Bochum. Der Mord in einer Gemeinschaftsgarage sorgte im Frühjahr für Entsetzen in Bochum. Das mutmaßliche Tatmotiv ist erschreckend banal. Alle Details.
Selten werden Morde aus so nichtigen Motiven wie offenbar in diesem Fall verübt. Der am 7. März in seinem Audi TT erschossene Bochumer Christian N. (58) soll aus Rache wegen einer Streitigkeit im Straßenverkehr ermordet worden sein.
- Zum Garagenmord in Bochum wurden weitere Details bekannt, was nach der Tat passiert sein soll. Einer der Angeklagten ist wieder frei. Die Hintergründe.
- Kripo und Staatsanwaltschaft haben zahlreiche Details zum Garagen-Mord in Bochum genannt. Hier finden Sie unseren Liveticker zum Nachlesen.
Dieses Tatmotiv teilte Ende Mai Staatsanwalt Philipp Rademacher in einer Pressekonferenz im Polizeipräsidium mit. Der Hauptbeschuldigte, ein 26-jähriger Pizza-Auslieferungsfahrer aus Dortmund, soll den ihm bis dahin völlig unbekannten Telekom-Mitarbeiter getötet haben, nachdem er vier Tage zuvor mit ihm in der Dortmunder Nordstadt eine nicht näher bekannte Auseinandersetzung wegen eines Fahrverhaltens gehabt habe.
Hauptbeschuldigter entschloss sich frühzeitig, den Bochumer zu töten
Dabei soll der Bochumer, ein sehr rechtstreuer Mann, ein Handy-Foto von dem Streitgegner gemacht haben. Aus Verärgerung darüber habe der 26-Jährige den Polizeinotruf in Dortmund gerufen, weil der Bochumer das Foto nicht habe löschen wollen. Die Polizei teilte ihm aber mit, dass nur eine Veröffentlichung strafbar sei.
Später, so Staatsanwalt Rademacher, habe sich der Beschuldigte entschlossen, den Bochumer zu töten.
Den Ermittlungen zufolge verfolgte er den 58-Jährigen heimlich von dessen Arbeitsplatz in Dortmund bis zu dessen Wohnung in einem Hochhaus am Hustadtring. Am Montag (6. März) erkundete er die Örtlichkeiten dort. Am nächsten Morgen (7. März) kehrte er dorthin zurück. Mit sich führte er eine illegal erworbene 9-Millimeter-Faustfeuerwaffe des Typs Viking. In einer Sammelgarage nahe Hustadtring 81 soll er dem Bochumer aufgelauert haben, um ihn umzubringen.
Mordopfer saß viele Stunden tot am Steuer seines Autos bei laufendem Motor
Der 58-Jährige hatte um 8.12 Uhr gerade den Motor gestartet und war noch nicht angefahren, als in kurzer Abfolge sieben Schüsse fielen. Die ersten fünf kamen von hinten und durchschlugen Blech und Glas. Zwei weitere trafen den Bochumer durch das bereits zerstörte linke vordere Seitenfenster.
Getroffen am Kopf und Oberkörper sackte der Fahrer tot zusammen. Der Motor lief weiter bis zum Abend, als ein Zeuge auf die Leiche aufmerksam wurde.
Der Tatverdächtige soll nach der Hinrichtung den zweiten Beschuldigten (29) angerufen haben, der ihn mit einem Pkw abgeholt habe. Dieser Mann, von Beruf Friseur, ist ein verheirateter Familienvater aus Witten.
Ein Spezialeinsatz-Kommando (SEK) der Polizei nahm beide Männer am Mittwoch (24.5.) um 6 Uhr in ihren jeweiligen Wohnungen an der Mallinckrodtstraße in Dortmund und in Witten-Stockum im Beisein ihrer Familien fest. Beide sind Türken, die seit vielen Jahren in Deutschland leben.
Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe
Staatsanwalt Rademacher sieht bei dem Hauptverdächtigen die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe. Er sieht bei ihm auch „Wut und Ablehnung“ gegenüber Deutschen.
Der zweite der beiden Angeklagten ist jetzt wieder frei. Während der mutmaßliche Mörder (26) beim Prozess am 12. September aus der U-Haft vorgeführt werden wird, kann ein 29-Jähriger, ein Familienvater aus Witten, als freier Man im Sitzungssaal erscheinen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Mord vor. Die Richter bewerten seine mögliche Rolle bei der Tat aber weniger kriminell und sehen sein Wirken nur noch als versuchte Strafvereitelung. Er soll das Auto des mutmaßlichen Mörders vom Tatort abgeholt haben.
Die Ermittlungen der Mordkommission („MK Garage“) waren extrem schwierig. Das Opfer war ein alleinstehender und zurückgezogen lebender Mann, ohne potenzielle Feinde. Die Kripo hatte lange keine heiße Spur. Doch dann setzte sie mit großer Geduld, mit Fleiß und kriminalistischem Spürsinn ein Puzzleteil nach dem anderen zusammen.
Aus der Funkzelle am Tatort werteten die Ermittler massenhaft Handy-Verbindungen zur Tatzeit aus. Darunter soll sich auch die Nummer des 26-Jährigen befunden haben, der sich einige Tage zuvor bei der Polizei Dortmund beschwert hatte; sie war gespeichert worden. Zudem untersuchten sie mit dem Bundeskriminalamt die Patronenhülsen vom Tatort. Dabei kam heraus, dass sie aus derselben Waffe stammten, mit der am 21. Dezember 2022 gegen 9 Uhr im Dortmunder Süden, auf einem Zufahrtsweg zur Hellerstraße, ein Porsche Cayenne geraubt worden war. Der Fahrer (64) wurde angehalten, mit einer Schusswaffe bedroht, musste aussteigen und dem Täter, der eine Warnweste trug, den Wagen überlassen. Zwei Schüsse wurden abgegeben, aber niemand getroffen.
In der Wohnung fand die Kripo die mutmaßliche Mordwaffe – sie war geladen
Bei der Festnahme des 26-Jährigen wurden die Porscheschlüssel bei ihm gefunden. Auch die Schusswaffe lag in der Wohnung – geladen. Der Porsche war schon viel früher sichergestellt worden, die Täterschaft blieb aber weiterhin ungeklärt. Noch seien viele Fragen offen in dem Fall, sagte MK-Leiter Arndt Mallepree im Mai. „Aber das Bild ist schon so rund, dass wir von einem dringenden Tatverdacht ausgehen müssen.“
Das Amtsgericht sah das auch so: Es erließ gegen den Dortmunder Haftbefehl wegen Mordverdachts, gegen den Wittener wegen Beihilfe. Beide Beschuldigten schweigen zu den Vorwürfen. Sie sind vorbestraft: der Hauptverdächtige wegen Unfallflucht und Urkundenfälschung, der andere wegen Körperverletzung und Fahrens ohne Führerschein.
Anfang August schließlich hat die Staatsanwaltschaft Bochum Anklage gegen beide Männer erhoben: Der 26-Jährige habe mit dem Mord sein Gesicht wahren wollen. Außerdem ist von Hass auf Deutsche die Rede. Er war observiert worden und dabei kam heraus, dass auch „Wut und Ablehnung“ gegen Deutsche eine Rolle gespielt haben sollen, wie Rademacher sagt. „Entsprechende Äußerungen sind deutlich vernommen und dokumentiert worden.“
Der zweite Beschuldigte, angeklagt wegen Beihilfe zum Mord, soll den 26-Jährigen in seinem Tatentschluss bestärkt haben. Er habe gewusst, dass dieser die Deutschen hasse. Laut Anklage soll er von dem mutmaßlichen Mörder unmittelbar nach den Todesschüssen angerufen worden und dann mit ihm mit einem Auto geflüchtet sein.