Bochum. Erst vor wenigen Jahren wurden viele Bach-Kilometer in Bochum renaturiert. Jetzt drohen die langen Trockenperioden die Bäche versiegen zu lassen.

Dreistellige Millionenbeträge investierten Stadt Bochum, Emschergenossenschaft und Ruhrverband, um hunderte Bach-Kilometer aus ihrem engen Betonkorsett zu befreien und in eine neue, vermeintlich herrliche Freiheit zu entlassen. Nur den Klimawandel hatte damals niemand auf der Rechnung. Seit mehr als 20 Jahren beobachtet der Biologe Richard Köhler von der Biologischen Station östliches Ruhrgebiet die Situation der Bochumer Bäche: „Ja, niemand hat das vorhergesehen. Jetzt versickert das Wasser vielfach in den Bachsohlen, weil der Grundwasserspiegel aufgrund der Trockenheit so tief abgesunken ist.“

Bittere Entwicklung aus verschiedenen Gründen

Bitter ist diese Entwicklung aus ganz unterschiedlichen Gründen. Zum einen gehörte es zur Strategie der Emschergenossenschaft, ein positives Image, eben deutlich weg von der stinkenden „Köttelbecke“, zu entwickeln, zum anderen nutzte die Stadt ganz intensiv die neuen naturnahen Bäche als Marketing-Anreiz bei der Entwicklung neuer Wohnquartiere.

Wenig hinter der Stadtgrenze in Herne lag der Dorneburger Mühlenbach im Sommer völlig ausgetrocknet da.
Wenig hinter der Stadtgrenze in Herne lag der Dorneburger Mühlenbach im Sommer völlig ausgetrocknet da. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Beispiel „Wohnen am Dorneburger Mühlenbach“ in Riemke: Ab 2008 im Rahmen des neuen Wohnbaulandkonzeptes begann die Stadt neue Wohnquartiere für junge Familien zu entwickeln, so auch in der bisher nicht unbedingt als bevorzugte Lage wahrgenommene Gegend. Erfolgreich gelang dies mit Ein- und Mehrfamilienhäusern nördlich der Cruismannstraße. Da wo einst das berüchtigte Zillertal, ein über die Stadt hinaus bekannter sozialer Brennpunkt mit Schlichtwohnungen und Obdachlosenunterkünften, sollten nun wohl situierte Familien einziehen.

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Grüne Bachauen als Werbemittel für Wohnungsbau

Allen Unkenrufen zum trotz, gelang das Projekt, die Grundstücke wurden der Stadt aus den Händen gerissen. Nicht zuletzt das Argument. „Bach“ hatte gezogen. Zitat aus dem damaligen Werbetext: „Eine besondere Qualität erhält das Wohngebiet durch die Lage inmitten eines Grüngürtels, der langfristig erhalten werden soll, sowie die kleinen und großräumigen Naherholungsbereiche im direkten Umfeld. Südlich des Baugebietes verläuft in einem Grünzug der Dorneburger Mühlenbach.“

Marko Siekmann zeigt auf Rigolen an der Hattinger Straße. Sie sollen nicht nur die Kanäle entlasten, sondern auch Wasser versickern lassen, das dann den Bächen helfen kann.
Marko Siekmann zeigt auf Rigolen an der Hattinger Straße. Sie sollen nicht nur die Kanäle entlasten, sondern auch Wasser versickern lassen, das dann den Bächen helfen kann. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Marko Siekmann ist Abteilungsleiter im Bochumer Tiefbauamt. Er hat sich mittlerweile einen Namen gemacht als vehementer Verfechter des Schwammstadtprinzipes. „Ja, es stimmt. In den trockenen Monaten kann passieren, dass der Grundwasserspiegel bis zu zwei Meter tiefer liegt als die Bachsohlen.“ In durch den Bergbau hervorgerufenen Senkungsgebieten drücke nach Starkregen-Ereignissen das Wasser aber trotzdem direkt an die Oberfläche.

Der Wasserbau-Fachmann geht davon aus, das wir uns mehr und mehr auf „wechselfeuchte Situationen“ in unseren Städten einstellen müssen. Zwar könne auch die ausgeklügeltste Schwammstadttechnik ausbleibenden Regenmengen nicht komplette kompensieren, es helfe jedoch: „Ziel ist es ja, dass es uns gelingt, dass das Wasser nicht nur langsamer in die Kanäle abgegeben wird, sondern damit auch kleinere Wasserläufe gespeist werden.“

Stadt denkt über besondere Maßnahmen nach

Auf die veränderte Situation müssen die Städte reagieren. Siekmann nennt als Beispiel den Bockholt-Teich in Harpen. Eigentlich speist der Kirchharpener Bach den Teich. Doch die extremen Dürremonate der vergangenen Jahre haben ihn nahezu komplett austrocknen lassen. Wo eigentlich zwischen acht bis zehn Liter Wasser pro Sekunde benötigt werden, um den Teich am Leben zu erhalten, kamen zuletzt mal magere zwei Liter an.

Darauf hat die Stadt Bochum reagiert, sie favorisiert dort ein Feuchtbiotop, da selbst die beste Entschlammung des Teiches nicht das fehlende Wasser ersetzen könne. Nach einem Ortstermin soll noch mal nachgedacht werden, ob es nicht eine andere Lösung für das als Naherholungsgebiet genutzte Umfeld gibt.

Emschergenossenschaft gibt sich gelassen

Für die Emschergenossenschaft kommuniziert Ilias Abawi schon von Beginn an das Megaprojekt Emscher-Umbau, das auch die Renaturierung und Umgestaltung der sogenannten Vorfluter, also der kleineren Gewässer, beinhaltet. „Natürlich wäre es wünschenswert, wenn dort überall tatsächlich Wasser fließen würde. Aber die Trockenperioden sind heftiger als befürchtet.“

Abawi erinnert daran, dass es in erster Linie um die Trennung von Abwasser und sauberem Wasser gehe, doch die breiteren Brachquerschnitte seien bewusst so angelegt worden, um auch große Regenereignisse zu bewältigen. Im übrigen sei auch ein trockenes Bachbett nicht sinnfrei: „Auch wenn ein Bach mal trockenfällt – das ist bei den kleinen Emscher-Zuflüssen auch früher schon mal so gewesen – ist er dadurch nicht wertlos: Zahlreiche Tiere überdauern hier versteckt den Sommer, andere nutzen den grünen Korridor als Wanderweg und Aufenthaltsort.“