Bochum. Das gibt’s in Deutschland bisher nicht: ein Kurzzeitwohnheim für behinderte Kinder. In Altenbochum wurde jetzt der erste Spatenstich gesetzt.
Das ist sein Tag. „Für mich geht ein Traum in Erfüllung“, sagt Jochen Grothkop und kämpft in seiner Begrüßungsrede mit den Tränen. Zehn Jahre hat ehrenamtlich gearbeitet, Partner gesucht, gefunden und wieder verloren, war ebenso euphorisch wie verzweifelt. Jetzt hat der 79-Jährige sein Ziel erreicht: Die Stiftung „Auszeit“ kann ihr Kurzzeitwohnheim für behinderte Kinder und Jugendliche bauen.
Im Rahmen einer Feierstunde mit 100 Gästen wurde in dieser Woche an der Altenbochumer Straße 49a der erste Spatenstich gesetzt. Hier, inmitten eines ruhigen Wohngebietes, hatte der Bochumer Wohnungskonzern Vonovia der „Auszeit“ 2021 ein 2600 Quadratmeter großes Grundstück geschenkt. Für die fünf Jahr zuvor gegründete Stiftung war es der ersehnte Befreiungsschlag, nachdem 2019 Pläne gescheitert waren, das Heim in Anbindung an die Bochumer Kinderklinik zu errichten.
Kurzzeitwohnheim in Bochum: Ameise Cosima wird Namensgeberin
An der Dringlichkeit des Projektes – das erste seiner Art in Deutschland – hat sich in all den Jahren nichts geändert. Allein im Ruhrgebiet leben mehr als 10.000 behinderte Kinder und Jugendliche. Immens sei die Belastung für die Angehörigen, weiß Jochen Grothkop aus eigener familiärer Erfahrung. Den vielfach ausgelaugten Müttern und Vätern die Chance zu geben, für einige Tage durchzuatmen, Kraft zu tanken und ihr Kind dabei gut aufgehoben zu wissen: Das soll, das wird das Wohnheim möglich machen, das nach dem Stiftung-Maskottchen, der fleißigen Ameise Cosima, benannt wird.
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Die Animationen des Architekturbüros Kemper, Steiner & Partner sind vielversprechend. Das dreigeschossige Zuhause auf Zeit bietet auf 1500 Quadratmetern Platz für bis zu 16 Bewohner. Neben der pflegerischen und pädagogischen Betreuung soll es vielfältige Angebote vom Basteln bis zum Sport, vom gemeinsamen Kochen bis zum „Garten der Sinne“ geben. Als Highlight gilt ein eigenes Bewegungsbad.
Auch der Verein „Menschen(s)kinder“ zieht in den Neubau
Die künftigen Betreiber verstehen ihr Handwerk. Das Franz-Sales-Haus, eine katholische Einrichtung der Behindertenhilfe mit langjähriger Erfahrung in Essen, konnte mit seinem Fachpersonal frühzeitig als Partner gewonnen werden. Dauerhaft vor Ort werden auch weitere Profis sein: Die Bochumer Elterninitiative „Menschen(s)kinder“, die im März 2023 mit einem hochkarätigen Fest in der VIP-Lounge des Ruhrstadions ihr 20-jähriges Bestehen feiern wird, wechselt von der Kinderklinik ins „Auszeit“-Heim.
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Im zweiten Quartal 2024 soll es so weit sein, hofft Jochen Grothkop. Bis dahin gilt vor allem eines: Weiteres Geld muss her. Hatte die Stiftung die Kosten zuletzt noch auf 3,8 Millionen Euro veranschlagt, sprach Grothkop bei der Grundsteinlegung von rund sieben Millionen Euro, die für das Projekt benötigt werden. Die Anschubfinanzierung sei gesichert. Die Stiftung sei aber dringend auf zusätzliche Einnahmen angewiesen.
Stadtwerke spenden 100.000 Euro
Die Stadtwerke erhören den Ruf. Nachdem im vergangenen Jahr die Sparkasse als Großspender aufgetreten war, überreichte Vorstandschef Dietmar Spohn einen Scheck über 100.000 Euro. Für das nächste Jahr steht ein weiterer Geldgeber fest, dessen Name aber noch nicht verkündet wurde.
Mit lang anhaltendem Beifall bekundeten die Besucher beim ersten Spatenstich ihre Anerkennung für den „Auszeit“-Macher Jochen Grothkop und dessen Durchhaltevermögen. „Sie und ihr Team können verdammt stolz sein!“, würdigte Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und bekräftigte die breite Unterstützung der Bochumer Stadtgesellschaft.
Grothkop war zu Tränen gerührt – und nachdenklich. Bei aller Freude: „Das alles hätte mir 20 Jahre früher einfallen sollen.“
Infos: www.stiftung-auszeit.de