Witten. Der Bundestag soll kleiner werden. Die damit verbundene Verringerung der Wahlkreise soll ausgerechnet Witten treffen. Und das größere Bochum.
Weil zu viele Abgeordnete in Berlin sitzen, soll die Zahl der Wahlkreise verringert werden – von bundesweit 299 auf 280. Ausgerechnet der Wahlkreis 139 Ennepe-Ruhr-Kreis II, zu dem Witten gehört, könnte mit Teilen von Bochum zusammengelegt werden, so der Vorschlag einer Wahlkreiskommission.
SPD verteidigt seit Jahrzehnten das Direktmandat für Witten
Das Direktmandat für diesen Wahlkreis mit den Städten Witten, Hattingen, Sprockhövel, Wetter und Herdecke hat seit Jahrzehnten die SPD inne, aktuell Axel Echeverria. Muss er nun schon zittern, ob er in einem größeren Wahlkreis mit Wattenscheid, Bochum-Süd und Südwest überhaupt noch nominiert würde – oder die großen Nachbarn aus Bochum den Bewerber stellen? Momentan ist das Axel Schäfer, ebenfalls von der SPD.
Wie aus einem dieser Redaktion vorliegenden Papier hervorgeht, soll aber nicht der Wahlkreis 139 EN II wegfallen, sondern der Wahlkreis 140 in Bochum – einem von vier Bundestagswahlkreisen auf der Streichliste in NRW, bei insgesamt 64. Er käme zum 139er dazu. Der Grund liegt in der Zahl der Wahlberechtigten. Eigentlich sollten es 250.000 sein – und der Durchschnittswert nicht um mehr als 15 Prozent unterschritten werden. Das ist aber im 139er der Fall.
Sprockhövel und Wetter kämen nach Hagen/EN II
Früher schon mal mit Bochum
Es hat schon früher einen gemeinsamen Wahlkreis mit Bochum gegeben, zumindest bis einschließlich 1998. Damals hieß der „Wahlkreis 111, Bochum II/Ennepe-Ruhr II“. 1998 habe noch Christel Humme in diesem Wahlkreis das Direktmandat für die SPD geholt, so Wahlamtsleiter Michael Muhr.
Zur Bundestagswahl 2002 hieß der Wahlkreis dann „140 Ennepe-Ruhr-Kreis II“ (ohne Bochum), bevor er später zum 139er wurde. Wie heute gehörten dazu Witten, Wetter, Herdecke, Hattingen und Sprockhövel. Die jetzt von der Kommission geplante Änderung würde Wattenscheid, Bochum-Süd und Bochum-Südwest zum 139er, EN II“ schlagen und Wetter und Sprockhövel zum 138er, Hagen/EN I.
Laut Wahlkreiskommission weicht die Zahl aktuell um 22,4 Prozent ab. Bei einer Zusammenlegung mit Bochum käme der Wahlkreis dagegen auf ein Plus von 17,6 Prozent. Bochum liegt momentan nur um 8,9 Prozent unter der gewünschten Durchschnittsgröße.
Nach diesen Plänen würden Sprockhövel und Wetter aus dem langjährigen Wahlkreis Ennepe-Ruhr-Kreis II herausfallen und künftig dem Wahlkreis 138 Hagen-Ennepe-Ruhr-Kreis I zugeschlagen werden. Neben Hagen gehören dazu bereits die Städte im Südkreis, Breckerfeld, Gevelsberg, Schwelm und Ennepetal. Bis 2002 bildete die Stadt Hagen diesen Wahlkreis allein, bekam wegen ihrer sinkenden Einwohnerzahl dann aber Teile des EN-Kreises dazu. Und wie reagieren die Parteien?
Wittener CDU-Vorsitzender: Ortsbezug der Abgeordneten zu den Bürgern geht verloren
Wittens CDU-Stadtverbandschef Ulrich Oberste-Padtberg (55) spricht von einem „Reförmchen“. „Eine ernsthafte Reduzierung des Bundestags ist das ja wirklich nicht. Was ich aber für viel schlimmer halte: Der Ortsbezug der Wahlkreisabgeordneten zu ihrem Bürgern geht verloren, weil die Wahlkreise über die gewachsenen Grenzen hinaus festgelegt werden“, sagt der Durchholzer.
Axel Echeverria (42) sieht in den Plänen der Kommission einen „Vorschlag von mehreren“. Er halte die Idee für richtig, den Bundestag auf 598 Abgeordnete zu verringern, schon aus Kostengründen. Derzeit sind es über 700. „Eine Reduzierung um 20 Wahlkreise bringt da aber wenig“, sagt auch er. Der SPD-Parteichef hielte es für besser, das Wahlrecht „mal grundsätzlich anzufassen“, wie es ja auch gedacht sei. „Das einfache Streichen von Wahlkreisen halte ich nicht für das zielführende Mittel.“ Zumal alle vier betroffenen Wahlkreise im Ruhrgebiet lägen. Außerdem warnt er vor zu großen Wahlkreisen. „Dann haben die Leute kaum noch die Chance, ihren Abgeordneten mal wirklich zu treffen.“
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Entspannter sehen es die Grünen. Vorstandsmitglied Leander Holtz (21): „Die Stadt Witten hat strukturell viel mit Bochum gemein, ganz anders als mit dem ländlicheren Süden des EN-Kreises.“ Das sei daher also kein großes Drama. Viel mehr habe man einen kritischen Blick auf das Ruhrgebiet als Ganzes, das von den Zusammenlegungen im Vergleich zum Rest von NRW überproportional betroffen sei.
Ehemalige FDP-Kandidatin: Identität des EN-Kreises politisch gefährdet
Dagegen kritisiert die ehemalige FDP-Kandidatin Anna Neumann (27) den vorgelegten Entwurf des Innenministeriums scharf. „Für den EN-Kreis ist dieser Vorschlag eine Katastrophe. Ich habe erhebliche Bauchschmerzen bei dem Gedanken, dass eine mühsam zusammengewachsene Identität unseres Kreises nun politisch gefährdet wird.“ Deshalb habe die FDP Ennepe-Ruhr auch Beschwerde eingelegt. Sie setze sich intensiv dafür ein, andere Lösungen zu finden. Eine Verkleinerung des Bundestags hält Neumann aber für dringend geboten. „Nur die Ausführung ist handwerklich echt schlecht gemacht.“