Bochum-Innenstadt. Die Stadt Bochum hat die Behindertenparkplätze rund ums Rathaus verlegt. Ziel: Die Innenstadt soll autofrei werden. Kritik von Betroffenen.
Detlef Eichardt (68) ist stark gehbehindert. Für ihn ist seit der Verlegung der Behindertenparkplätze rund ums Rathaus der Weg in die Innenstadt ein schier unüberwindliches Hindernis. „Es kommt schon auf 30 Meter an“, sagt er. Die früheren Behindertenplätze sind zur Kreuzung Westring verlegt worden, circa 50-60 Meter weiter.
Bochumer Innenstadt von Autos freihalten
Die Stadt Bochum will mit der Umgestaltung des Willy-Brandt-Platzes zur Sackgasse die Innenstadt vom Autoverkehr weitgehend freihalten, um den Radverkehr zu stärken. Dazu wurden auch die Behinderten-Parkplätze versetzt. Peter van Dyk, Sprecher der Stadt Bochum: „Durch dieses Verkehrsverbot ist es nicht möglich, noch Stellplätze für Menschen mit Behinderungen und entsprechendem Parkausweis sowie Taxenstellplätze dort zu erhalten. Diese Stellplätze würden wieder zu Parksuchverkehr in dem gesperrten Bereich führen, dies widerspräche somit dem Ziel, Fußgänger und Radfahrende dort zu schützen bzw. zu bevorrechtigen.“
Für Detlef Eichardt „sehr ärgerlich und unangemessen“. Und: „Für stärker Gehbehinderte – ich spreche hier als direkt Betroffener – sind 50 Meter eine weite Strecke, die einen Besuch in der City sehr erschwert.“
Parkplätze waren verschwunden
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Gut zwei Wochen ist es her, dass Detlef Eichardt einen Termin bei seinem Orthopäden im City-Point hatte. Wie gewohnt wollte der Altenbochumer die Behinderten-Parkplätze an der Ecke Viktoria-/Bongardstraße ansteuern. „Am Willy-Brandt-Platz musste ich feststellen: Eine Einfahrt Richtung City ist nicht mehr erlaubt. Die Parkplätze gab’s nicht mehr. Ich fuhr weiter zur Deutschen Bank, auch dort Fehlanzeige.“ Als er drehte, entdeckte er dann den neuen Standort. Seine Stamm-Parkplätze sind nun Fahrrad-Abstellplätze.
Insgesamt, so seine Bilanz, gebe es in dem Bereich vier Behindertenparkplätze weniger. Ehedem waren es drei an der Viktoria-/Bongardstraße, vier vor der Deutschen Bank, zwei vor der Passage Viktoria-/Kortumstraße. Ebenfalls verschwunden sind die drei Behinderten-Stellplätze vor dem Restaurant „El Rancho“. Stattdessen gibt es nun acht Plätze auf dem Willy-Brandt-Platz/Ecke Westring.
Unnötiges Hindernis für Besuch in der City
Die Stadt macht eine andere Rechnung auf. Peter van Dyk: Es wurden acht Stellplätze für Menschen mit Behinderungen zwischen Schlegelturm und Westring eingerichtet, außerdem vier Parkplätze für Taxen. Jeweils zwei Stellplätze für Menschen mit Behinderung stehen in der Junggesellenstraße und der Hans-Böckler-Straße (nördlich der Brückstraße) zur Verfügung - das ist jeweils einer mehr als in der Vergangenheit. Nach Abschluss des Rückbaus der Baustelleneinrichtung des Viktoria Karrees werden in der ABC-Straße ebenfalls zwei entsprechende Stellplätze ausgewiesen. Darüber hinaus stehen die Parkhäuser mit ihren Pkw-Stellplätzen für Menschen mit Mobilitätseinschränkung und zentralen Zugängen in der Innenstadt ebenfalls zur Verfügung.
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Eichardt kann kein Geschäft aufsuchen, wo er nicht direkt parken kann. „Es gibt Tage, da kann ich überhaupt nicht laufen, da muss ich zu Hause bleiben. Auch dort komme ich ohne Stock nicht aus.“ 2016 musste ihm das rechte Bein amputiert werden, im linken Bein hat er wegen einer Nervenerkrankung keine Empfindungen. Nach der Definition des Versorgungsamtes gilt Eichardt als „außergewöhnlich gehbehindert“, im Ausweis als „eG“ gekennzeichnet.
Offener Umgang
Mit der Notwendigkeit, im Rahmen der geänderten Verkehrsführung auch die Pkw-Stellplätze für Menschen mit Mobilitätseinschränkung zu verlegen, wurde in der politischen Beratung offen umgegangen, so betont die Stadt Bochum.
Sprecher van Dyk: „Der Beirat Mobilität, zu dem auch die Arbeitsgemeinschaft Behinderte in Bochum sowie das Referat für Gleichstellung, Familie und Inklusion eingeladen werden, hat sich mehrfach mit der Situation in der Hans-Böckler-Straße beschäftigt.“
Insgesamt soll die weitgehende Herausnahme des motorisierten Verkehrs u.a. dazu führen, dass gerade auch Menschen mit Mobilitäts- oder Wahrnehmungseinschränkungen sicherer die Straßen queren können.
„Für mich und andere Betroffene stellt diese Auflösung vorhandener Behindertenparkplätze jedenfalls ein massives und unnötiges Hindernis für einen Besuch von Rathaus und Innenstadt dar.“ Mehrfach habe er versucht, mit jemanden bei der Stadtverwaltung in Kontakt zu treten, und sei jedes Mal gestrandet. „Ich habe niemanden gefunden, der mir Auskunft erteilen konnte.“ Dabei kennt er die Verwaltungsstrukturen. Der Diplom-Psychologie hat bis 2019 bei der Stadt Bochum gearbeitet.
Am neuen Wendehammer vor dem Schlegel-Turm heißt es auf einem Verkehrsschild: „Zufahrt zu privaten Stellplätzen frei.“ Eichardt: „Das hätte man doch auch auf die Behindertenplätze ausdehnen können.“
Freundliche Politesse konnte helfen
Auch Jutta Metzger (80) kritisiert die Neuerung – im Namen ihres Sohnes. „Er ist schwer körperbehindert und auf sein Auto angewiesen, um in der Stadt Erledigungen machen zu können.“ Auch ihn überraschte vor einigen Tagen die Neuregelung. Er wollte zu seinem Arzt und irrte durch den gesperrten Bereich auf der Suche nach einem Parkplatz. „Eine freundliche Politesse, der er sein Dilemma schilderte, ließ ihn ausnahmsweise am City-Point parken, damit er zu meinem Arzt kam.“ Jutta Metzger denkt auch an all die anderen Behinderten, die ohne Begleitung ins Rathaus oder in die Stadt kommen. „Die weiten Wege sind nicht zumutbar.“