Bochum. Im Bochumer Medican-Prozess kochen die Emotionen hoch. Nun eskalierte ein Streit um eine mögliche Verfahrenseinstellung. Kräftige Worte fielen.
Im Bochumer Medican-Prozess um mutmaßlichen millionenschweren Abrechnungsbetrug mit Corona-Tests hat sich das Streitklima schwer verfinstert. Staatsanwalt Jörg Maleck und Verteidiger Lars Brögeler lieferten sich einen derart scharfen Wortwechsel, dass Richter Michael Rehaag massiv einschreiten musste: „Jetzt reicht es mir wirklich. So geht das nicht weiter.“ Er rief die Streitenden zur Mäßigung auf. Es sollte ein „Standard eingehalten“ werden, „der für Normalbürger üblich ist“.
Auslöser der verbalen Hitzigkeit war ein Veto von Ankläger Maleck. Brögeler, der den Sohn (26) des Hauptangeklagten (48) vertritt, hatte am vorherigen Sitzungstag beantragt, das Verfahren gegen seinen Mandanten mangels Beweisen ohne Urteil einzustellen. Auch die 6. Wirtschaftsstrafkammer signalisierte deutlich, dass sie das mitmachen würde, wenn auch gegen eine „moderate“ Auflage.
Landgericht Bochum würde Einstellung des Verfahrens gegen 26-Jährigen mitmachen
Auch die Richter sehen nach fast viermonatiger Prozessdauer und mehr als 30 Zeugen bisher nicht genug Beweise, dass der 26-Jährige bei den mutmaßlichen Betrügereien mitgeholfen haben könnte. Er war zwar offiziell Geschäftsführer von Medican, aber der wahre Chef soll sein Vater gewesen sein – dies haben fast alle Zeugen so geschildert.
Der Ball lag nun bei der Staatsanwaltschaft, denn sie müsste einer Einstellung des Verfahrens gegen den Sohn zustimmen – sonst müsste auch gegen ihn zwingend weiterverhandelt werden bis zu einem Urteil: Schuldspruch oder Freispruch.
Verteidiger wirft der Staatsanwaltschaft Bochum „absolute Empathielosigkeit“ vor
Am Mittwoch teilte das Gericht nun aber mit, dass die Staatsanwaltschaft derzeit nicht zu einer Einstellung bereit sei, weil für sie noch nicht alle relevanten Beweise in Bezug auf eine mögliche Tatbeteiligung erhoben worden seien.
Medican Bochum- Hier finden Sie alle Berichte vom ProzessDas brachte Verteidiger Brögeler sehr auf: Er sprach von einer „absoluten Empathielosigkeit“, mit der Vertreter der Staatsanwaltschaft mit dem Schicksal seines Mandanten spielten. Die Anklagebörde handele „beliebig und gleichgültig“ gegenüber den Interessen des Angeklagten. Hintergrund: Seit vielen Monaten stünde sein Mandant unter der Last dieses Prozesses, obwohl dies nicht mehr gerechtfertigt sei.
Brögeler erklärte entschlossen, dass er nun nicht mehr bereit sei, sich mit einer Einstellung zufrieden zugeben. „Das Tor zur Einstellung ist und bleibt zu!“ Er will jetzt mehr, einen glatten Freispruch.
Verteidiger will so schnell wie möglich einen glatten Freispruch
Und zwar schnell: Brögeler beantragte, das Verfahren von dem gegen den Hauptangeklagten abzutrennen, damit es bis zu einem Urteil nicht noch weitere Monate dauert. Terminiert ist nämlich bis Juli. Mindestens.
Laut Anklage 25,1 Millionen Betrugsschaden
Unabhängig von dem Streit um das Verfahren gegen den 26-Jährigen wird auch der Prozess gegen dessen Vater (48), den Hauptangeklagten (U-Haft seit Juni), intensiv fortgesetzt.
Bis heute hat er sich nicht zu den Anklagevorwürfen geäußert. Seine Verteidiger haben sie aber zu Prozessbeginn pauschal zurückgewiesen.
Laut Anklage wurden durch frei erfundene und überhöhte Abrechnungen von Corona-Schnelltests 25,1 Millionen Euro zuviel bei der Kassenärztlichen Vereinigung kassiert.
Ursprünglich sollte der Prozess nur bis 11. Februar dauern. Jetzt gibt es Termine bis Juli.
Nach diesem Antrag wurde der Ton nach und nach kälter. „Ich wundere mich über die Vehemenz, mit der Sie hier auftreten“, meinte Staatsanwalt Maleck. Die Vorwürfe Brögelers nannte er „eine grobe Frechheit“.
Danach ging es aber noch weiter mit den Gereiztheiten. Es herrschte im Saal, wie ein früherer Bochumer Schwurrichter einmal sagte, „Strom in der Tapete“. Bei einer Zeugenvernehmung schossen die Emotionen aus nichtigem Anlass wieder hoch. „Ich war ja noch gar nicht fertig, gaaaanz ruhig“, erwiderte Maleck nach einer spontanen Verteidigerkritik an seiner Fragestellung.
Verteidiger: „Ist das ein Stück aus dem Tollhaus?“
Einmal fragte Brögeler: „Ist das ein Stück aus dem Tollhaus?“ Und sein Mitverteidiger Roland Rautenberger warf Maleck vor: „Sie scheren gerne immer alles über einen Kamm.“ Der Gescholtene konterte: „Das können Sie sich in Zukunft sparen.“
Erneut musste Richter Rehaag eingreifen: „Jetzt werden alle wieder einen Gang zurückschalten.“ Was denn auch Gehör fand.
Fortsetzung: 30. März.