Bochum. Eltern behinderter Kinder haben kaum Zeit zur Erholung. Das ändert sich. In Bochum entsteht das „Auszeit“-Heim. Was es leistet, was es kostet.

„Viele Eltern sind auf sich allein gestellt, oft am Ende ihrer Kräfte. Endlich gibt es Hilfe!“, sagt Adriana Schulz. „Bei der Versorgung klafft bisher eine riesige Lücke“, bekräftigt Paul Dickamp. Beide Bochumer haben – inzwischen erwachsene –Kinder mit Behinderungen. Beide schwärmen: „Was wären wir froh gewesen, wenn es früher ein solches Angebot gegeben hätte!“ Beide meinen: das Kurzzeit-Wohnheim für Kinder und Jugendliche, das seine Chance für Eltern im Namen trägt: „Auszeit“. Jetzt wurde Richtfest gefeiert.

„Auszeit“-Wohnheim in Bochum: Pläne reichen zehn Jahre zurück

Es ist zehn Jahre her, dass Jochen Grothkop einen kühnen Plan fasste. Aus eigener Erfahrung weiß der heute 80-Jährige: Für Familien mit behinderten Kindern ist die Belastung immens. Bei aller Liebe, bei aller selbstlosen Fürsorge: Eine Pause vom beschwerlichen Alltag muss her; eine Einrichtung, die eine verlässliche und qualifizierte Pflege und Betreuung sicherstellt, während Mutter und Vater für einige Tage oder Wochen ausspannen und neue Kräfte tanken können.

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Jochen Grothkop steht kurz vor der Vollendung seines Lebenswerkes. Mit seiner 2016 gegründeten „Auszeit“-Stiftung, die von weiten Teilen der Bochumer Stadtgesellschaft unterstützt wird, war es Ende 2022 gelungen, den Neubau des Wohnheims auf den Weg zu bringen. Einen entscheidenden Beitrag leistete Vonovia. Der Bochumer Wohnungsriese hatte der Stiftung ein Jahr zuvor das 2600 Quadratmeter große Baugrundstück an der Altenbochumer Straße geschenkt. Damit reduzieren sich die Gesamtkosten auf sieben Millionen Euro. „55 Prozent werden durch die Stiftung und öffentliche Zuschüsse aufgebracht, der Rest wird über einen Kredit finanziert“, berichtet Grothkop.

Jochen Grothkop ist der „Vater“ des Kurzzeit-Wohnheims für behinderte Kinder und Jugendliche In Bochum. Beim Richtfest zeigte er sich tief bewegt: „Das ist ein besonderer und schöner Tag.“
Jochen Grothkop ist der „Vater“ des Kurzzeit-Wohnheims für behinderte Kinder und Jugendliche In Bochum. Beim Richtfest zeigte er sich tief bewegt: „Das ist ein besonderer und schöner Tag.“ © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

16 Kinder und Jugendliche finden in dem Neubau Platz

16 Einzelzimmer, alle 16 Quadratmeter groß, alle behindertengerecht, alle mit eigenem Bad, stehen im dreigeschossigen Neubau zur Verfügung. Hinzu kommen Gemeinschaftsräume, 600 Quadratmeter Freiflächen und – der ganze Stolz von Jochen Grothkop – ein zehn mal fünf Meter großes Bewegungsbad im Souterrain.

Der Betreibergesellschaft gehört neben der Stiftung das Franz-Sales-Haus mit Sitz in Essen an. Geschäftsführerin Ute Engelhardt wird mit ihrem Team für die Betreuung und Pflege in dem Zuhause auf Zeit verantwortlich sein. Bis zu 30 Mitarbeiter werden tätig sein, kündigt sie im WAZ-Gespräch an.

Eigenanteil für Eltern soll bei täglich zehn Euro liegen

Wie lange die Kinder und Jugendlichen bleiben werden? „Wir rechnen in der Regel mit ein bis zwei Wochen“, sagt Ute Engelhardt. Möglich seien aber auch nur einige Tage, in Ausnahmefällen auch mehr als ein Monat. Die Dauer hänge nicht zuletzt von den Kostenträgern, also dem Landschaftsverband oder den Kassen, ab. Wird der Antrag bewilligt, sei der Eigenanteil überschaubar. „Er bezieht sich allein auf die Verpflegung und dürfte sich nach der Zuzahlung bei Klinik-Aufenthalten richten“, so Engelhardt. Das wären täglich zehn Euro.

In ihrer Rede beim Richtfest machte Bürgermeisterin Züleyha Demir (Grüne) deutlich, wie groß der Bedarf ist. Allein in Bochum lebten rund 1000 schwerbehinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Mehr als 10.000 sind es im Ruhrgebiet. „Ihre Eltern führen oft ein Leben an der körperlichen und seelischen Grenze, bis zur Selbstaufgabe“, so Demir. Das Heim ermögliche eine dringend benötigte Pause, einen Urlaub, Zeit zu zweit – „im Bewusstsein, dass die Kinder bestens versorgt sind. Das ist Familienförderung im besten Sinne“.

So soll das „Auszeit“-Wohnung bei der Fertigstellung im August aussehen. Das Bewegungsbad befindet sich im Souterrain.
So soll das „Auszeit“-Wohnung bei der Fertigstellung im August aussehen. Das Bewegungsbad befindet sich im Souterrain. © Privat | Stiftung Auszeit

Eröffnung im August geplant – Infos gibt es schon jetzt

Im August ist die Eröffnung geplant. Dann werden auch die „Menschen(s)kinder“, die 2023 ihr 20-jähriges Bestehen feierten, in ihr neues Domizil im „Auszeit“-Heim wechseln. Adriana Schulz und Paul Dickamp, die sich in der Bochumer Elterninitiative für Kinder mit Behinderung engagieren, sind sich mit Bürgermeisterin Demir sicher: „Viele Eltern warten sehnsüchtig auf dieses Haus.“

Eltern, die sich für ein Betreuung im „Auszeit“-Heim interessieren, wenden sich mit einer E-Mail an dennis.driest@franz-sales-haus.de. Informationen gibt es auf stiftung-auszeit.de.