Bochum. Etliche Jüdische Flüchtlinge aus der Ukraine wurden im Gemeindezentrum in Bochum begrüßt. Wie diese Hilfsbereitschaft ganz konkret gelebt wird.
Im Sommer kamen zum Teil bis zu 300 Flüchtlinge aus der Ukraine in Bochum an – täglich. Mittlerweile hat der Zustrom etwas nachgelassen. Doch was bisher in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde, ist, dass die Jüdische Gemeinde Bochum, Herne, Hattingen stark engagiert ist in Betreuung und Erstversorgung der Geflüchteten. „Wir haben bei der Wohnungssuche geholfen, Notunterkünfte betreut oder uns um Mütter mit ihren Kindern gekümmert“, berichtet Alexander Chraga, Geschäftsführer der Gemeinde, der selbst aus dem westukrainischen Lemberg (Lwiw) stammt.
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Jetzt steht Furcht und Sorge im Vordergrund
Der Vorsitzende der Gemeinde, der in Moskau geborene Grigory Rabinowich, berichtet, dass es vor dem Krieg durchaus auch Kritik an der ukrainischen Politik gegeben habe. „Jetzt steht aber Furcht und Sorge um das Schicksal der in der Ukraine gebliebenen Angehörigen im Vordergrund.“ Auf die Frage, ob er, Rabinovich, oder er, Chraga, fürchten, dass ihre unterschiedliche Herkunft – die überwiegende Mehrzahl der über 1000 Gemeindemitglieder stammt aus der ehemaligen Sowjetunion, die Mehrheit aus der Ukraine – Probleme bereitet, schütteln beide den Kopf. „Das hat bei uns noch nie eine Rolle gespielt“, ergänzt Chraga.
Viele Gemeindemitglieder kamen einst selbst als Flüchtlinge
„Nein, wir sind ja selbst, wie die meisten von uns, Anfang der 90er Jahre als Flüchtlinge nach Bochum gekommen“, sagt Rabinovich. Russisch und ukrainisch sprechen und verstehen viele Gemeindemitglieder. Daher war es für sie eine Selbstverständlichkeit, etwa in der zentralen Aufnahmestelle für Geflüchtete der Stadt im Harpener Feld aktiv mitzuhelfen, und das ganz gleich, ob es sich um Juden oder Menschen mit einem anderen Hintergrund handelt.
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Es ist keine Überraschung, dass sich die Gemeinde, die übrigens im Dezember auf 15 Jahre in und mit der neuen Synagoge zurückblicken kann, so engagiert. Die Wohlfahrt, das Kümmern um Schwache, ist tief im Judentum verankert, hat gleichsam Gesetzeskraft. Es gibt eine Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST), ein sozialer Dachverband, dem 104 Gemeinden in Deutschland angehören. In Bochum ist etwa die jüdische Kita „Sternenhügel“ direkt neben der Synagoge und die Begegnungsstätte „Rambam“ mit ihrem Kurs- und Veranstaltungsangebot zur Integration daran beteiligt.
Positiv überraschend für die Gemeinde sei die Motivation der Neuankommenden, die oft Schreckliches erlebt haben und Familienmitglieder im Kriegsgebiet zurücklassen mussten. Mittlerweile hätten viele bereits eine eigene Wohnung gefunden. „Die meisten sind hochmotiviert, fragen, selbst wenn sie noch kaum ein Wort Deutsch sprechen, ob und wo sie arbeiten können. Etliche möchten am liebsten sofort beginnen“, weiß Chraga aus den vielen Gesprächen.
Willkommensfeier für neue Gemeindemitglieder
Am vergangenen Donnerstag lud die Gemeinde zu einer Willkommens- und Informationsfeier für neue Gemeindemitglieder. Tatsächlich haben 22 neue Mitglieder mit 33 Familienangehörigen, die allesamt durch den Krieg aus ihrer Heimat in der Ostukraine vertrieben wurden, Anschluss an die Jüdische Gemeinde gefunden haben. Zu dem Nachmittag gehörte auch eine Information zum deutschen Sozialsystem.
Grigory Rabinovich, der seit vielen Jahren der gewählte Vorsitzende der Gemeinde ist, sprach zur Begrüßung: „Normalerweise ist das eine große Freude für mich, neue Mitglieder bei uns willkommen zu heißen. Doch unter diesen Umständen ist diese Freude natürlich getrübt.“