Bochum. Durch Heizvorgaben will Bochum mehr Energie sparen. Ein Wissenschaftler sagt, der Schlüssel zum Erfolg liege woanders und fordert Transparenz.
Seit September vergangenen Jahres gelten für öffentliche Gebäude in Deutschland strenge Regeln, um Energie einzusparen. Auch in Bochum werden zum Beispiel Raumtemperaturen gedrosselt und weniger Gebäude beleuchtet. Doch: „Das wird so nicht funktionieren“, sagt Prof. Viktor Grinewitschus von der EBZ Business School in Bochum. Vielmehr bräuchte es ein Gesamtkonzept und vor allem Erfolgskontrollen.
„Besser als die Vorgabe von Raumtemperaturen wären verpflichtende Einsparziele, die sich auch kontrollieren lassen“, erklärt Grinewitschus, der in den Bereichen technische Gebäudeausrüstung und Energiefragen der Immobilienwirtschaft forscht und lehrt.
Die neue Energiesparverordnung sieht beispielsweise vor, dass öffentliche Gebäude auf maximal 19 Grad beheizt werden dürfen. Das sei wenig zielführend. „Wie soll das funktionieren? Da müsste in jedem Raum ein Thermometer stehen“, gibt der Experte für Energiefragen in der Immobilienwirtschaft zu bedenken.
Sinnvoller sei ein witterungsbereinigtes Einsparziel von 20 Prozent für den kommenden Winter – das sich im Übrigen auch die Stadt Bochum gesetzt hat. Grinewitschus: „Da jedes Gebäude einen Energiezähler hat, wäre der Nachweis kein Problem.“
In öffentlichen Gebäuden werde auch geheizt, wenn keiner mehr drin ist
Der Wissenschaftler hat auch festgestellt: Öffentliche Gebäude würden häufig beheizt, auch wenn sich gar keiner mehr in ihnen befindet. „Viele sind nur zwischen Montag und Freitag für 55 Stunden pro Woche belegt“, erklärt er. Das entspreche rund einem Drittel der Zeit. Ein weiteres knappes Drittel verbringe das Gebäude im Nachtbetrieb, das letzte Drittel im Wochenendbetrieb.
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Das habe sich auch beim Monitoring einer Schule in Köln gezeigt: „Die wärmsten Temperaturen wurden am Wochenende gemessen“, erklärt Grinewitschus. Dann, wenn nicht gelüftet wird.
Zu einem Einspareffekt könne auch die Einführung von Homeoffice führen, allerdings nur, wenn die Temperatur in den nicht benutzten Büros runtergefahren würde. „Dass dies nicht immer der Fall ist, belegen Messungen in Forschungsprojekten.“
Beispielsweise in Aachen kann jeder den genauen Energieverbrauch eines jeden öffentlichen Gebäudes tagesaktuell auf einer Homepage ablesen. „Der Schlüssel zum Glück ist die Transparenz“, erklärt dazu Forscher Grinewitschus. Denn: Man könne nicht verbessern, was man nicht sieht. Doch könnte man sich das auch in Bochum vorstellen?
Energiesparen: Stadt Bochum plant, detailliertere Zahlen zu nennen
„Es ist in 2023 vorgesehen, eine regelmäßige detaillierte Berichterstattung in den zuständigen Ausschüssen zu etablieren“, erklärt Stadtsprecher Thomas Sprenger. Generell sei der Energieverbrauch der städtischen Gebäude zurückgegangen. „Schon jetzt zeigt sich, dass wir auf einem guten Weg sind, unser geplantes Einsparziel von 20 Prozent voraussichtlich zu erreichen“, so der Pressesprecher weiter. Genaue Zahlen für 2022 würden noch ermittelt.
In den vergangenen zehn Jahren sei der Energieverbrauch um rund ein Viertel zurückgegangen. Sprenger: „Die gebäudebezogenen Energiekosten haben sich aufgrund der Preisentwicklungen jedoch nicht im gleichen Maß entwickelt.“ 21 Millionen Euro hat die Stadt Bochum 2014 für Strom und Gas ausgegeben, bis 2021 ist die Zahl mit einigen Schwankungen auf 16,2 Millionen Euro gesunken.
Die derzeitige Energiekrise trifft Kommunen hart, sie müssten mit einer Verdreifachung der Energiekosten rechnen. „Und das zu einer Zeit, in der es ohnehin viele weitere Kostensteigerungen gibt“, sagt Grinewitschus.
Energiesparen: Vielerorts fehle es an Knowhow und Ausstattung
Um die neue Energiesparverordnung einzuhalten, wurden in Bochum technische Maßnahmen getroffen. Sprenger: „Neben Anpassungen der zentralen Steuerungen ist dafür in nahezu allen Verwaltungsgebäuden die Einstellmöglichkeit der Thermostat-Ventile nach oben begrenzt worden.“
Zudem: „Die Temperaturabsenkungen an Wochenenden, Feiertagen und in der Nacht erfolgen durch zentrale Regelungen“, so der Stadtsprecher weiter. Bei individueller Abwesenheit von Beschäftigten seien diese angehalten, ihre Heizung niedriger einzustellen, sofern eine Einzelraumregelung vorhanden ist.
Grinewitschus von der EBZ Business School berät neben anderen Kommunen auch die Stadt Bochum. Er verdeutlicht: Vielerorts fehle es an Knowhow und Ausstattung, dabei müssten Einsparpotenziale schneller erkannt werden – auch durch eine transparente Darstellung der Verbräuche. „Es gibt keine Alternative, man muss den Einstieg finden“, so Grinewitschus.