Bochum. Pächter von Grabeland-Parzellen müssen ihre kleinen Gärten räumen. Die Stadt Bochum hat ihnen gekündigt. Sie hat am Standort andere Pläne.
Die Nachricht habe sie kalt erwischt, sagen die Hobbygärtner – und mit voller Wucht. Bis zum Jahresende müssen sie ihre Grabeland-Parzellen geräumt haben, steht in dem Schreiben der Stadt Bochum, die allen Pächtern gekündigt hat. Denn die Verwaltung hat mit dem Gelände nun andere Pläne.
„Es ist so schrecklich“: Stadt Bochum kündigt Hobbygärtnern
„Es ist so schrecklich“, sagt eine Frau, die sich zwar in ihrem Garten fotografieren lässt, aber ihren Namen nicht nennen möchte. Nach 55 Jahren müsse sie „ihre kleine Wohlfühloase“, die sie vom Vater übernommen hat, nun aufgeben. „Das schmerzt sehr.“
Auch interessant
Es geht um ein Stück Grabeland in Langendreer, gelegen zwischen Hauptstraße, evangelischem Friedhof und der Straße In der Schornau, die zum Knappschaftskrankenhaus führt. Auf dem Grundstück direkt daneben entsteht ein Neubaukomplex, auf dem sich auch die Rudolf-Steiner-Schule mit einer Sporthalle, Schulräumen und einer Kita erweitern wird.
Für das Grabeland meldet die Stadt Bochum in diesem Zuge nun Eigenbedarf an: Zum einen, weil man Platz für das Versickern und Rückhalten von Regenwasser schaffen will (nebenan wird ja ordentlich versiegelt). Und zum anderen, weil man als Stadt ja immer auf der Suche nach Platz für Ausgleichspflanzungen sei. Bäume, die für die neuen Gebäude weichen müssen, könnten dann direkt in der Nachbarschaft ersetzt werden.
Diese Planung besteht schon etwas länger, sei aber bislang nicht bis zu den Hobbygärtnern durchgedrungen, heißt es von den Pächtern. „Es gab 2016 mal eine Informationsveranstaltung für Anwohner, da war das aber noch kein Thema“, sagt ein Mann, der an der Straße In der Schornau wohnt und zudem eine Parzelle auf dem Grabeland gepachtet hat.
„Mein Frau ist geschockt, wie alle hier“, erzählt er. „Sie ist jeden Tag im Garten. Meine Tochter auch, sie trifft sich hier immer wieder mit ihren Freundinnen.“
Viel Herzblut habe sie in ihre Parzelle gesteckt, berichtet die anfangs erwähnte Pächterin. Über all die Jahrzehnte ist ein kleines, wildes Paradies aus unzähligen Blumen, Büschen, Sträuchern und Pflanzen entstanden. Sie nennt es ihr Ökologie-Projekt. „Ich habe hier viel für Flora und Fauna gemacht. Das trägt alles zu einem guten Mikroklima bei. Und das soll ich jetzt plattmachen?“, fragt sie ungläubig.
Auch interessant
Und vor allem: wie? Die meisten Parzellen seien nur über einen schmalen Fußweg erreichbar, es sei alles sehr beengt. „Wo sollen hier Container hin? Auf die Hauptstraße?“ Auch seien viele aufgrund ihres Alters kaum noch in der Lage, den Abriss ihrer Lauben zu stemmen. Sie selbst, vom Kampf gegen den Krebs gezeichnet, auch nicht.
Dass sie gegen die Kündigung nichts machen können, wissen die Pächter. Von der Stadt erhoffen sie sich aber Hilfe. Sei es in Form einer Fristverlängerung oder durch Unterstützung beim Abtransport. Und vielleicht gibt es ja auch einen alternativen Standort, wo sie eine neue Bleibe finden können? „Das Ganze hat ja auch eine wichtige soziale Komponente“, gibt die Frau zu Bedenken. „Niemand von uns hat einen Balkon. Der Garten ist die einzige Chance, die Natur zu genießen.“
Aus dem Rathaus heißt es, man stehe bereits mit den Pächterinnen und Pächtern in Kontakt und prüfe, wie man „den Räumungsprozess in den kommenden Monaten sinnvoll unterstützen kann“. Nach Ende der Schutzperiode könne jetzt auch „die Vegetation am Zufahrtsweg zurückgeschnitten werden, um Arbeits- und Aufstellflächen freizumachen“. Die Umsetzbarkeit und der genaue Ablauf befänden sich gerade in der internen Prüfung.
Nach Kündigung: Stadt Bochum macht wenig Hoffnung auf Ersatz
Grundsätzlich habe die Stadt von ihrem ordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht, so dass allen Pächtern die Zeit von etwas mehr als drei Monaten zum Abräumen bleibe. Vom Gebrauch des außerordentlichen Kündigungsrechtes mit einer nur einmonatigen Kündigungsfrist sei aus Rücksicht auf die Pächter bewusst Abstand genommen.
Auch interessant
Ein Ersatzangebot für die Pächter der Grabelandanlage „In der Schornau“ sei indes nicht möglich. „Die Nachfrage nach Grabelandparzellen ist mit der Corona-Krise noch einmal erheblich angestiegen. Es werden bereits lange Wartelisten auf freie Parzellen geführt, die wohl in absehbarer Zeit nicht bedient werden können“, macht Stadtsprecher Peter van Dyk wenig Hoffnung.
Die hat Bezirksbürgermeister Dirk Meyer (SPD) noch nicht aufgegeben. Auch bis zu ihm waren die Sorgen und Nöte der Grabeland-Pächter inzwischen vorgedrungen. Er würde sich „als Moderator gerne dazwischen klemmen“, wenn es auf die Suche nach einem alternativen Standort geht. „Und dann finden wir hoffentlich eine Lösung.“
Stadt: Grabeland keine Erholungsfläche
Die Stadt Bochum weist darauf hin, dass die Grabelandnutzung „vornehmlich dem Anbau von Gemüse und Obst zur Selbstversorgung dient“. Nicht hingegen als Erholungsflächen wie zum Beispiel Kleingärten. „Ebenso regeln die Verträge, dass bei einer Nutzung als Grabeland nur einjährige Kulturpflanzen gezogen werden dürfe“, so Stadtsprecher Peter van Dyk.
Würden die Flächen im eigentlich Sinne als Grabeland genutzt, sei eine Räumung auch mit vergleichsweise geringem Aufwand verbunden, so die Stadt. Durch das Errichten von vertraglich ausgeschlossenen Aufbauten erhöhe sich der zu leistende Aufwand für die Räumung erheblich.