Bochum. Hübscher Spaß, aber auch ein Schachzug des Intendanten, dem Leichtes nicht liegt: In Bochum hatte „Die Hermannsschlacht“ als Parodie Premiere.

Zwei Einladungen zum honorigen Berliner Theatertreffen innerhalb von zwei Jahren sind dem Bochumer Schauspielhaus geglückt, eine Ehre – doch was sind solche Auszeichnungen wert, wenn sich Teile des heimischen Publikums enttäuscht abwenden?

Zu kopflastig, zu wenig bürgernah sei die Intendanz von Johan Simons, so der Vorwurf, der an Fahrt gewinnt, da Simons Vertrag Donnerstag durch den Stadtrat um drei Jahre verlängert werden soll. Höchste Zeit, etwas für die Abonnenten im Parkett zu tun, die eine gewisse Leichtigkeit in den Aufführungen schmerzlich vermissen.

In der Tat wurde das wichtige Genre des Liederabends von Simons und den Seinen bislang grundlos vernachlässigt, erst das formidable „Mit anderen Augen“ ließ vor wenigen Wochen auf einen etwas unterhaltsameren Spielplan hoffen. Doch das war offenbar nur der Beginn der neuen Bochumer Charmeoffensive, die jetzt mit „Die Hermannsschlacht“ sehr frei nach Heinrich von Kleist ihren vorläufigen Höhepunkt erlebt.

„Die Hermannsschlacht“ als putzmunteres Spiel am Schauspielhaus Bochum

Ausgeklügelt wurde das putzmuntere Spiel von Barbara Bürk und Clemens Sienknecht, die ihren schrulligen Literaturbearbeitungen seit Jahren den Untertitel „Mit anderem Text und auch anderer Melodie“ geben. Von Effi Briest bis zu den Nibelungen: Was immer sich die beiden vorknöpfen, wird am Ende zu einer komödiantischen, detailverliebten Theatersause mit viel Musik und kaum verhohlener Zuneigung zu den großen Stoffen.

Auch „Die Hermannsschlacht“ ist herrlicher Unsinn, allerdings auf historischem Boden: 40 Jahre ist es her, seit Claus Peymanns Inszenierung hier zum weltweit gespielten Erfolg wurde, dem auch Bürk und Sienknecht in Bochum einigen Tribut zollen. „Am Ende des Abends verlosen wir die Original-Sandalen von Gert Voss“, witzelt Sienknecht in der Rolle des Conférenciers.

Herrlicher Unsinn - aber auch eine Erinnerung an Claus Peymanns Triumph

Die wunderbar altmodische Bühne von Anke Grot schaut aus wie eine amerikanische Sitcom aus den Siebzigern. Die „Frohsinn Singing Society“ zur Pflege deutschen Brauchtums will das Stück um den Cherusker Hermann zur Aufführung bringen, der angeblich im Jahr 9 nach Christus mit seinen Mannen im Teutoburger Wald die Römer besiegte. Nebenbei kämpft Hermann um die Liebe zu seiner Thusnelda, was Schlachtenepos und Ehekomödie vortrefflich verbindet.

Die knapp zwei pausenlosen Stunden sind randvoll: Es gibt kuriose Tanzdarbietungen wie den „Hermann-Flip“, zahlreiche Werbepausen („Gärtner vertrauen auf den Gardino-Maulwurf-Schreck“) und einen Männerchor, dem als Römerheer mit schräg sitzenden Rüstungen die Herzen des Publikums zufliegen. Dazu wird aus Leibeskräften musiziert: Ein wildes Potpourri aus Rock und Pop wird über die Rampe geschmettert – keine Scheu vor schiefen Tönen. Der stets überraschende Soundtrack punktet vor allem mit der Wiederentdeckung einiger amerikanischer Klassiker, von Neil Young bis zu Harry Nilssons „Everybody’s talking“.

Lauter Schießbudenfiguren in dieser „Hermannsschlacht“, aber mit Liebe gezeichnet

Natürlich sind es Schießbudenfiguren, die Bürk und Sienknecht ausstellen, doch sie sind allesamt mit Liebe gezeichnet. Als Hermann setzt Bernd Rademacher sein schönstes Miesepeter-Gesicht auf, die Thusnelda der Veronika Nickl weint bittere Tränen um den Verlust ihrer blonden Locke. Michael Lippold, Dominik Dos-Reis und Marius Huth wirken wie aus einer Retro-Serie.

So wird diese kreischbunte „Hermannsschlacht“ zu einer augenzwinkernden Ode an die Siebziger, die wohlige Nostalgie verströmt und eine Menge Spaß macht. Das Publikum im gut gefüllten Saal feiert sie mit stehenden Ovationen.

Karten: 0234 / 33 33 55 55.