Bochum. Die Ausbildungs-Bereitschaft von Bochumer Betrieben hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Eine Idee lässt nun aufhorchen, aber es gibt Zweifel.

Längst hat das neue Ausbildungsjahr begonnen. Aber Hunderte Jugendliche in Bochum haben immer noch keine Lehrstelle. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Ruhrgebiet befürchtet einen gefährlichen Trend: „Jugendliche, die maximal einen Hauptschulabschluss haben, schafften immer seltener den Sprung in eine Ausbildung.“ Sogenannte Azubi-Lotsen sollten diesen Jugendlichen helfen. Und: Die NGG fordert eine Ausbildungsabgabe.

Ein Fonds findet durchaus Zuspruch von Bochumer Unternehmen

„Dabei zahlen alle Betriebe in einen Fonds ein. Wer ausbildet, bekommt dann aus diesem Ausbildungstopf einen Großteil der Kosten erstattet – etwa für die Vergütung, die Azubis bekommen“, sagt Gewerkschaftssekretär Martin Mura. Eine Idee, die Christian Mohr gar nicht einmal schlecht findet. Er würde begrüßen, „wenn sich alle beteiligen“. Durchschnittlich 20 bis 25 Azubis beschäftigt der Unternehmer aus Bochum in seiner Firmengruppe.

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„Nur wer ausbildet, investiert in die Zukunft seines Unternehmens“, sagt Katja Fox, die im Führungsteam der IHK Mittleres Ruhrgebiet für die Themen Aus- und Weiterbildung zuständig ist. Tatsächlich bilden aber längst nicht alle aus. Und die Zahl der Betriebe und Unternehmen, die für beruflichen Nachwuchs sorgen, sinkt in Bochum seit Jahren. Die Ausbildungsbetriebsquote, der Anteil von Betrieben, die mindestens einen Azubi haben, ist von 24,1 Prozent im Jahr 2012 auf 19,6 Prozent (2022) gesunken.

Das ist zwar immer noch höher als der Bundesdurchschnitt (18,9). Dennoch: Nur jede fünfte Firma bildet aus und kümmert sich damit um die Fachkräfte von morgen. Ein Makel, den der frühere Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet, Wilfried Neuhaus-Galladé, bereits 2018 angemahnt hat. „Ausbildung ist absolute Unternehmerpflicht.“

Bochum: Auch die Ausbildung könnte umlagefinanziert sein

Diejenigen, die sich nicht daran beteiligen, finanziell heranzuziehen, hält Christian Mohr, dessen Unternehmensgruppe insgesamt etwa 250 Beschäftigte hat, für sinnvoll: „Wenn man überlegt, dass unser gesamtes Bildungssystem umlagefinanziert ist, von der Schule bis zum Examen. Warum sollte die Ausbildung nicht auch umlagefinanziert sein? Ob das die Ausbildungssituation verbessert, vermag ich aber nicht zu sagen.“

Handwerkschef: „Grundsätzlich gegen Subventionen“

Michael Mauer hat da so seine Zweifel. Der Kreishandwerksmeister und Unternehmer ist, wie er sagt, „grundsätzlich gegen Subventionen“ und vor allem gegen „ein neues Bürokratiemonster“. Aus mehreren Gründen: Weil gar nicht alle Betriebe ausbilden dürfen, weil ein solcher Fonds abschreckend für junge Meister wäre, die sich selbstständig machen möchten, und auch weil Umfang und Verteilung der Fondsmittel zu Zwist führen könnte. Außerdem ist er überzeugt: „Wenn ein Lehrling sinnvoll eingesetzt wird, dann wird der Lehrling es nach eineinhalb Jahren schaffen, einen positiven Beitrag einzubringen.“

Ohnehin sei das Problem der Ausbildung ja mittlerweile ein anderes. Früher habe es an Betrieben gemangelt, die Azubis beschäftigen und für den Fachkräftenachwuchs sorgen. Heute sei es so, „dass wir mehr Ausbildungsbetriebe haben, die ausbilden wollen, als dass wir Auszubildende haben.“

Problem hat sich verlagert: Es gibt zu wenige potenzielle Azubis

So sieht es auch die IHK Mittleres Ruhrgebiet. Sie spricht sich gegen eine verpflichtende Ausbildungsquote für Betriebe aus: „Wir sind gegen eine solche Quote, weil viele Betriebe zurzeit ihre offenen Ausbildungsplätze sowieso nicht besetzen können“, sagt IHK-Ausbildungsexpertin Katja Fox.

Im hiesigen Kammerbezirk mit seinen dazugehörigen Städten Bochum, Herne, Witten und Hattingen sei die Relation von angebotenen Ausbildungsplätzen und möglichen Bewerbern im übrigen relativ ausgeglichen. Auch die Betriebsausbildungsquote ist höher als über alle Branchen hinweg betrachtet: Etwa 1200 Firmen bilden derzeit Azubis aus, etwa ein Drittel der ausbildungsberechtigten Unternehmen.

Überforderte Azubis benötigen Hilfe

Derweil mahnt die Gewerkschaft an, dass nicht nur genügend Lehrstellen zur Verfügung stehen müssten. Nach ihrer Einschätzung müssten Azubis auch besser unterstützt werden. Betriebe sollten daher auf sogenannte Azubi-Lotsen setzen. „Die müssten sich aktiv darum kümmern, überhaupt erst einmal an junge Menschen heranzukommen. Dann geht es darum, sie für Ausbildungsberufe zu begeistern. Und wenn Jugendliche beispielsweise Schwierigkeiten beim Lernen haben, kann das für den Betrieb auch bedeuten, drei Jahre lang Nachhilfe anzubieten. Denn das Pensum, das die Berufsschulen haben, überfordert viele junge Menschen“, sagt Gewerkschaftssekretär Martin Mura.

Die Mohr-Unternehmensgruppe hat sich bereits auf den Weg gemacht. „Wir arbeiten auch an uns, wie man es besser machen kann“, sagt Christian Mohr. Einmal im Monat gebe es mittlerweile eine innerbetriebliche Ausbildung. Dabei gehe es zum Beispiel darum, wie ein Wochenbericht geführt wird, um theoretische Fragen und auch darum, die sprachliche Kompetenz zu verbessern.