Bochum. Nach 20 Jahren verloren 2010 DüBoDo-Gegner in Bochum vor Gericht die letzte Schlacht. Heute rollt der Verkehr. Jetzt gibt es diese Kritik.
Mit drastischen Worten warnte einst der frühere Lehrer und ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Eckhard Stratmann-Mertens vor dem Rat der Stadt Bochum vor dem Bau der damals so genannten A 44 Querspange Bochum: „Mindestens sechs Prozent aller Todesfälle in Westeuropa gehen auf das Konto der Luftverschmutzung durch Industrie- und Autoabgase.“ Seit einem halben Jahr rollt der Verkehr in beiden Richtungen über die A 448, wie das Teilstück nun offiziell heißt. Wie empfinden die Gegner von damals die Situation heute.
Auch interessant
„Verkehr tötet auch durch Lärm und Abgase“, hatte der stets angriffslustige Stratmann-Mertens 2002 als damaliger Sprecher der Bürgerinitiative gegen die DüBoDo, den Ratsherren und -frauen damals entgegengeschleudert. Als sein Nachfolger im Amt und beinahe unmittelbarer Anwohner an der Autobahntrasse, wenig nördlich der Höfestraße, bedient sich Ulrich Sollmann einer gemäßigten Wortwahl.
„Die Straße selbst ist ruhig“, sagt Sollmann. Tatsächlich wirken wohl Lärmschutzwand und Flüsterasphalt. Seitdem vor neun Jahren das Opel-Werk geschlossen worden ist, ist sogar noch eine weitere Lärmquelle aus der Vergangenheit weggefallen. Der Rangierverkehr der Opel-Werksbahn mit den quietschenden Schienenrädern riss die Anwohner der angrenzenden Straßen früher auch mitten in der Nacht aus dem Schlaf. All damit ist nun Schluss.
Doch zur Erinnerung: Die Befürworter der von den Gegnern einst auch bitter „Opel-Spange“ genannten Autobahnverbindung haben diese vor allem deshalb als alternativlos wichtig eingestuft, weil so ein Standortvorteil hergestellt würde. Eine noch bittere Wahrheit: Mitten in die Bauarbeiten für die Strecke platzte die Meldung über die Schließung der Autofabrik, kurz vor dem 50. Jubiläum des Werkes.
Der Soziologe Ulrich Sollmann will nicht in solcher Vergangenheits-Symbolik schwelgen und hält sich mit seiner Bilanz lieber an die Fakten, unmittelbaren Eindrücke und teils gefährlichen Probleme vor Ort. Und da gibt es nach seiner Darstellung einige:
- Die kreisförmige Auffahrt auf die A 448 in Richtung Witten an der Markstraße wird von Motorradfahrern und Möchtegern-Rennpiloten als nervend laute Beschleunigungsstrecke verwendet.
- Zuliefer-Lkw der Mark 51/7-Fläche stehen auf den Seitenstreifen der Markstraße, was zu einer großen Sichtbehinderung führt.
- Mittlerweile entschärft ist die Abfahrt von der A 448 aus Richtung Witten mit einer Ampel. Hier hatte es nach der Eröffnung des Teilstücks Unfälle und eine Reihe gefährlicher Situationen gegeben. Die Gefahr sei zwar entschärft aber nicht wirklich gebannt.
- Wer von der Höfestraße kommend nach links auf die Markstraße abbiegt, bekommt mögliche Probleme. Autofahrer verhalten sich verkehrswidrig und scheren an dieser Stelle so in die Markstraße ein, um die auf der anderen Seite liegende Auffahrt zur A 448 mit zu bekommen. Die Bürgerinitiave möchte diesen Gefahrenpunkt entschärft wissen, etwa über eine Vergrößerung der Verkehrsinsel.
Die Aktivisten aus Steinkuhl und Laer warnen vor weiterem Ungemach, das der Nachbarschaft droht. Verirrten sich in den belastenden Jahren der Autobahnbaustelle immer wieder Auto- oder, schlimmer noch, Lastwagenfahrer in kleine und enge Nebenstraßen, gibt es im nächsten Jahr eine mehr als dreimonatige Vollsperrung der A 40 im Bereich Hamme. Dort muss, wie berichtet, die sogenannte Schlachthofbrücke neu gebaut werden. Mit Folgen für die A 448.
Sperrung der A 40 im nächsten Jahr bringt Staus
Dieses Teilstück war in den 90er Jahren für Kapazitäten von bis zu 90.000 Fahrzeugen pro Tag konzipiert worden. Die damalige Kritik der Gegner, dies decke sich überhaupt nicht mit den Verkehrsprognosen, wurde schlicht weggewischt. Doch wenn bei der Sperrung der A 40 im nächsten Jahr der Verkehr des Ruhrschnellwegs komplett dorther geleitet werden muss, droht der Kollaps. „Wir fürchten, dass hier bei uns in der Nachbarschaft rein gar nichts mehr geht, weil Verkehrsteilnehmer vor den Staus die Abfahrten hier nutzen und die Straßen verstopfen.“
Isabella-Stollen: Haus Laer erinnert an Verpflichtung
Wenige Hundert Meter weiter östlich liegt bekanntlich das Haus Laer, eine wunderschöne Idylle, doch nun im Schatten der Autobahn. Ein paar Bäumchen, in aller Eile nördlich der Höfestraße gepflanzt, verdecken kaum die Lärmschutzwand. Schön ist anders. Doch Gerd Frielinghaus, der mit seiner Familie das Hotel und Veranstaltungszentrum in dem alten Gutshof betreibt, erinnert die Autobahnbauer an eine Verpflichtung.
„Uns ist vertraglich zugesichert worden, dass der Isabella-Stollen, der bekanntlich das Grubenwasser der Gräfte des Gutshauses zuführt und so die Eichenbalken vor dem Zerfall sichert, in vernünftigen Zustand gebracht werden muss.“ Dies sei bislang trotz mehrere Mahnungen nicht geschehen. „Wir hatten damals einer Lösung zugestimmt“, so Frielinghaus. Doch jetzt müsse diese auch umgesetzt werden.
Und, ach ja, die Wasserralle. Dieser seltene Wasservogel, vom Volksmund liebevoll auch „Schilfschwein“ genannt, diente als sozusagen letztes Argument der DüBoDo-Gegner vor dem Show-down vor dem Bundesverwaltungsgericht. Der Vogel war in einem Gewässer unmittelbar neben der Autobahn nachgewiesen worden. Die Autobahngesellschaft musste umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen treffen.
Seit Jahren, haben die Menschen an der Höfestraße, den charakteristischen Ruf der Wasserralle nicht mehr gehört. Das Schilfschwein ist weitergezogen.