Bochum. Ein Start-Up aus Bochum hat eine Methode entwickelt, um Hirnschäden bei Neugeborenen zu behandeln. Gründer spricht von „spektakulärer Effizienz“.

Jährlich etwa 70.000 Babys sind allein in Europa von Hirnschäden und zerebralen Lähmungen (CP) betroffen. In Bochum wurde eine einzigartige Methode entwickelt, um diese Schäden bei Neugeborenen zu behandeln. Das Biotech-Unternehmen „BrainRepair“ will die Behandlungsmethode jetzt zur Marktreife bringen – mit einer Finanzspritze in Höhe von 50 Millionen Euro einer Investorengruppe aus London.

Bochumer Firma will mit 50 Millionen Euro ihre Therapie weiterentwickeln

„Unser großes Ziel ist es, Neugeborenen, die während der Geburt Hirnschäden erleiden, zu helfen und diese Schäden möglichst vollständig zu reparieren. Mit diesem Investment können wir unsere Therapie weiterentwickeln“, sagt BrainRepair-Gründer und -Mehrheitseigentümer Prof. Dr. Arne Jensen.

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Die Stammzellen-Therapie ist ein medizinischer Durchbruch made in Bochum. „Vorher konnte die zerebrale Kinderlähmung nicht behandelt werden“, so Jensen. Durch den Einsatz von Stammzellen aus dem eigenen Nabelschnurblut haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Experimenten an der Ruhr-Universität Bochum erstmals nachgewiesen, dass sich die Lähmungserscheinungen bei Kindern mit Hirnschäden heilen lassen. „Die Zellen, die wir aus dem Nabelblut gewinnen, wandern in die geschädigte Hirnregion ein und stoßen eine Regeneration an“, so Jensen. Der Schaden könne nicht rückgängig gemacht werden. Aber: „Die Nerven sind so flexibel, dass sie den Schaden umgehen und die Funktion wieder herstellen können.“

Klinische Studie mit 130 Neugeborenen geplant

Und das ist offenbar auch möglich, wenn der Schaden erst viel später entdeckt und behandelt wird. Der Bochumer berichtet zum Beispiel von einem Kind, das nach einem Schlaganfall während der Geburt halbseitig gelähmt war. „Ein halbes Jahr später haben die Eltern das gemerkt, Hand und Bein waren gelähmt.“ Fünf Jahre später wurde die Tochter mit ihrem eigenen Nabelschnurblut behandelt. „Jetzt ist sie DLRG-Gold-Abzeichenträgerin im Tauchen und Schwimmen, spielt Klavier mit beiden Händen und hat gerade den Führerschein gemacht“, so Jensen.

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Prof. Arne Jensen hofft auf eine schnelle Weiterentwicklung der Therapie.
Prof. Arne Jensen hofft auf eine schnelle Weiterentwicklung der Therapie. © Jensen

Er spricht von einer „spektakulären Effizienz“ bei den bisherigen Behandlungen und geht davon aus, dass schon nach der Hälfte der nun anstehenden Studie mit etwa 130 Patienten statistisch nachweisbare deutliche Behandlungserfolge verzeichnet werden können. Zwei bis fünf Jahre werde es noch dauern, ehe die jetzige Teilzulassung durch die Europäische Kommission und die Europäische Arzneimittelagentur in eine vollständige Zulassung münden kann. „Man kann den Kindern und Eltern keine übertriebenen Hoffnungen machen, weil man immer abwarten muss, bis das positive Ergebnis da ist“, so Jensen. „Aber wir glauben fest an einen Erfolg. Alle unsere persönlichen, wissenschaftlichen, klinischen und philanthropischen Bemühungen dienen dem ultimativen Ziel - der Bekämpfung der infantilen Zerebralparese, der häufigsten Behinderung in der Kindheit!“

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Investor aus Londen erhält 20 Prozent am Unternehmen

Nachdem der Gynäkologie bereits vor 20 Jahren begonnen hat, nach Behandlungsmöglichkeiten bei Hirnschäden von Neugeborenen zu forschen, hat er mittlerweile starke Partner an seiner Seite. Der Investor aus London hat mit seinen 50 Millionen Euro eine 20-prozentige Beteiligung an BrainRepair erworben und hofft perspektivisch auf den Börsengang. Jensen: „Für uns ist das auch eine große Auszeichnung. Kein Mensch gibt in diesen Zeiten Geld, wenn er nicht zu 90 Prozent sicher ist, dass er es wiederbekommt.“

Aber es gebe noch andere „gewichtige Teilhaber an der Gesellschaft“, die mehrheitlich dem Bochumer Professor gehört. So hat sich einer der erfolgreichsten Erfinder und Unternehmer der Gegenwart an BrainRepair beteiligt, das einst als Ausgründung aus der Ruhr-Universität hervorgegangen ist. Sein Name: Dr. Metin Colpan. Er hat vor zwei Jahren für 15 Millionen Euro fünf Prozent der Firmenanteile erworben. Mittlerweile ist er mit elf Prozent beteiligt. Und er weiß wie wissenschaftlicher Erfolg in wirtschaftlichen Erfolg gemünzt werden kann. Einst hat Colpan den rasanten Aufstieg der Biotech-Firma Qiagen von einem Start-up- bis zum Milliarden-Unternehmen gelenkt hat. Jensen: „Es ist immer wichtig, dass nicht nur einer, sondern möglichst viele Vertrauen haben.“

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OB-Eiskirch sieht Standort Bochum gestärkt

Hocherfreut über den Erfolg zeigt sich Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD). „Das ist eine richtig gute Nachricht für alle werdenden Eltern und die betroffenen Kinder. Mit der Stammzellen-Therapie wächst die Hoffnung, Neugeborene, die während der Geburt Hirnschäden erleiden, heilen zu können.“ Zugleich stärke der Erfolg des Unternehmens auch Bochum als Standort medizinischer Spitzenforschung.

Die Bochum Wirtschaftsentwicklung hat BrainRepair nach eigenem Bekunden „von Beginn an unterstützt“ - von der Finanzierung bis zur Anmietung von Räumen im Biomedizin-Zentrum (BMZ) auf dem Uni-Campus in Querenburg. Dort hat das Unternehmen seit 2019 seinen Sitz und arbeitet eng mit der benachbarten Campus-Klinik für Gynäkologie zusammen. Gründer Arne Jensen ist voll des Lobes: „Die Beratung und das Knowhow der Bochum Wirtschaftsentwicklung hat uns sehr geholfen, aus einer wissenschaftlichen Methode ein vermarktbares und wirtschaftliches Produkt zu entwickeln.“