Bochum. Während Ukraine-Flüchtlinge demonstrieren, ruft die „Querdenken“-Bewegung zum Spaziergang auf. Das birgt Konflikte, sagt die Polizei in Bochum.

„Russia = Terrorist“, klagen Plakate am Hauptbahnhof an. „Zum Krieg gehören immer zwei“, tönt es aus Lautsprechern am Rathaus. Montag, 18.30 Uhr. In der Bochumer Innenstadt laufen zwei Demonstrationen. Hier Hunderte Geflüchtete aus der Ukraine. Dort Anhänger der „Querdenken“-Bewegung. Die Polizei ist wachsam, will verhindern, dass beide Lager erneut aufeinandertreffen. „Nochmal schwenkende Russland-Fahnen zu sehen, wäre für diese leidgeprüften Menschen unerträglich“, sagt John Badros.

Ukraine-Kundgebung: Blau-gelbe Flaggen und die Nationalhymne

Der Bochumer, der ehrenamtlich für die Gesellschaft Bochum-Donezk arbeitet, zählt zu den Unterstützern der Kundgebung „Solidarität mit der Ukraine“, die an jedem Montag um 18 Uhr auf dem Konrad-Adenauer-Platz stattfindet. Maryana Kinash ist die Organisatorin. Sie wolle ihren rund 2000 Landsleuten in Bochum eine Stimme geben, sagt die Ukrainerin. Wolle immer wieder aufzeigen, welches Ausmaß an Tod, Vertreibung, Verzweiflung und Zerstörung der russische Angriffskrieg in ihrer geschundenen Heimat anrichtet.

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An diesem regnerischen Montagabend sind mehr als 300 Geflüchtete gekommen – fast ausnahmslos Frauen. Kinder bemalen mit Kreide die Pflastersteine blau und gelb, während ukrainische Fahnen im kühlen Wind flattern, gebetet und voller Inbrunst die ukrainische Nationalhymne gesungen wird.

Organisatoren berichten von Drohungen in sozialen Medien

Angst und Entsetzen spiegeln sich in den Gesichtern. Es ist der Tag, an dem das russische Militär die Ukraine mit einem gewaltigen Raketenhagel überzogen hat. Allein in Kiew sollen elf Tote und mehr als 80 Verletzte zu beklagen sein. Eine Frau zeigt ein ausgedrucktes Foto. Es zeigt blutverschmierte Senioren in einem ausgebombten Wohnviertel. „Heute sind wir es, morgen seid ihr es“, warnen Tafeln. Und: „Wir brauchen Waffen, um uns zu verteidigen!“

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Die Polizei ist mit mehreren Einsatzwagen vor Ort. Wie John Badros berichtet, hat es in den sozialen Medien Drohungen gegeben. „Russischstämmige Personen haben angekündigt, uns heute einen ,Besuch’ abzustatten.“ Der bleibt aus. In den Vorwochen sei es hingegen beinahe zu einer Eskalation gekommen, erzählt Badros. „Eine ,Querdenker’-Demo zog direkt an uns vorbei, mit einer deutsch-russischen Fahne.“

Zum „Spaziergang“ ruft an jedem Montag die „Querdenken“-Bewegung in Bochum auf. Treffpunkt ist am Rathaus. In dieser Woche nahmen nach Polizeiangaben 70 Menschen teil.
Zum „Spaziergang“ ruft an jedem Montag die „Querdenken“-Bewegung in Bochum auf. Treffpunkt ist am Rathaus. In dieser Woche nahmen nach Polizeiangaben 70 Menschen teil. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

„Spaziergänger“ am Rathaus: „Zum Krieg gehören immer zwei“

Die ist nicht zu sehen, als sich am Rathaus ein „Spaziergang“ in Bewegung setzt, zu dem die Bochumer Initiative „Querdenken 234“ gleichfalls an jedem Montag aufruft. „Friede, Freiheit, Selbstbestimmung“, prangt auf einem Spruchband. Der Protest richtet sich gegen Corona-Beschränkungen. 70 Menschen laufen mit. Erneut dabei: der Hausarzt Dr. Andreas Triebel, der beschuldigt wird, Masken-Atteste ohne medizinische Notwendigkeit ausgestellt zu haben. Noch in diesem Monat beginnt der Prozess vor dem Landgericht. Längst wird aber auch die Sozial- und Energiepolitik der Bundesregierung angeprangert: „Die Regierung treibt uns in den Ruin.“

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Mehrfach trat der Bochumer Hausarzt Dr. Andreas Triebel bei „Querdenker“-Kundgebungen auf, hier im vergangenen Mai auf dem Dr.-Ruer-Platz.
Von Jürgen Stahl und Bernd Kiesewetter

Der Bezug zum Ukraine-Krieg ist schnell hergestellt. Frieden werde nur erreicht, wenn beide Seiten die Waffen niederlegen, ruft einer der „Spaziergänger“ und fordert die „Rückkehr an den Verhandlungstisch“. Denn: „Zum Krieg gehören immer zwei.“

Polizei will beide Lager auch künftig auseinanderhalten

Als „Provokation“ empfindet das John Badros. Eine Ukrainerin bekräftigt: „Das heißt ja nichts anderes als: Wir sollen uns ergeben, damit der Diktator Putin wieder billiges Gas nach Deutschland liefert. Das wird niemals passieren!“

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Von „Konfliktpotenzial“ spricht die Polizei auf WAZ-Anfrage. Es gelte, beide Lager räumlich auseinanderzuhalten. In der Vorwoche sei das nicht gelungen. In der Tat seien „Querdenker“ am Hauptbahnhof auf die Ukraine-Demonstranten getroffen, bestätigt Polizeisprecher Jens Artschwager. Es sei bei verbalen Auseinandersetzungen geblieben.

An diesem Montag lag die genehmigte Wegstrecke der „Spaziergänger“ weit weg vom Hauptbahnhof. Beide Demos seien friedlich verlaufen, so Artschwager und kündigt an: „Wir werden alles tun, damit das auch an den nächsten Montagen so bleibt.“