raters so. „Wir bleiben hier“, beruhigt sie in diesen Tagen die Kundinnen ihrer „Venice“-Boutique auf der Oberen Beckstraße. Zugleich hofft sie, dass für das Outlet-Ladenlokal schnell ein Nachmieter gefunden wird. „Das wird in der Tat immer schwerer.“