Bochum. Bochum wird umgebaut – vor allem im früheren Opel-Werk. Dort entsteht für 100 Millionen Euro eine weltweit einzigartige Forschungseinrichtung.

Das Bild vom Meilenstein wird gerne genutzt, wenn im ehemaligen Opel-Werk in Bochum-Laer der nächste große Schritt vom industriellen ins postindustrielle Zeitalter gemacht wird. Dieser Freitag ist wieder so ein Tag. Es ist der Tag des Richtfests am „Think“; einem Gebäude der Ruhr-Universität Bochum, dem nicht weniger als der Ruf vorauseilt, eine weltweit einzigartige Forschungseinrichtung zu sein.

Bund und Land fördern „Think“ Bochum mit 89 Millionen Euro

Dort, wo Polier Edhem Jasikovic an diesem Vormittag auf dem Baugerüst über dem Eingang zum Forum steht und nach dem obligatorischen Richtspruch erst Schnaps trinkt und dann unter dem Applaus der Gäste das Pinnchen stilecht zu Boden wirft, muss ungefähr der nordöstliche Zipfel des Opel-Presswerks mit der gigantischen Größe von 85.000 Quadratmetern gestanden haben. „Wie im Märchen“, so Bürgermeisterin Gaby Schäfer (SPD), erscheine es, dass seit der Werksschließung erst acht Jahre vergangenen sind. Heute fährt schon eine Straßenbahn über das ehemalige Fabrikgelände, heute Mark 51/7 genannt, und sprießt ein Gebäude nach dem anderen aus dem Boden – jedes ein betongewordenes Versprechen auf die Zukunft.

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Polier Edhem Jasikovic vom Bauunternehmen August Prien hat den Richtspruch gesprochen – und dazu den obligatorischen Schnaps getrunken.
Polier Edhem Jasikovic vom Bauunternehmen August Prien hat den Richtspruch gesprochen – und dazu den obligatorischen Schnaps getrunken. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Kaum ist „Zess“, das ebenfalls von der Ruhr-Uni betriebene Nachbargebäude eröffnet worden und hat das mit 89 Millionen Euro von Bund und dem Land NRW geförderte „Think“ einen großen Schritt auf dem Weg zu seiner voraussichtlichen Eröffnung 2025 getan, bahnen sich die nächsten Fertigstellungen entlang der nahen Suttner-Nobel-Allee an.

Bloß keine Schwingungen

Herausfordernd für den BLB als Bauherren, die Generalplaner von Heinle, Wischler und Partner aus Berlin und das Bauunternehmen August Prien, das auch an der Fertigstellung des Rohbaus des Viktoria-Karrees in der Innenstadt von Bochum mitgearbeitet hat, sind die räumliche Lage sowie der Verkehr und die Logistik auf Mark 51/7.

Auch die technischen Anforderungen haben es in sich. Eine davon, so Anke Richter, Leiterin der BLB-Niederlassung Dortmund, leite sich aus den hochauflösenden Human- und Kleintier-MRT-Geräten ab, die später hier stehen werden. „Die elektromagnetischen Felder müssen aufwendig abgeschirmt werden, und die MRTs dürfen keinen Schwingungen ausgesetzt werden. Dafür wurden bereits die Gerätefundamente unter den MRTs von den Fundamenten des übrigen Gebäudes entkoppelt.“

Nur einen Steinwurf von beiden Gebäuden entfernt hängt am Entwicklungszentrum der Bosch-Tochter schon der Schriftzug Etas; jener Technologie-Gruppe, zu der auch das frühere Bochumer Startup Escrypt gehört. Daneben wächst der Innocampus. Und für den Herbst kündigt Franz-Josef Peveling, Geschäftsführer der Harpen-Gruppe, die Fertigstellung des Technologiezentrum von Keysight Technologies an. An Tage wie diese darf sich Bochum also in den nächsten Monaten und Jahren gewöhnen.

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Wissenschaftler vieler Disziplinen arbeiten im „Think“ zusammen

„Think“, zu Deutsch „Denk(-en)“, wird der Arbeitsplatz von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Neurobiologie, Neurologie, Psychologie, Philosophie und anderen Fachbereichen sein, die gemeinsam und disziplinübergreifend das Zusammenspiel von menschlicher und künstlicher Intelligenz erforschen. Ihre Erkenntnisse „werden dazu beitragen, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit – zum Beispiel der Arbeitswelt der Zukunft – zu meistern“, so Staatssekretärin Gonca Türkeli-Dehnert (CDU). Und: Mit grundlegenden, in Bochum gewonnenen Erkenntnissen, sollen „neuartige therapeutische und technische Ansätze für psychische Gesundheit, Alltagskompetenz im Alter und die Entwicklung von Neuroprothesen“ möglich werden, so Ruhr-Uni-Rektor Prof. Dr. Martin Paul.

Innenhof sorgt für natürliche Belichtung aller Räume

Die Anforderungen und die Ansprüche an das Haus hatten es in sich. „Wir wollten nicht irgendein Gebäude bauen, sondern eine neue Arbeitsweise initiieren“, sagt Think-Direktor Prof. Dr. Onur Güntürkün. Nun entsteht im Auftrag des Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) NRW eine 100 Meter lange und 45 Meter breite mehrgeschossige Immobilie, deren Innenhof für eine natürliche Belichtung aller Räume sorgt, dessen Photovoltaikanlage auf Teilen des Dachs 150.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugt und dessen begrünte Dachteile Lebensraum für Tier und Pflanzen bieten werden. Äußerlich zeittypisch mit geraden Linien entworfen, birgt das Gebäude allerlei technische Finessen.

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„Think“-Direktor nennt ehrgeiziges Ziel: eine internationale Marke

Mehrere Redner heben an diesem Morgen hervor, dass Gebäude, Konzept und Wissenschaftler dazu beitragen, die Ruhr-Uni zur Exzellenz-Uni zu entwickeln. Und wenn in zwei Jahren das schicke, nachhaltige und hochmoderne Gebäude steht, verfolgt die Wissenschaftscrew darin ein hochgestecktes Ziel: „Wir wollen es zu einer internationalen Marke machen“, sagt Professor Güntürkün. Ambitionierter geht es nicht.