Bochum. 17 Premieren plant das Schauspielhaus Bochum in der neuen Spielzeit – darunter Klassiker und Tanz. Nur um das Eröffnungsfest sieht es düster aus.

Einen kleinen Dämpfer hebt sich Intendant Johan Simons bei der Vorstellung des neuen Spielplans im Schauspielhaus Bochum für den Schluss auf: Das beliebte Eröffnungsfest, das Publikum und Theater-Crew seit vielen Jahr beschwingt in die neue Saison starten lässt, fällt diesmal aus. Zu hoch war zuletzt wohl der finanzielle, aber auch personelle Aufwand, der nötig ist, um solch einen opulenten Tag auf die Beine zu stellen. „Da müssen wir Prioritäten setzen“, meint Simons. Im kommenden Jahr soll das Fest aber wieder stattfinden.

Dafür dürfen sich die Besucherinnen und Besucher auf eine Spielzeit freuen, die Spannung und auch etwas Wagemut verspricht. Klassiker der Theaterliteratur stehen neben heiteren musikalischen Abenden. Auch experimentelle Formate und sogar ein erster Ausflug in die Welt des Tanztheaters finden in Simons sechstem Bochumer Jahr ihren Raum.

Star-Trompeter Till Brönner entwickelt ein Stück unter dem Titel „Puls“ im Schauspielhaus Bochum und spielt auch selber mit.
Star-Trompeter Till Brönner entwickelt ein Stück unter dem Titel „Puls“ im Schauspielhaus Bochum und spielt auch selber mit. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

„Wir wollen da weitermachen, wo wir in dieser Saison aufgehört haben, hautnah am Publikum sein und dabei ganz unterschiedliche Geschichten erzählen“, fasst es der Intendant zusammen. Im Dauer-Krisen-Modus dieser Dekade gelte es, dem Gefühl der Unsicherheit mit besonderen Stoffen zu begegnen: „Angesichts der Vielzahl von existenziellen Krisen habe ich das Gefühl: Wir leben in einer Zeit der Panik. Das sind die besten Zeiten, um Kunst zu machen.“

Die Eröffnung

17 Premieren plant das Schauspielhaus in der Saison 2023/24. Die Eröffnung macht die finnische Regisseurin Saara Turunen, deren „Das Gespenst der Normalität“ von einer treuen Fangemeinde hartnäckig geliebt wird. „Früchte der Vernunft“ (Premiere: 1. September) besteht erneut aus kleinen, surreal anmutenden Szenen und eindrucksvollen Bildern.

Nach „Passion I und II“, das vor zwei Jahren nur auf verhaltene Resonanz stieß, meldet sich Regisseur Robert Borgmann mit einem Klassiker zurück: Sein „Dantons Tod“ (2. September) trägt den Untertitel „Eine theatrale Installation“. „Das wird keine reine Nacherzählung“, schickt die designierte Chefdramaturgin Angela Obst voraus. „Mit jungen Schauspielern will Borgmann ergründen, welche Utopien in der Französischen Revolution liegen.“ Johan Simons, bekanntlich ein glühender Büchner-Fan, freut sich sehr: „Das ist ein Stück für alle Zeiten.“ Daneben entwickelt Folkwang-Student Luis Liun Koch im Oval Office einen skurrilen Abend unter dem Titel „Freaks“, der in einem Konzert münden soll (3. September).

Der dicke Brocken

Vor seinem bislang wohl ehrgeizigsten Bochumer Projekt steht Johan Simons im Herbst: „Die Brüder Karamasow“ (14. Oktober) nach dem 1200-Seiten-Wälzer von Fjodor Dostojewskij soll im Schauspielhaus und in den Kammerspielen gleichzeitig aufgeführt werden, auch in den Gängen und Fluren wird gespielt. Die Zuschauer wechseln währenddessen von einer Bühne zur nächsten. „Es ist schon lange unser Wunsch, einmal einen ganz, ganz langen Abend zu machen, der die Zeit vergessen lässt“, sagt Angela Obst. „Wir werden zusammen essen und trinken.“ Etwa sechs Stunden könnte die Aufführung dauern, die Proben beginnen schon nächste Woche.

Der Schauspieler Guy Clemens tritt in letzter Zeit auch verstärkt als Regisseur in Erscheinung. Nach dem großen Erfolg mit „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ plant er im kommenden Jahr den Liederabend „Club 27 – Songs für die Ewigkeit“.
Der Schauspieler Guy Clemens tritt in letzter Zeit auch verstärkt als Regisseur in Erscheinung. Nach dem großen Erfolg mit „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ plant er im kommenden Jahr den Liederabend „Club 27 – Songs für die Ewigkeit“. © Fatih Kurceren

Neues für die Familie

Nach „Die Schöne und das Biest“ trägt das Familienstück zur Adventszeit diesmal einen weniger bekannten Titel. „Die wundersame Reise von Edward Tulane“ (25. November) basiert auf einem Kinderbuch von Kate DiCamillo. „Die Geschichte ist wunderschön und hat das Zeug zum Klassiker“, sagt Cathrin Rose, Leiterin des Jungen Schauspielhauses. Als Regisseurin kehrt Liesbeth Coltof zurück, die bereits „Die unendliche Geschichte“ zum Erfolg führte.

Tanz und Musik

„Out of Touch“ (20. Januar 2024) knüpft an die lange Tradition von Tanztheater-Produktionen im Schauspielhaus an. Die niederländischen Choreographen Imre und Marne van Opstal entwickeln die Performance gemeinsam mit sechs Tänzern und Schauspielern aus dem Ensemble.

Einen musikalischen Abend bringt Regisseur Guy Clemens am 3. Februar in die Kammerspiele: „Club 27 – Songs für die Ewigkeit“ erzählt von all jenen Musik-Ikonen, die im Alter von nur 27 Jahren gestorben sind: darunter Jimi Hendrix, Kurt Cobain und Jim Morrison. Zum Ende der Spielzeit soll Star-Trompeter Till Brönner ein Stück unter dem Arbeitstitel „Puls“ ins Schauspielhaus bringen und dabei auch selbst mitspielen (7. Juni).

Johan Simons inszeniert im Frühjahr „Die kahle Sängerin“

Neben „Die Brüder Karamasow“ plant Johan Simons eine weitere Inszenierung: „Die kahle Sängerin“ von Eugène Ionesco (26. April). Für Anfang März ist zudem eine neue Arbeit von Christopher Rüping angekündigt, dessen „Mirana Julys Der erste fiese Typ“ gerade das Schauspielhaus entzückt.

Weitere Pläne: „Don Juan“ (1. Dezember), eine neue Produktion mit der Schauspielstudenten der Folkwang-Uni (16. März) und Schnitzlers „Traumnovelle“ (18. Mai).