Bochum. Im Bochumer Medican-Prozess hat der Hauptangeklagte (49) ein Geständnis abgelegt. Er sei „im Chaos versunken“. Mehr Details lesen Sie hier.
Im Medican-Prozess vor dem Bochumer Landgericht hat der Angeklagte (49) am Dienstag ein umfassendes Geständnis abgelegt. „Ich war im Chaos versunken“, ließ er über seinen Verteidiger Jan-Henrik Heinz vortragen, der in seinem Namen eine mehrseitige Erklärung vorlas.
„Ich möchte in aller Form um Entschuldigung bitten“, hieß es darin. „Ich hoffe, am Ende alles wieder gut machen zu können.“ Er sei „grandios gescheitert“.
Er bedauerte, auch andere mit seinem Handeln in Schwierigkeiten gebracht zu haben. Etwa seinen Sohn. Dieser hatte als Schein-Geschäftsführer von Medican drei Wochen in U-Haft gesessen.
Anklage geht von 25,1 Millionen Euro Schaden aus
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Staatsanwalt Jörg Maleck wirft dem Angeklagten Abrechnungsbetrug mit Corona-Schnelltests vor. Mit einem Schaden von 25,1 Millionen Euro allein in den Monaten März und April 2021, als der Staat die kostenfreien „Bürgertests“ finanzierte.
Bereits in der vergangenen Woche hatten Landgericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagter einen Deal abgeschlossen. Sollte der Wattenscheider Unternehmer ein weitgehendes Geständnis ablegen, versichert ihm die 6. Wirtschaftsstrafkammer, dass er nicht mehr als 6,5 Jahre Haft bekommen wird, aber auch nicht weniger als sechs Jahre.
Medican-Prozess in Bochum: Ex-Chef will „Schaden gutmachen“
Nun musste der Angeklagte liefern. „Feuer frei“, sagte Richter Michael Rehaag. Dann räumte der angeklagte Wattenscheider Unternehmer ein, „eine fiktive Anzahl von durchgeführten Tests angegeben zu haben, ohne zu wissen, wie viele tatsächlich erfolgt sind“. Er sei gelenkt gewesen von der Absicht, möglichst viele liquide Mittel zur Verfügung zu haben, nachdem ihm die „enormen Kosten“ für die Expansion seiner Corona-Test-Firma (Busse als mobile Teststellen etc.) „über den Kopf gewachsen“ seien. So habe er „erheblich mehr“ abgerechnet – „in der ungefähren Größenordnung“ der Anklage. Dort ist von fast einer Million frei erfundener Tests die Rede.
Medican-Prozess Bochum- Topmanager lieferte Millionen Tests„Medican ist von heute auf morgen groß geworden.“, sagte der 49-Jährige. Vieles sei noch nicht richtig organisiert gewesen, „alle waren überfordert“. Das Motto habe gelautet: „Erst machen, dann regeln.“ Als dann eine große Ticketing-Firma, die für Medican die Terminbuchung und Testabwicklung an vier Testorten erledigt hatte, nicht auch an weiteren Standorten habe mitmachen wolle, sei er „in Versuchung geraten, falsch abzurechnen“.
Angeklagter räumt auch überhöhte Abrechnungen ein
Der Angeklagte gab auch zu, tatsächlich durchgeführte Tests so abgerechnet zu haben, als sei bei jedem Kunden ein Arzt dabei gewesen, was nicht der Fall war. So wurden 15 statt 12 Euro von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) kassiert. Ihm sei aber bewusst gewesen, dass die KV die klare Rechtsauffassung gehabt habe, dass ohne Arzt nur zwölf Euro erlaubt seien. Trotzdem habe er mit den 15 Euro „billigend in Kauf genommen, dass ich dies nicht durfte“. Einmal sprach er davon, dass er sich „Rechtfertigungen zurechtgelegt“ habe.
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Der Angeklagte, der seit einem Jahr in U-Haft sitzt, kam auch kurz auf seinen Lebenslauf zu sprechen. In kleinen finanziellen Verhältnissen aufgewachsen, habe er mit Immobilien, Grundstücken und anderen Projekten „ein ordentliches Vermögen“ aufgebaut. Manchmal seien „Schicksal und Glück auf meiner Seite“ gewesen, aber auch viel Fleiß und das Erkennen von Potenzialen hätten dazu gehört. Mit seinem Engagement beim Verein Wattenscheid 09 habe er allerdings „hohe Verluste“ gehabt.
Staatsanwaltschaft beschlagnahmte rund 15 Millionen Euro
Urteil soll am 24. Juni verkündet werden
Der seit sechs Monaten laufende Prozess soll jetzt schnell zu Ende gehen. Richter Michael Rehaag sagte: „Unser Ziel ist es vor den Sommerferien fertig zu werden.“ Am 23. Juni sollen die Plädoyers gehalten werden, tags darauf dann das Urteil verkündet werden.
Das Verfahren gegen den ursprünglich mitangeklagten Sohn (26) des Medican-Chefs wird eingestellt, wenn 10.000 Euro an den Staat und die Bochumer Kindertafel bezahlt werden.
Den angeklagten Schaden will er wieder gut machen. Dafür sollen die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten rund 15 Millionen Euro dienen sowie weitere Beträge. Einer soll aus der Türkei kommen, in die über einen Mitbeschuldigten 2,6 Millionen Euro aus der Tatbeute geflossen seien sollen. Davon sollen aber nur noch gut 700.000 Euro vorhanden sein. Auch gegen den Mitbeschuldigten, einen engen Verwandten des Angeklagten, wird ermittelt. Er befindet sich aber noch in der Türkei.