Bochum-Innenstadt. Die Stadt Bochum nimmt Abstand vom geplanten Einbau von „Gummilippen“ in Straßenbahngleise. Nun will sie den Radverkehr anders sichern.

Die „Gummilippe“ sollte es richten: Im vergangenen Jahr wurde politisch beschlossen, solche Sicherungsmaßnahmen für Radfahrer als Schutz vor Stürzen über die Straßenbahngleise zu legen. Doch plötzlich weicht die Stadt Bochum davon ab.

Das Prinzip: Die Straßenbahn drückt die „Gummilippe“ durch ihr eigenes Gewicht nach unten und kann so ganz normal die Gleise nutzen. Hinter der Bahn formt sich das Gummi in die ursprüngliche Lage zurück und bildet für Fahrräder einen festen ebenen Untergrund.

„Gummilippen“ sind für die Stadt Bochum nicht als haltbar genug

Doch nun stellt sich laut Tiefbauamt heraus: Bei den „Gummilippen“ sei die Haltbarkeit nicht ausreichend bewiesen. So strebt die Verwaltung nun zunächst eine Lösung ohne den Einbau eines fahrradsicheren Gleises an. Die Bezirksvertretung Bochum-Mitte wurde in ihrer jüngsten Sitzung darüber informiert, die Entscheidung liegt beim Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur am 19. April.

Das Projekt würde mehr als 350.000 Euro teuer. Doch nicht nur die Kosten ließen die Verwaltung aufhorchen; durch den intensiven Austausch mit anderen Kommunen, Verkehrsunternehmen und dem Hersteller des Produktes ergaben sich betriebliche und unterhaltungstechnische Bedenken.

Andere Städte testen die „Gummilippen“ in Pilotprojekten

Überall dort, wo die „Gummilippen“ getestet werden, handelt es sich um Pilotprojekte. Der Hersteller, so die Stadt Bochum, arbeite an einer Verbesserung der Haltbarkeit einzelner Bauteile. Dennoch konnte eine mit dem Betrieb der Straßenbahn vertretbare Haltbarkeit aus Sicht der Verwaltung bisher nicht bewiesen werden.

Schwere Unfälle in den Gleisen

Der Anlass für den geplanten Einbau der „Gummilippen“waren Unfälle von Radfahrern: Die Straßenbahngleise auf der Hans-Böckler-Straße führten in der Vergangenheit dazu, dass es zu Stürzen kam.

Im Herbst 2021 wurde ein Bochumer beim Sturz über den Lenker seines Fahrrades schwer verletzt. Er geriet in Straßenbahnschienen, ebenso wie zuvor eine 56-jährige Radfahrerin.

Nun entscheidet sich die Stadt Bochum für eine weitaus günstigere Variante ohne die fahrradsicheren Gleise: Die Planung sieht vor, einen von der Fahrbahn getrennten Radweg zwischen der Brückstraße und der heutigen Wendefläche auf Höhe der City-Passage anzulegen, die Wendefläche wird entfernt.

Möglich ist laut Tiefbauamt die neue Variante, da die Hans-Böckler-Straße für Autos nahezu vollständig gesperrt wurde. Die Ampel wird versetzt, Radfahrerinnen und Radfahrer werden künftig rechts daran vorbeigeführt. Sie können dann die Gleise im stumpfen Winkel überfahren, ohne dass Sturzgefahr droht.

Die Vorfahrt werde damit eindeutig geregelt. Hinter der Querung sortieren sich Radfahrende in den, inzwischen deutlich reduzierten, Verkehr auf der Hans-Böckler-Straße ein. Der Asphalt wird im Bereich der Querung großflächig rot eingefärbt, wie schon heute die kurzen Teilstücke eines Radwegs im unteren Bereich der Hans-Böckler-Straße.

ADFC drängt au zügiges Umsetzen der Sicherungsmaßnahmen

Der ADFC erwartet, dass die Maßnahmen zur sicheren Verkehrsführung von Radfahrenden nun umgehend angegangen werden, eine weitere Verzögerung dürfe es nicht geben. „Die Verhinderung von Radunfällen in Gleisbereichen muss Priorität haben“, bekräftigt Gerlinde Ginzel für den ADFC.

Die Verwaltung geht von einer deutlichen Senkung der Baukosten durch die neue Variante aus, die Maßnahme bleibt förderfähig. Eine genaue Kostenschätzung steht noch aus. Nach derzeitigem Stand ergäbe sich eine Berechnung der Fördersumme wie folgt: Die ursprünglichen Gesamtkosten hätten 351.450 Euro betragen. Da nun vorläufig der Gleisbau wegfällt, reduzierten sich die Kosten auf 100.843 Euro. Die Stadt rechnet damit, dass rund 95.801 Euro bezuschusst werden.

Den Einbau der „Gummilippen“ schließt die Verwaltung dennoch nicht ganz aus. Sie will die Pilotprojekte, die in anderen Kommunen laufen, weiter beobachten und aus deren Erfahrungen schöpfen. Sofern sich das Produkt in anderen Städten unter ähnlichen Rahmenbedingungen wie denen in der Hans-Böckler-Straße bewährt, will das Tiefbauamt diese fahrradsicheren Gleise einbauen.