Bochum. Hohe Auszeichnung für den Bochumer Schauspieler Dominik Dos-Reis: Er bekam den Alfred-Kerr-Nachwuchspreis – verliehen von einer echten Legende.
Seit den frühen 90er Jahren wird der Alfred-Kerr-Darstellerpreis an junge Schauspieler verliehen, die mit gewaltigem Talent gesegnet sind: darunter August Diehl, Devid Striesow und Lina Beckmann. Jetzt ist die klangvolle Liste um einen Namen reicher: Dominik Dos-Reis aus dem Ensemble des Schauspielhauses Bochum bekam vor wenigen Tagen beim Berliner Theatertreffen die mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung für seine darstellerische Leistung in „Kinder der Sonne“.
Hohe Auszeichnung für Dominik Dos-Reis aus Bochum
Kein Geringerer als Schauspielstar Edgar Selge fand in seiner Laudatio berührende Worte: „Dominik Dos-Reis verfügt über ein seltenes lyrisches Feuer und gleichzeitig über eine erstaunliche Genauigkeit im realistischen Spiel“, sagte er. „Er ist ein traumhaft präsenter Ensemblespieler.“ Ein fettes Lob von einem der bedeutendsten deutschen Schauspieler: Dominik wird noch immer etwas rot, wenn er daran denkt. „Edgar Selge war in beiden Vorstellungen“, erzählt er. „Es muss ihm wirklich sehr gefallen haben.“
In „Kinder der Sonne“ sieht man ihn als unglücklich verliebten Tierarzt Boris, der sich gegen Ende erschießt. Es war seine erste Arbeit mit Regisseurin Matja Koležnik – und eine besondere Erfahrung: „Es ist unglaublich, wie präzise diese Aufführung gebaut ist“, sagt er. „Das läuft wie ein Uhrwerk. Wenn man auch nur eine Sekunde zu spät auf die Bühne kommt, macht es schon einen Unterschied.“
Dagegen habe man als Schauspieler aber eine große Freiheit, die eigene Figur zu erkunden: „Boris ist jemand, der mit Ende 20 schon leerläuft, weil er in seinem Leben wie in einer Schleife gefangen ist, die alle Energie aus ihm heraussaugt. Das ist tragisch, und man fühlt mit ihm.“
Die Liebe fürs Theaterspiel entdeckte er spät
Der 29-jährige Dos-Reis stammt aus einem kleinen Ort in Niederösterreich. Sein Vater ist Franzose, daher spricht er perfekt Französisch. Die Großeltern väterlicherseits stammen aus Portugal, von ihnen kommt sein etwas ungewöhnlicher Nachname, der übrigens kein Doppelname ist: Auf Portugiesisch bedeutet er „Könige“.
Die weite Welt der Künste liegt seiner Familie eher fern, und auch Dos-Reis brauchte fast bis zur Matura (dem österreichischen Abitur), ehe er den Entschluss fasste, Schauspieler zu werden. „Bei einem Theaterprojekt in der Schule habe ich zum ersten Mal auf der Bühne gestanden. Danach wollte ich nichts anderes mehr machen.“ Als Kind begeisterten ihn unter anderem die Filme von Louis de Funès mit ihrer überbordenden Komik, die er bis heute gerne anschaut.
Ab 2015 studierte er Schauspiel an der MUK-Privatuniversität (vormals Konservatorium) der Stadt Wien, die anders als es der Name vermuten lässt eine staatliche Schauspielschule ist. Einer seiner Kommilitonen war Marius Huth, heute ebenfalls im Bochumer Ensemble. „Das war eine tolle Zeit. 2017 trafen wir Johan Simons, der für seine erste Inszenierung am Burgtheater junge Schauspielschüler suchte.“ In „Radetzkymarsch“ von Joseph Roth stand Dos-Reis zum ersten Mal auf der großen Burgtheater-Bühne, wenig später kam der verlockende Anruf des künftigen Bochumer Intendanten mit der Einladung an die Königsallee.
Starke Auftritte in „Am laufenden Band“
Hier gehört Dominik Dos-Reis seit 2019 zur jungen Garde. In „Hamlet“, „Die Hermannsschlacht“ oder „Das Gespenst der Normalität“ hatte er große Auftritte. Sehr zu empfehlen ist „Am laufenden Band“: Die eindringlichen und körperlich herausfordernden Szenen in einem Schlachthof meistert das Ensemble mit sportlichem Ehrgeiz. „Ich mag es, wenn man auf der Bühne an seine Grenzen gehen kann.“
Und die Vorbereitungen für die neue Spielzeit laufen: In „Die Brüder Karamasow“ spielt Dos-Reis ab Herbst Aljoscha, den jüngsten der drei Brüder. In Bochum wird noch viel von ihm zu sehen sein.
„Am laufenden Band“ ist zu sehen am Samstag, 10. Juni, um 19.30 Uhr in den Kammerspielen. Wieder am Dienstag, 20. Juni (Zehn-Euro-Tag). Karten: 0234 3333 5555
Am liebsten joggt er durchs Wiesental
Bochum ist nicht Wien, und doch findet Dominik Dos-Reis an dieser Stadt großen Gefallen. „Die Menschen sind offen und ehrlich – und sie meinen es auch so“, skizziert er den Unterschied zu so manchen Österreichern.
Dos-Reis ist passionierter Fußballer, vertreibt sich seine Freizeit am liebsten in Cafés wie „Hi Kalle“ am Kortländer und joggt mit Vorliebe durchs Wiesental.
Der Preis wird in Erinnerung an den Schriftsteller und Journalisten Alfred Kerr (1867-1948) verliehen, einem der bedeutendsten Kritiker der deutschen Theatergeschichte.