Bochum. Zum zweiten Mal verhandelt das Landgericht Bochum den Millionen-Skandal um die Coronatest-Firma Medican. Der Ausgang scheint völlig offen.
Der Betrugsskandal um das ehemalige Wattenscheider Coronatest-Unternehmen Medican wird die Bochumer Strafjustiz ab dem kommenden Montag (19. Februar) erneut intensiv beschäftigen. Die 2. Wirtschaftsstrafkammer unter Vorsitz von Markus van den Hövel hat zwölf weitere Sitzungstage bis 13. Mai festgesetzt.
Angefangen hatte das ganze Verfahren im Mai 2021. Da wurde bekannt, dass die Firma massenhaft Corona-Tests bei der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet haben soll, die gar nicht stattgefunden haben. Auch sollen erhöhte Kosten für ärztliche Leistungen geltend gemacht worden sein, obwohl beim Testen gar kein Arzt zugegen war. Die 6. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts hatte im Juni 2022 den Chef (50) von Medican zu sechs Jahren Haft verurteilt. Den Schaden bezifferten die Richter auf mindestens 24,58 Millionen Euro.
Bochumer Richter: „Selbstbedienungsmentalität, die ihresgleichen sucht“
Fast eine Million fingierte „Bürgertests“ seien mit „hoher krimineller Energie“ abgerechnet worden. „Er handelte mit einer Selbstbedienungsmentalität, die ihresgleichen sucht“, sagte der Richter damals.
Der Angeklagte hatte bis zum Urteil rund ein Jahr in U-Haft gesessen. Danach kam er vorläufig frei. „Ich war im Chaos versunken. Ich möchte mich in aller Form entschuldigen“, gestand er.
- Ex-Medican-Chef: „Ich war im Chaos versunken“
- Ex-Chef von Medican räumt Betrug pauschal ein
- Im Medican-Prozess fliegen verbal die Fetzen
Die Strafe war das Ergebnis eines Deals zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht – mit dem Geständnis als Gegenleistung. Danach legte der 50-Jährige aber trotzdem Revision ein. Mit Erfolg: Mitte 2023 hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Bochumer Urteil komplett auf. Der BGH beanstandete, dass das Bochumer Gericht ein nicht öffentliches Gespräch mit einem Verteidiger in einer Sitzungspause über eine mögliche Verständigung bzw. ein mögliches Geständnis nicht hinreichend protokolliert habe, weshalb der Angeklagte nicht vollständig informiert gewesen sei. Er hätte sich sonst möglicherweise effektiver verteidigen können. Es sei nicht auszuschließen, dass er sich unter Druck gesetzt gefühlt habe, ein Geständnis abzulegen.
Verurteilter Unternehmer ist trotz Haftstrafe bis heute unter Auflagen auf freiem Fuß
Nun müssen andere Bochumer Richter, die 2. Wirtschaftsstrafkammer, den Fall ganz neu verhandeln. Der erste Prozess hatte 25 Verhandlungstage erfordert und sich über sieben Monate erstreckt.
Der Angeklagte ist weiter auf freiem Fuß. Er muss sich aber regelmäßig bei der Polizei melden und darf nicht ins Ausland ausreisen.
Das Ziel der Verteidigung ist unbekannt. Auch nach dem zweiten Prozess kann der Angeklagte wieder Revision einlegen, ebenso die Staatsanwaltschaft. In diesen Fall könnte sich eine endgültige Entscheidung bis mindestens ins Jahr 2025 verlagern.