Bochum. Thyssenkrupp baut in Bochum für 150 Millionen Euro eine weitere Anlage. Ein Meilenstein für Deutschlands größten Stahlproduzenten und die Stadt.

Bauen im Bestand ist voll im Trend – und nicht nur im Wohnungsbau. Thyssenkrupp Steel Europe macht an der Essener Straße in Bochum vor, dass auch die Industrie auf Nachhaltigkeit und sparsamen Umgang mit Ressourcen setzt. Es baut zwei der weltweit modernsten Stahlverarbeitungsanlagen in eine jahrzehntealte, gigantische Halle, die zuletzt zur Hälfte nur noch als Abstell- und Lagerfläche gedient hat.

Thyssenkrupp investiert in Bochum 250 Millionen Euro in zwei Anlagen

Der Anlagenbauer SMS Group aus Düsseldorf errichtet derzeit im Auftrag von Thyssenkrupp eine sogenannte Glüh- und Isolierlinie. Auf ihr erhalten zuvor hauchdünn gewalzte Stahlbänder jene besonderen mechanischen und magnetischen Eigenschaften, die für den Einsatz in Elektrofahrzeugen und Windkraftturbinen benötigt werden. Mit ihnen erhöhe sich der Wirkungsgrad der Motoren immens, heißt es. 150 Millionen Euro gibt das Unternehmen allein für die Glüh- und Isolierlinie aus.

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Grundsteinlegung für die neue Glüh-und Isolierlinie mit dem Betriebsratsvorsitzenden Engin Karakurt, Thyssenkrupp-Standortleiter Markus Kovac, Demirtas Eyüp vom Anlagenbauer SMS, Thyssenkrupp-Vorstand Heike Denecke-Arnold, SMS-Chef Andre Schneider und Rouven Beeck, Geschäftsführer der Bochum Wirtschaftsentwicklung.
Grundsteinlegung für die neue Glüh-und Isolierlinie mit dem Betriebsratsvorsitzenden Engin Karakurt, Thyssenkrupp-Standortleiter Markus Kovac, Demirtas Eyüp vom Anlagenbauer SMS, Thyssenkrupp-Vorstand Heike Denecke-Arnold, SMS-Chef Andre Schneider und Rouven Beeck, Geschäftsführer der Bochum Wirtschaftsentwicklung. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Weitere 100 Millionen investiert es in ein Doppelreversiergerüst, das bereits im Sommer fertig sein soll. Bis zu 0,2 Millimeter dünne Stahlbänder, so „dick“ wie zwei Blatt Papier, und besonders feste Stähle können darauf gewalzt werden. Beide Anlagen für insgesamt 250 Millionen Euro bilden das Rückgrat des künftigen Kompetenzzentrums für Elektromobilität, das Deutschlands größtes Stahlunternehmen in Bochum aufbauen will.

363 Meter lange Anlage hat eine Kapazität von jährlich 218.000 Tonnen

Am Dienstag (14. März) wurde der Grundstein für die Glüh- und Isolierlinie gelegt. Begonnen haben die Arbeiten bereits im vergangenen Jahr. Derzeit errichtet SMS die Fundamente für die 364 Meter lange, 20 Meter breite und 13,5 Meter hohe Anlage, die eine Kapazität von 218.000 Tonnen jährlich hat.

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Betonfundamente sind 46.000 Tonnen schwer

35.000 Kubikmeter Erde, das sind etwa 63.000 Tonnen, müssen für den Bau der Glüh- und Isolierlinie ausgehoben werden. Mit 20.000 Kubikmeter Beton, etwa 46.000 Tonnen schwer, werden die Fundamente gegossen. 2700 Tonnen Bewehrung werden dabei außerdem verwendet.

Auf der Anlagen werden die aufgerollten und zu einem Endlosband zusammengeschweißten Stahlbänder erst gereinigt, dann auf etwa 1000 Grad Celsius erhitzt, langsam heruntergekühlt auf 600 Grad und schließlich zurückgeführt auf die Hallentemperatur von etwa 20 Grad. Danach erhält der Stahl eine dünne Lackbeschichtung (ein halber Tausendstel Millimeter), wird über ein Schwebeband berührungslos getrocknet und schließlich wieder zu sogenannten Coils aufgerollt.

Was ist das Besondere an der neuen Anlage? Sie erledigt zwei Prozessschritte, für die bislang zwei separaten Anlagen nötig waren. Und sie dient dazu, „hocheffiziente und energieeffiziente Stahlsorten zu produzieren“, sagt Standortleiter Markus Kovac. „Sie müssen sich das vorstellen wie bei einem Staubsauger“, so Kovac. Früher wurde mit einem 2400-Watt-Gerät der Boden gereinigt. Aber nach zehn Minuten musste das Fenster geöffnet werden, weil der Staubsauger heiß wurde. Heute hat ein 600-Watt-Staubsauger die gleiche Saugleistung, allerdings ohne die große Abwärme.“

Thyssenkrupp will mit Hightechprodukten eine führende Rolle spielen

„Der Trend geht auch bei der E-Mobilität hin zu immer anspruchsvolleren Güten“, erklärt Heike Denecke-Arnold, Produktionsvorstand bei Thyssenkrupp Steel. Mit der neuen Anlage, die auf die Anforderungen hocheffizienter Motoren ausgelegt ist, wolle Thyssenkrupp seine Position als größter deutscher Hersteller „festigen oder womöglich sogar noch ausbauen“. Die beiden Investitionen sind Teil der „Stahlstrategie 2030“. Insgesamt 800 Millionen Euro werden bis zum Ende des Jahrzehnts in den Neubau und die Modernisierung von Anlagen investiert.

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Im nächsten Jahr soll die Glüh- und Isolierlinie fertig sein. Mit ihr will sich das Unternehmen den Markt von morgen sichern. „Materialien für die Elektromobilität werden in wachsendem Umfang die Stahlmärkte der Zukunft prägen“, so die Produktionschefin. „Wir wollen hier mit Hightech-Produkten aus Bochum eine führende Rolle spielen.“

Investitionen sind ein Meilenstein für Thyssenkrupp und Bochum

Sowohl für das Unternehmen als auch für die Stadt sei der Bau der Anlage ein Meilenstein, so Rouven Beeck, Geschäftsführer der Bochum Wirtschaftsentwicklung. Es sei ein Signal für einen zukunftssicheren und nachhaltigen Produktionsstandort. Er verweist auf den fortwährenden, bisweilen schmerzvollen Strukturwandel und zählt auf: „Kohle, Nokia, Opel“. Durch die Millioneninvestitionen sei gesichert, dass Industrie auch weiterhin zur DNA Bochums gehöre.

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70 neue „qualifizierte Arbeitsplätze“ entstehen durch die Anlage, so Standortleiter Kovac. Insgesamt 2400 Mitarbeiter hat Thyssenkrupp insgesamt an den beiden Standorten – Essener Straße und Castroper Straße – in Bochum. Und: Mit den Millioneninvestitionen „haben insgesamt 200 Auszubildende jetzt eine echte berufliche Zukunft“, so der Betriebsratsvorsitzende Engin Karakurt.

Eine Fotostrecke dazu sehen sie auf www.waz.de/bochum .