Essen. Die sehr informative und kritische ZDFinfo-Doku „Influencer in Uniform” zeigt, warum es nicht unproblematisch ist, wenn die Polizei twittert
Der Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum 2016 markierte den Start: Um die Bevölkerung zu warnen, setzte die Münchner Polizei erstmals Twitter ein. Schon da zeigte sich aber, welche Stärken und Schwächen die Kommunikation per Social Media auch für Ordnungshüter hat: Die schnelle, präzise und neutrale Meldung erreichte einen so großen Teil der Bevölkerung, wie es vorher nicht möglich gewesen wäre.
Andererseits liefen auch pro Minute bis zu 200 Tweets ein, die beruhigend, faktensicher und sogar mehrsprachig erwidert werden mussten. Darunter waren viele Gerüchte oder „Phantom-Orte“, die für zusätzliche Aufregung sorgten – und wieder aus der Welt geschafft werden mussten…
„Influencer in Uniform”: Social-Media-Präsenz intensiviert
Als wenn die Beamten nicht schon genug zu tun hätten, für innere Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Jetzt sind sie auch noch „Influencer in Uniform“, wie die sehr informative, aber auch kritische Dokumentation auf ZDFinfo zeigt (Donnerstag, 8. Dezember, 20.15 Uhr). Seit dem Münchner Vorfall intensivierte die Polizei in allen 16 Bundesländern, in allen 16 Landespolizeibehörden ihre Social-Media-Präsenz, wenn auch auf sehr uneinheitliche Weise.
Alle posten auf Facebook, Twitter oder Instagram Fotos, Filme und Meldungen – um Vertrauen zu schaffen, das eigene Image aufzupolieren oder neues Personal zu gewinnen. Unproblematisch ist das dennoch nicht, wie der Film von Dunja Keuper und Jan Keuchel an vielen Bespielen zeigt. Nicht nur deshalb, weil eine Trennung zwischen Info und PR dabei vollkommen verschwimmt.
Mit 330.000 Einsatzkräften bundesweit ist die Polizei auch eine „ungeheuer mächtige Organisation“ mit Deutungsmacht. Was sie twittert, wird kaum in Frage gestellt. Da kann es schon mal schnell zu falschen Behauptungen kommen, die eine Situation massiv beeinflussen und als Fake News kaum wieder einzufangen sind. Auch die Ansprache, monieren Polizeiforscher, orientierte sich eher am flapsigen Sprachgebrauch der Medien als an den behördlichen Kommunikationsregeln, die sachlich und neutral sein müssen.
Da ist der Blick in die Nachbarländer nützlich, um zu zeigen, dass es auch anders, besser geht: In den Niederlanden sitzen 1000 Online-Polizeibeamte 24/7 in einem zentralen Newsroom und posten überwiegend Vermissten- oder Suchmeldungen. Ihr Einsatz lohnt.
„Für viele Bürger ist es einfacher, eine Nachricht zu schicken, als uns anzurufen“, berichtet eine Streifenpolizistin nach einem Hinweis auf ein gestohlenes Fahrzeug, nach dem per Instagram gefahndet worden war.
Die Schweiz dagegen führt ihre Social-Media-Auftritte sehr transparent und mit nur wenig Personaleinsatz durch, wie das Bespiel der Stadtpolizei Winterthur zeigt: Da posten zwei (!) Internet-Cops zwei Mal im Monat (!) praxisnahe Präventionsvideos auf TikTok, die es jeweils auf bis zu elf Millionen Views bringen. Es geht beispielsweise darum, wie man verkehrssicher mit einem E-Roller unterwegs ist. Geklickt werden die Videos von genau der Gruppe, die für die Polizei sonst nur schwer zu erreichen ist – die 13 bis 18-jährigen.
Bewertung: Vier von fünf Sternen