Bochum. 638 Lehrstellen in Bochum sind unbesetzt. Werbung und Jobmessen reichen längst nicht mehr, um sie zu besetzen. Gefragt sind pfiffige Ideen.
Kaufleute für Büro und Einzelhandel sowie Verkäuferinnen und Verkäufer. Das sind die Ausbildungsrenner der angehenden Fachkräfte in Bochum und Umgebung. Insgesamt 1663 Lehrverträge (Stand Juli) haben Azubis und Unternehmen für das aktuell beginnende Ausbildungsjahr abgeschlossen. Bis dahin kommt, ist es bisweilen ein weiter Weg.
Schere zwischen Lehrstellen und Bewerber geht weiter auseinander
Insgesamt hat die Region – Bochum, Herne, Witten, Hattingen – bei den Ausbildungszahlen zwar wieder das Niveau vor der Corona-Pandemie erreicht. Die Lage bleibt dennoch alarmierend: weil immer noch 401 Jugendliche allein in Bochum keinen Ausbildungsplatz haben und weil immer noch 638 Lehrstellen unbesetzt sind. Gesucht werden vor allem künftige Verkäuferinnen und Verkäufer (83), Kaufleute im Einzelhandel (65) und im Büro (36), sowie zahnmedizinische (34) und medizinische Fachangestellte (27), die früheren Arzthelferinnen und -helfer.
„Das wird den Fachkräftemangel noch einmal verschärfen“, sagt Michael Bergmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet. „Vor allem Gastronomiebetriebe und Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich suchen zurzeit händeringend.“ Auch Unternehmen, die eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer anböten, litten überdurchschnittlich unter Nachwuchssorgen.
Kammer rührt bei der Cranger Kirmes die Werbetrommel
Längst ist Firmen, Kammern und Verbänden klar, dass sie mit immer ausgeklügelteren Mitteln um den Nachwuchs buhlen müssen: mit Werbekampagnen in Sozialen Medien, mit gleichaltrigen Ansprechpartnern, mit Anreizen wie vorteilhaften Arbeitszeiten und mit Goodies. Auch die Verbände wissen, dass es nicht reicht, Jobmessen und Speeddatings zu organisieren. „Wir müssen dahin, wo unsere Zielgruppe ist“, sagt Sven Frohwein, Sprecher der IHK Mittleres Ruhrgebiet.
Gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft Ruhr und der IHK Essen hat die hiesige Kammer mit einem eigenen Wagen am Festumzug der Cranger Kirmes teilgenommen. Der „Azubis-Express“ war unter dem Motto dabei: „Crange ist nur einmal im Jahr, Ausbildung bleibt für immer“. Von „positiver Resonanz“ berichtet Frohwein, viele junge Leute seien auf die Ausbildungsberater zugekommen. Die Aktion, so heißt es, werde keine Eintagsfliege bleiben.
Für die Energiewende wird jede Hand gebraucht
Denn: Die Probleme bleiben. Während die Zahl der Ausbildungsstellen seit Jahren steigt – in Bochum zum Beispiel von 2073 (2018) auf 2312 (2023), sinkt die Zahl der Bewerber rapide: im gleichen Zeitraum von 2621 auf 2143. In den nächsten Jahren werden mehr Fachkräfte aus dem Berufsleben aussteigen als junge Azubis nachrücken. Etwa 32.000 Frauen und Männer der Babyboomer-Generation gehen bis 2030 in Bochum in Rente oder Pension. Daher wird jede Hand gebraucht.
Und längst geht es bei der Suche nach Personal nicht nur um die Lebensplanung potenzieller Kandidaten.„Das Handwerk braucht dringend mehr Nachwuchskräfte, sonst laufen wir Gefahr, unsere Ziele beim Klimaschutz und der Nachhaltigkeitswende zu verfehlen“, hat Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer (HWK) Dortmund unlängst appelliert. „Weniger Auszubildende bedeuten auch weniger Fachkräfte, die Solaranlagen und Wärmepumpen installieren oder Häuser dämmen.“ Will sagen: Wem die Welt von morgen wichtig ist, der muss mit anpacken können.