Bochum. Kommt der Vorschlag der Kommission durch, hätte Bochum zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte keinen eigenen Bundestagswahlkreis mehr.

Nachdem der Vorschlag der Wahlkreiskommission bekanntgeworden ist, den Wahlkreis (WK) 140 (Bochum I) wegfallen zu lassen und den Stadtbezirk Bochum-Mitte (84.085 Einwohner) dem Wahlkreis 141 (Herne - Bochum II) zuzuordnen, regen sich nicht nur in Herne kritische Stimmen. Da die Bochumer Stadtbezirke Wattenscheid (60.440), Süd (41.109) und Südwest (49.431) aus dem WK 140 in den WK 139 Ennepe-Ruhr-Kreis II überführt werden sollen, gibt es auch in Witten durchaus unterschiedliche Bewertungen. Der Ennepe-Ruhr-Kreis II gibt dafür die Städte Sprockhövel und Wetter an den WK 138 Hagen - Ennepe-Ruhr-Kreis I ab. https://dcx.funkemedien.de/dcx/documents#/doc/doc7n489o0awgxxgq02klp

Der Grund für die Änderungen liegt in der Zahl der Wahlberechtigten. Eigentlich sollten es immer rund 250.000 sein – und der Durchschnittswert nicht um mehr als 15 Prozent unterschritten werden. Das ist aber etwa im WK 139 der Fall. Laut Kommission weicht die Zahl um 22,4 Prozent ab. Bei einer Zusammenlegung mit Bochum käme der Wahlkreis dagegen auf ein Plus von 17,6 Prozent. Bochum liegt momentan nur um 8,9 Prozent unter der gewünschten Durchschnittsgröße.

Gewählt wird weiterhin meist auch in den gleichen Stimmbezirken, nur der Wahlkreis Bochum I, der soll von der Landkarte verschwinden.
Gewählt wird weiterhin meist auch in den gleichen Stimmbezirken, nur der Wahlkreis Bochum I, der soll von der Landkarte verschwinden. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Der neue Wahlkreis 141, der jetzt eine Abweichung von 21,6 Prozent nach unten, also deutlich zu wenig Wahlberechtigte aufweist, käme nach den Änderungen auf ein Plus von 11 Prozent.

Für Bochum wäre es ein Einschnitt. Seit 1949 gab es stets einen Wahlkreis, der ausschließlich Teile der Stadt umfasste. Auch wenn sich im Laufe der Jahre die Bezeichnung oder auch der Zuschnitt im Detail verändert hat. Zum ersten Male wäre die Stadt komplett aufgeteilt und tauchte nur noch im Verbund mit allesamt wesentlich kleineren Nachbargemeinden auf.

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Für den Bochumer SPD-Bundestagsabgeordneten Axel Schäfer ist der jetzt bekanntgewordene Vorschlag zur Neugliederung der Bundestagswahlkreise nicht viel mehr als „eine bessere Verwaltungsvorlage.“ Schäfer, der den Wahlkreis Bochum I bei der letzten Bundestagswahl vor einem Jahr klar mit 38,3 Prozent der Erststimmen bereits zum sechsten Male direkt gewinnen konnte, rechnet noch mit einem längeren Prozess.

„Es ist doch klar, dass am Ende darüber der Bundestag entscheidet. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass künftig die 16. größte Stadt Deutschlands keinen eigenen Wahlkreis mehr haben sollte.“ Dabei betont er, dass sich die meisten Fraktionen darüber einig seien, dass der Bundestag zu groß sei. Nur eben der Weg, zur Verkleinerung, der sei noch strittig.

CDU: Großstadt Bochum braucht eigenen Wahlkreis

Der Vorsitzende der Bochumer CDU, Fabian Schütz, macht deutlich: „Unsere Meinung ist da ganz klar: Die Großstadt Bochum braucht einen eigenen Wahlkreis.“ In der Stellungnahme der CDU, zu dem Vorschlag, sei diese Haltung auch ganz deutlich gemacht worden. „Hier geht es nicht um Parteiinteressen“, so Schütz, „sondern um die Wählerinnen und Wähler, die einen Bochumer Abgeordneten brauchen, der ihre Interessen vertritt.“

Tatsächlich theoretisch besonders ungünstig liefe eine solche Neustrukturierung, wenn sie denn so käme, für die Bochumer Grünen. Kreissprecher Hans Bischoff, sieht daher den Vorschlag skeptisch. „Ja, das ist für uns, für Bochum, überhaupt nicht glücklich gelaufen.“ Auch wenn das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, kann sich der Grüne nur schwer vorstellen, dass der Bundestag die bisherigen Vorschläge noch einmal Wahlkreis, für Wahlkreis aufdröseln werde.

Auch Bochumer Vertreter kleinerer Parteien lehnen Vorschlag ab

Für die FDP im Bundestag sitzt Olaf in der Beek, der über einen guten Listenplatz zum zweiten Mal in den Bundestag eingezogen ist. Auf den Vorschlag der Wahlkommission reagiert er sehr gelassen. „Das sind doch alles ungelegte Eier.“ Die Ampelkoalition plant ohnehin eine Änderung der noch, von der Großen Koalition, vorgenommen Reform.

In der Beek kann sich ohnehin nicht vorstellen, dass eine Stadt wie Bochum keinen eigenen Wahlkreis mehr haben solle. „Da bin ich mir übrigens mit Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (Anm.d Red.: SPD) völlig einig. Das, was jetzt vorgeschlagen worden ist, wird so nicht kommen, davon bin ich überzeugt. Deshalb verstehe ich persönlich die ganze Aufregung nicht.“

Klare Kante zeigt die über Liste in den Bundestag eingezogene Linken-Politikerin Sevim Dagdelen „Bochum als wichtige Stadt der Metropole Ruhr muss dringend weiterhin im Deutschen Bundestag direkt vertreten sein. Eine Aufteilung auf angrenzende Wahlkreise droht eine eigene Interessenvertretung zu schwächen und wichtige Anliegen wie der Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Armut an den Rand zu drängen.“

Christian Loose, Kreissprecher der AfD und Landtagsabgeordneter, sieht von dem Vorschlag die kleineren Parteien, die ohnehin kaum Chancen auf ein Direktmandat hätten, wenig betroffen. „Wenn jedoch taktische Spielchen den einen oder die anderen bevorteilen, ist das schon gruselig“, so der Bochumer AfD-Politiker. Im Prinzip kann er sich aber ebenfalls nur schwer vorstellen, dass eine Stadt wie Bochum keinen „eigenen“ Wahlkreis mehr bekommen solle.