Bochum. Ein 70 Meter hohes Bauwerk ist komplett eingerüstet. Steinmetz Frank Schnieder leistet in der Höhe schwere Arbeit. Was er alles macht.
„Für mich ist dies die ursprünglichste Art der Steinmetzarbeit.“ Das sagt Frank Schnieber, der selbst Steinmetz ist. Er hat zurzeit einen der luftigsten und spektakulärsten Arbeitsplätze in ganz Bochum. Er und seine Kollegen sanieren seit einem Jahr den Turm der Propsteikirche im Herzen der Innenstadt.
Extrem ausgesetzter Aufzug ruckelt das Baugerüst hoch
Wenn er an seine Arbeitsstelle will, steigt er auf dem Kirchenvorplatz an der Bleichstraße in einen Lasten-und Personenaufzug, der weit nach außen in die Luft ragt und in Zeitlupe an dem Baugerüst hochruckelt, das den kompletten rund 70 Meter hohen Turm eingittert. Wer zu viel Höhenangst hat oder der Sicherheitstechnik misstraut, sollte dort lieber nicht mitfahren.
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Immer mit dabei hat Schnieber ein Steinbeil. Genau wie seine beruflichen Vorfahren, die die spätgotische Hallenkirche vor rund 500 Jahren erbaut hatten. „Die Jungs damals haben sicher richtig Action gehabt, die mussten richtig ackern“, sagt Schnieber. Heute stehen den Steinmetzen an der Propsteikirche ganz andere Werkzeuge zur Verfügung als damals: etwa große Flex, kleine Flex und Presslufthammer. Schwere Arbeit ist es gleichwohl. Wegen der intensiven Hämmerei muss zum Schutz der Gesundheit oft Pause gemacht werden. Arbeitsvorschrift.
Das weithin sichtbare Baugerüst an dieser mithin bekanntesten Kirche in Bochum steht bereits seit einem Jahr. Ein Sturm hatte erhebliche Schäden am kupfernen Turmhelm angerichtet. Nägel, die die einzelnen Kupferplatten halten, hatten sich gelockert. Das Kupfer muss nun erneuert werden.
Ruhrsandsteine des Bochumer Kirchturms sind sanierungsbedürftig
Bei der näheren Untersuchung des Turmes stellte sich auch heraus, dass es Korrosionsschäden am stählernen Kranz der Turmuhren gab und auch am Blitzableiter etwas getan werden muss. Ebenso am Wetterhahn samt dem Kreuz unmittelbar darunter. Vor allem aber zeigte sich, dass auch der Ruhrsandstein des ganzen Kirchturms sanierungsbedürftig war, vor allem auf der Wetterseite (Richtung Rathaus).
Propsteikirche: Moderkirch to Bochumb
Die Propsteikirche mit dem charakteristischen Turmhelm wurde ab 1517 nach dem großen Stadtbrand als spätgotische Hallenkirche gebaut. Der Turm wurde bis 1547 fertiggestellt. Zuvor stand dort schon eine romanische steinerne Saalkirche aus dem 11. Jahrhundert. Nur der romanische Chor hatte den Brand überstanden und wurde in den Neubau integriert.
Die Kirche St. Peter und Paul galt bis 1655 als einzige Kirche der alten Stadt Bochum („Moderkirch to Bochumb“). Zwischen 1872 und 1874 wurde der romanische Chor abgerissen und durch einen neugotischen Chor ersetzt. Schäden gab es 1920 durch einen Turmbrand. Außerdem wurde die Kirche 1944 durch Bomben im 2. Weltkrieg schwer beschädigt. Der Wiederaufbau erfolgte ab 1948 mit zwei neuen Kapellen. (mike)
Eine vor 60 Jahren aufgebrachte Schutzschicht gegen das Eindringen von Wasser und Schadstoffen („Hydrophobierung“) war teilweise abgeblättert und durchlässig. Teile von Steinen waren in die Tiefe gestürzt, Mörtel in den Fugen bröckelte. Das Problem war zu gefährlich, um es auf die lange Bank zu schieben, zumal die
Kirchengemeinde
in der sogenannten Verkehrssicherungspflicht steht.
Zu allem Überfluss kamen auch Korrosionsschäden an den Turmuhren ans Licht. Auch am Blitzableiter muss etwas getan werden.
Steinmetze wie Frank Schieber sichten jetzt mühsam allen beschädigten Steine, reparieren sie oder tauschen sie komplett aus. Die Ersatzsteine, darunter auch gerundete Bogensteine, werden in einer Werkstatt maßgerecht hergestellt und per Aufzug zu ihrem neuen Platz hoch über Bochum transportiert. Mit Keilen werden sie justiert und mit speziellem Montagemörtel in der Turmwand „vergossen“. Das ist absolute Facharbeit.
Propst Ludwig: „Unsere Kirche ist in echtem und übertragenen Sinne eine Baustelle“
Der Hausherr, Propst Michael Ludwig, hat sich seit Beginn der Bauarbeiten schon eine Menge bautechnische Kenntnisse angeeignet. Der WAZ sagte er: „Unsere Kirche ist in echtem und übertragenen Sinne eine Baustelle. Für die technischen Probleme am Bauwerk gibt es Steinmetze, Dachdecker und Ingenieure. Für den inneren Aufbau müssen alle Christen selber sorgen.“
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Ursprünglich war die Baustelle nur bis Ende 2023 geplant. Nun aber ist davon die Rede, dass die Arbeiten noch mindestens ein Jahr dauern werden. Solange bleibt natürlich auch das Gerüst stehen. Die Sanierungs- und Reparaturkosten werden auf 1,5 Millionen Euro geschätzt. Diese Summe ist aber nicht in Stein gemeißelt.