Bochum-Hamme. Über eine Woche dauert das Projekt „Haldi47“ an. Zur Führung durch das besetzte Haus in Bochum kamen neben der Nachbarschaft viele Unterstützer.

Der Zugang ist so unkonventionell wie die Aktion selbst: Wer das besetze Haus in Bochum-Hamme betreten will, muss zunächst eine selbst gebaute Strickleiter in den ersten Stock erklimmen. Sieben Sprossen führen die waghalsigen Besucherinnen und Besucher in das Haldi47 hinein – in ein, wie die Besetzer es nennen, „Projekt“ an der Haldenstraße 47.

Bochum-Hamme: Hausbesetzer „Haldi47“ empfangen Unterstützer

Seit gut einer Woche besetzen zwischen 30 und 50 Aktivistinnen und Aktivisten das leerstehende Gebäude, das die Diakonie eigentlich zu einem Behindertenwohnheim umbauen will. Ein großer Polizeieinsatz vor Ort führte nicht zur Räumung des leerstehenden Gebäudes, die Eigentümer hatten keinen Hausfriedensbruch angezeigt. Dass das Besetzen des Hauses eine Straftat darstellt, ist laut den Aktivisten kein Hinderungsgrund – man wolle hier auf das Thema der Wohnungsnot aufmerksam machen.

Zum Nachbarschaftsfest hat „Lena“ geladen, um im Stadtteil neue Kontakte zu knüpfen. Den Hausbesetzern habe sie sich angeschlossen, weil sie „das Projekt cool fand“.
Zum Nachbarschaftsfest hat „Lena“ geladen, um im Stadtteil neue Kontakte zu knüpfen. Den Hausbesetzern habe sie sich angeschlossen, weil sie „das Projekt cool fand“. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Nun haben die jungen Hausbesetzer zu einer kleinen Feier mit Führungen durch das heruntergekommene Haus geladen. Viele Hammer Bürgerinnen und Unterstützer folgen der Einladung zum „Nachbarschaftsfest am besetzten Haus“. Am Freitag trudeln einige Dutzend Neugierige im Hinterhof ein, stellen Fragen und begrüßen bekannte Gesichter. Jugendliche, Nachbarn, Sympathisanten aus der linken Szene.

„Auch schon mal ein Haus besetzt?“

Auch Aichard Hoffmann vom Bochumer Mieterverein ist unter den Besuchern und schaut sich auf dem Grundstück interessiert um. Ein Aktivist spricht ihn an: Hoffmann antwortet: „Ja, das ist lang her.“

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Früher habe er mal mit Studienkollegen die Alte Mensa auf dem RUB-Campus besetzt, um dort ein Kulturzentrum zu errichten. Letztlich erfolglos, doch eineinhalb Jahre konnten sie sich dort halten. „Aber abgesehen von den linken Studenten waren Hausbesetzungen früher viel aggressiver. Das waren Punks, die haben Steine geworfen.“ Dagegen sei das Projekt „Haldi47“ doch sehr friedlich, er halte die Aktion für eine gute Idee.

Aichard Hoffmann vom Mieterverein Bochum gefällt das Projekt „Haldi47“.
Aichard Hoffmann vom Mieterverein Bochum gefällt das Projekt „Haldi47“. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Hoffmann: Wir haben zu wenig bezahlbaren Wohnraum in Bochum“

„Die jungen Leute legen den Finger in die Wunde: Auf der einen Seite haben wir zu wenig Wohnraum, vor allem zu wenig bezahlbaren Wohnraum,“ so Hoffmann, „zum anderen haben wir ein Problem mit der Menge an Leerstand, also Schrottimmobilien – aber offenbar nicht so viele, dass sich der Stadtbaurat darum kümmern würde.“

Ihm sei es ein Dorn im Auge, dass die Stadt vornehmlich den Blick auf Neubauprojekte richte. Der Mieterverein fordere schon seit vielen Jahren, die Reaktivierung von Leerständen voranzutreiben. Eine Satzung, die Eigentümern den Leerstand von Immobilien erschwert, habe die Verwaltung 2017 ausgearbeitet. Im Rat hätten SPD, CDU und FDP allerdings dagegen gestimmt.

„Haldi47“ solle kurzfristig auch Bleibe für geflüchtete Menschen sein

„Seit sechs Jahren steht dieses Haus immer wieder leer, seit drei Jahren ist es ungenutzt“, erläutert einer der Aktivisten, der sich „Gustav Anton“ nennt. Die Besetzung des ungenutzten Wohnraums soll nötigenfalls auch wohnungslosen Geflüchteten eine Notunterkunft bieten, erläutert „Lena“. Eine längerfristige Besetzung scheint die Besetzer-Gruppe nicht vorzusehen. „Die Pläne, hier Räume für Wohngruppen zu schaffen, unterstützen wir“, betont die Aktivistin. Aktuell stehe man mit den Hauseigentümern in Verhandlungen, um einen Zwischennutzungsvertrag zu schließen.

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Mit Kreide malt „Kai“ die Richtungspfeile auf die Haldenstraße, damit die Nachbarschaft in Bochum-Hamme den Weg zum besetzten Haus „Haldi47“ findet.
Mit Kreide malt „Kai“ die Richtungspfeile auf die Haldenstraße, damit die Nachbarschaft in Bochum-Hamme den Weg zum besetzten Haus „Haldi47“ findet. © WAZ Bochum | Verena Lörsch

Wem der Aufstieg geglückt ist, der steht im ersten Stock des Hauses im Lager- und Spendenraum. „Über Twitter teilen wir immer eine Materialliste“, sagt „Lena“, die durch das „Haldi47“ führt. Zahlreiche Unterstützer würden ihnen Lebensmittel und Sonstiges vorbeibringen. Einen wohnlichen Eindruck machen die drei verschmutzten Etagen nicht, dabei hätten die Hausbesetzer schon viel Müll beseitigt, berichten sie.

Aktivisten besetzen leerstehendes Haus in Bochum-Hamme

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    Im Erdgeschoss ist die Tür verbarrikadiert, im ersten Stock findet sich eine „Küche“ ohne tatsächliche Küche darin, außerdem drei Schlafräume mit Matratzen. „Dieser Schlafraum hier ist nur für ,Flinta’ – Frauen, Lesben, intergeschlechtliche und Transpersonen“, erläutern die Aktivisten. Willkommen bei „Haldi47“ sei jeder, „der Bock auf das Projekt hat“, erläutert „Gustav Anton“. Nun ja, fast jeder. „Außer Nazis natürlich.“

    Um Kontakte im Viertel Hamme zu knüpfen, lud die Aktivisten-Gruppe zum besetzten Haus in Bochum-Hamme ein. Zu Kuchenspenden wird auf einem Stromkasten gegenüber aufgerufen.
    Um Kontakte im Viertel Hamme zu knüpfen, lud die Aktivisten-Gruppe zum besetzten Haus in Bochum-Hamme ein. Zu Kuchenspenden wird auf einem Stromkasten gegenüber aufgerufen. © WAZ Bochum | Verena Lörsch