Bochum. Windenergie ist ein Hoffnungsträger der Zukunft. Auch die Stadtwerke setzen darauf. Nur nicht in Bochum. Warum sich hier kein Windrad dreht.
Jeckenbach, Uckley, Zellertal: Überall in Deutschland stehen Bochumer Windräder. In diesem Fall sind es Anlagen der Trianel Erneuerbare Energien (TEE); einer Gesellschaft, an der die Stadtwerke Bochum zu 12,2 Prozent beteiligt sind. Sogar auf dem Wasser – in zwei Windparks vor Borkum – lässt Bochum als Partner einer anderen Trianel-Gemeinschaft Wind in Strom umwandeln. Nur auf dem Stadtgebiet Bochum ist kein einziges Windrad zu finden. Dabei hätte es beinahe mal eins gegeben.
Das erste Windrad in Bochum sollte in Gerthe Strom erzeugen
Auf dem freien Feld zwischen Bövinghauser Hellweg in Bochum-Gerthe und Obercastrop sollte es Strom aus Wind gewinnen. 2004 hatte ein Ingenieurbüro aus Gelsenkirchen Pläne dafür bereits bei der Stadtverwaltung Bochum eingereicht. Fünf Jahre später begann der Bau der 150 Meter hohen Anlage, die den Jahresstrom für 1200 Haushalte produzieren sollte. Wozu es aber nie kam, weil Bürger aus Castrop-Rauxel dagegen klagten – wegen „optischer Bedrängung“ – und am Ende Recht bekamen.
Das Oberverwaltungsgericht Münster stoppte im November 2009 zunächst die vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen angeordnete „sofortige Vollziehung” der Baugenehmigung und hob die Genehmigung schließlich im Juni 2010 auf. Die Begründung: Der Abstand des Windrads zum nächsten Wohnhaus müsse mindestens doppelt so weit sein wie die Höhe des Windrads. Zwischen Windrad und Haus lagen 270 Meter, das Windrad maß 150 Meter. Also hätte der Abstand mindestens 30 Meter weiter sein müssen.
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Landwirte mussten 2011 ihr Windrad in Bochum wieder abreißen
So mussten die Eigner und potenziellen Betreiber – Landwirte aus Niedersachsen, die unter dem Begriff „Godewind“ firmierten – den Turm-Rohbau wieder abreißen lassen. Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht zog Godewind den Kürzeren. Die Leipziger Richter wiesen die Beschwerde der Gesellschaft gegen die Nichtzulassung einer Revision zurück. Im Mai 2011 wurde der „Spargel“ Stück für Stück zersägt. Bau und Abriss haben dem Vernehmen nach 1,5 Millionen Euro gekostet.
Gähnende Leere auf 145,66 Quadratkilometer Stadtgebiet
Zwölf Jahre später ist weit und breit kein Windrad in Bochum zu sehen: 145,66 Quadratkilometer gähnende Leere, wie ein Blick in den aktuellen Energieatlas verrät, den das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) Nordrhein-Westfalen vor einigen Tagen veröffentlicht hat. Dabei gibt es trotz der fürs Ruhrgebiet dichten Besiedlung doch auch nennenswerte Freiflächen; vor allem an den Rändern im Süden und im Westen Bochums. Platz genug für das eine oder andere Windrad.
Kein Windenergiepotenzial in vielen Städten
Im Abschlussbericht der Lanuv-Windenergieanalyse ist zu lesen: „Der Hochsauerlandkreis ist der Kreis mit dem größten Flächenpotenzial in Nordrhein-Westfalen (12.426 Hektar). Auch in den Kreisen Höxter (11.591 ha), Euskirchen (8.665 ha), Paderborn(8.348 ha) und Steinfurt (7.211 ha) zeigen die Ergebnisse der Analyse vergleichsweise große Flächenpotenziale.
Keine Flächenpotenziale konnten auf Grundlage des Kriterienkatalogs in den kreisfreien Städten Bochum, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Leverkusen, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, Remscheid, Solingen und Wuppertal sowie im Ennepe-Ruhr-Kreis identifiziert werden.
Aber: Das Lanuv hat keine geeigneten Flächenpotenziale dafür ausgemacht. Nach dem Ausschlussprinzip wurde – wie in allen anderen Regionen NRWs – untersucht, ob Siedlungen, Flächen für Verkehr und Infrastruktur, militärische Belange, Belange des Artenschutzes, Natur und Landschaft, Gewässer und bestimmte Wälder gegen das Aufstellen von Windrädern spricht.
Seismologische Stationen verhindern Aufstellung von Windrädern
Ein wichtiger Faktor in Bochum sind außerdem die seismologischen Stationen. „Sie messen Erdbewegungen für die Erdbebenforschung und können sowohl vom Bau als auch vom Betrieb von Winderenergieanlagen gestört werden“, erklärt Lanuv-Sprecherin Birgit Kaiser de Garcia. Das Seismologische Observatorium der Ruhr-Uni Bochum betreibt fünf Stationen, u.a. an der Ruhr-Uni selbst sowie an der Zeche Klosterbusch.
Das Ergebnis der Analyse: Bochums Flächenpotenzial für Windenergie liegt bei null Prozent.
Grundsätzlich sind Windräder in Bochum nicht ausgeschlossen
Mit möglichen Ausnahmen. „Durch die pauschale Bewertung von Ausschlusskriterien ohne Berücksichtigung von Einzelfällen und lokalen Besonderheiten“ gelte das Ergebnis nur eingeschränkt, so die Lanuv-Sprecherin. „Im konkreten Einzelfall und bei Abweichung von den in dieser Analyse verwendeten Ausschlusskriterien können aber auch hier Möglichkeiten zur Windenergienutzung bestehen“, heißt es im Lanuv-Abschlussbericht.
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In Gerthe könnte es theoretisch nachträglich also doch noch zum Bau einer Windkraftanlage kommen. Wie auch andernorts ein Bau nicht ausgeschlossen ist. Zumindest hat die NRW-Regierung vor, den Mindestabstand zu Siedlungsflächen zu verringern.
Auch die Stadtwerke sehen kein Windenergiepotenzial in Bochum
Aber es gibt offenbar kein gesteigertes Interesse, in Bochum die Mühlen der modernen Zeit aufzustellen. Die Stadtwerke Bochum jedenfalls „sehen auf Bochumer Stadtgebiet keine geeigneten Flächen, um eine Windkraftanlage der neusten Generation zu errichten“, so Sprecher Christian Seger auf Anfrage dieser Redaktion und verweist auf die Lanuv-Studie.