Bochum. Bochum sieht sich auf dem Weg nach vorne. Entwicklungen wie die im früheren Opel-Werk sprechen dafür, etliche Zahlen aber noch dagegen.
In den Köpfen der geistigen Mütter und Väter der Bochum Strategie sieht es in der Stadt im Jahr 2030 etwa so aus: ein starker Wirtschaftsstandort, eine innovative Unternehmenslandschaft, exzellente Schulen und Hochschulen, ein herausragendes Freizeit- und Kulturangebot und hohe Lebensqualität. Tatsächlich bescheinigt der Zukunftsatlas 2022 Bochum eine enorm dynamische Entwicklung. Und doch führt er die Stadt unter 400 Städten und Kreisen in Deutschland weit entfernt von den besten und schönsten und erfolgreichsten. Nämlich auf Platz 297.
Bochum weit hinten zwischen Hameln und dem Vogelsbergkreis
Bochum zwischen Hameln (Platz 296) und dem hessischen Vogelsbergkreis (297)? Wie kann das sein, nach dem die Stadt in Windeseile den Verlust des Opel-Werks überwunden hat und auf dem früheren Werksgelände das vielversprechende Wissens- und Technologiequartier Mark 51/7 aufbaut, die über zahlreiche Hochschulen verfügt und in der etliche vielbeachtete Unternehmen – von GData über Ingpuls bis Eickhoff – beheimatet sind. Die laut Bitcom-Studie die digitalste Stadt im Ruhrgebiet und eine der zehn smartesten Städte in Deutschland ist, die ihren Haushalt konsolidiert hat, in der es so viele sozialversicherungspflichtigen Jobs wie nie zuvor gibt – und die endlich wieder in der Ersten Bundesliga spielt?
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Rätselraten im Rathaus, wo das Ergebnis der Studie – vor einigen Tagen vom Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos vorgestellt – im Detail nicht bekannt ist. „Es gibt keinen Austausch mit Prognos“, sagt Stadtsprecher Thomas Sprenger, der nach dem Studium eines kurzen Überblicks über den Zukunftsatlas zu dem Schluss kommt, dass dieser nicht besonders transparent sei.
Fortschritte sind erkennbar
Beim Herausgeber sehen sie das ein wenig anders. Kontakt mit jeder Kommune nehme Prognos zwar nicht auf, so Projektleiterin Kathleen Freitag. Dazu fehle es an personellen Möglichkeiten. „Aber wenn eine Stadt mit uns in Kontakt kommen möchte, begrüßen wir das.“ Prognos begreife die Studie als Gesprächsangebot.
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Das Forschungsunternehmen verhehlt nicht, dass es Fortschritte in Bochum gibt. Dazu zähle die Entwicklung auf Mark 51/7 und Stärken in Forschung und Entwicklung. „Insgesamt gibt es aber noch einige Stellschrauben, an denen die Stadt drehen muss.“ Im Bereich Wohlstand und soziale Lage reicht es nur zu Platz 378, u.a. wegen vieler Bedarfsgemeinschaften und einer weiterhin überdurchschnittlichen Arbeitslosenquote. In der Kategorie Wettbewerb und Innovation (291) sieht es nicht rosig aus, auch weil weiterhin zu wenig gegründet werde.
Prognos sieht noch einige Baustellen in Bochum
„Die Wirtschaftskraft ist zwar gewachsen“, so Freitag. Das durchschnittliche zur Verfügung stehende Einkommen der privaten Haushalte gehört aber zu den niedrigeren in NRW. Tatsächlich findet sich Bochum in der jüngsten Statistik von IT.NRW mit einem Durchschnittseinkommen pro Kopf von 21.152 Euro (Stand 2020) auf Platz 359 unter den 396 Städten und Gemeinden im Land wieder – also weit hinten.
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Und: Dass Bochum seinen Haushalt seit einigen Jahren ausgeglichen gestaltet, sei positiv. Dennoch drückten die Stadt Schulden in Höhe von 1,7 Milliarden Euro. „Es gibt noch einige Baustellen“, so Freitag. Dazu gehören soziale Indikatoren, aber auch der Fachkräftemangel. Problematisch sei, dass 7,5 Prozent der Jugendlichen ohne Abschluss die Schule verlassen. Am Ende reiche das nur zum hinteren Mittelfeld – immerhin noch im Bereich von ausgeglichenen Zukunfts-Chancen und -Risiken.
Hintere Plätze auch in anderen Studien
Das sieht nicht nur im Vergleich mit früheren Analysen ernüchternd aus, seit dem Zukunftsatlas 2014 (Platz 215) geht es für Bochum im Ranking bergab. Auch in anderen Studien, die Prognos für das ZDF erstellt hat, liegt die Stadt eher hinten oder bestenfalls im Mittelfeld: auf Platz 371 (Wo lebt es sich am besten?), auf Platz 320 (Deutschlandstudie Familien) und auf 275 (Senioren).
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Zahlen hin oder her. „Wir nehmen das Ergebnis zur Kenntnis. Aber wir sind von unserem Weg überzeugt und bleiben dabei“, sagt Stadtsprecher Thomas Sprenger und verweist auf die Bochum Strategie.
Platz 65 im Dynamikranking lässt hoffen
Tatsächlich gibt es im aktuellen Zukunftsatlas einen starken Hinweis darauf, dass die Stadt sich trotz der ernüchternden Platzierung gut entwickelt. Platz 65 im Dynamikranking ist nicht nur eine im weiteren Sinne vordere Platzierung, sondern auch die beste unter allen Ruhrgebietsstädten. „Das freut uns“, sagt der Stadtsprecher. Zumal sich das gute Ergebnis auch herumgesprochen hat. Der Business Metropole Ruhr war es jüngst bei der Immobilienmesse Expo Real in München eine lobende Erwähnung wert.