Bochum. Seit 25 Jahren kommen junge Leute aus ganz Deutschland nach Bochum, um hier die Kunst des Theaterspiels zu lernen. Gerade wird „Macbeth“ geprobt.
Eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte schreibt Theater Total: Seit 25 Jahren wird auf dem Gelände der Firma Eickhoff in Bochum jungen Menschen die hohe Kunst des Theaterspiels beigebracht. Die Teilnehmer proben und leben ein Jahr lang gemeinsam, entwickeln zusammen ein Stück, erleben den aufregenden Tag der Premiere – und gehen dann im Anschluss auf Deutschlandtour.
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Theater Total in Bochum besteht seit 25 Jahren
Wildbewegte Performances und stattliche Aufführungen großer Klassiker sind dabei mittlerweile entstanden. Von „Faust“ bis zu „Don Carlos“: Das Publikum freut sich weit über Bochum hinaus über die schwungvollen Darbietungen der jungen Eleven. Der aktuelle Jahrgang, der aus 21 jungen Erwachsenen aus allen Ecken Deutschlands besteht, steckt gerade mitten in den Vorbereitungen für die Premiere von Shakespeares „Macbeth“.
„25 Jahre Theater Total“ gibt es als Buch
Zum Jubiläum von Theater Total ist ein Buch mit vielen Abbildungen erschienen, in dem die Aufführungen sämtlicher Jahrgänge versammelt sind. „Beginnt beherzt was gut gelingen mag: 25 Jahre Theater Total“, Projekt Verlag, 186 Seiten, gebunden, 15,80 Euro.
Nächste Gelegenheit, die jungen Schauspieler in Aktion zu erleben, bietet sich bei der Premiere von „Macbeth“ am Donnerstag, 17. November, um 19.30 Uhr, auf der Bühne an der Königsallee 171. Infos und Karten: 0234 97 31 673 und info@theatertotal.de
All dies ist einer Frau zu verdanken, die in Bochum ohne Zweifel ein Stück Theatergeschichte geschrieben hat. Barbara Wollrath-Kramer kam im Jahr 1996 in die Stadt, um hier ihren langgehegten Traum einer völlig freien Schauspielschule zu verwirklichen. Zuvor selbst als Schauspielerin in Stuttgart und Berlin aktiv, kam sie dafür über Umwege ins Ruhrgebiet: „Ich wollte immer etwas machen, was andere Menschen brauchen und was ihnen hilft“, sagt sie. „Dieses Motto hat mich mein Leben lang angetrieben.“
Dabei versteht sich Theater Total nicht als Konkurrenz zu den traditionellen Schauspielschulen (wie etwa dem Folkwang-Theaterzentrum), sondern setzt früher an: Direkt nach dem Schulabschluss bewerben sich die jungen Menschen hier um einen Platz, um ein Jahr lang herauszufinden, ob der Schauspielberuf etwas für sie sein könnte oder nicht. „Etwa ein Drittel bleibt am Ende dabei, viele wenden sich danach auch ganz anderen Berufen zu“, sagt Wollrath-Kramer.
Renommierte Schauspieler fingen hier klein an
Wen das Bühnenfieber bei Theater Total gepackt hat, dem gelingt danach nicht selten der Sprung auf eine staatliche Schauspielschule – und schon manch große Talente wurde dabei entdeckt. So verdienten etwa Lina Beckmann (soeben erneut zur Schauspielerin des Jahres gewählt), Eva Meckbach und der Regisseur David Bösch ihre Sporen zunächst bei „TT“, ehe es sie an die renommierten Bühnen des Landes zog.
So groß die Freude über das Erreichte auch ist: Frei von Sorgen waren die Jahre bei Theater Total nicht. Die Finanzierung ist oft auf Kante genäht: „Nur durch Spenden und Fördergelder gibt es uns so lange“, sagt die Leiterin. „Auch die Teilnehmer selbst geben immer etwas dazu.“ Besonders in Erinnerung blieb die tatkräftige Unterstützung des ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU), der nach dem Besuch einer „Faust“-Aufführung so begeistert war, dass er weitere Hilfe durch die Kulturstiftung des Bundes organisierte. „Dabei kam er viel zu spät und musste bei uns auf der Treppe sitzen“, erinnert sich Wollrath-Kramer. „Aber dieser Einsatz hat uns echt geholfen.“
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Umfassende Ausbildung
Jedes Jahr bewerben sich etwa 130 junge Leute um die Plätze, etwa 30 von ihnen werden nach einem eingehenden Workshop genommen. Die Ausbildung ist umfassend: Von der Bühnentechnik bis zur Schneiderei, vom Sprechtraining bis zum Tanz, vom Küchendienst bis zur Pressearbeit liegt alles in der Hand der jungen TT-ler, die dafür mit gestandenen Bühnenprofis arbeiten. Wollrath-Kramer wird dabei gern nachgesagt, ihren Schützlingen mit Fürsorge, aber durchaus auch mit gesunder Härte zu begegnen: „Klar gibt es manchmal Tränen, aber es gibt auch viele Umarmungen“, sagt sie.
Die Corona-Pandemie hat das Projekt zwar nicht gefährdet, aber mächtig durchgerüttelt. Die ursprünglich einjährige Ausbildungszeit ist jetzt schon zum zweiten Mal auf ein halbes Intensiv-Jahr verkürzt worden, die Deutschlandtour fällt vorerst aus. Auch die Zahl der Bewerber ist deutlich gesunken. „2019 war es am schlimmsten, da mussten wir zwei Wochen vor der Premiere komplett abbrechen. Einige der jungen Leute sind nach Hause gefahren, andere sind geblieben.“ Immerhin: Statt durch ganz Deutschland zu touren, kann in diesem Jahr schon wieder ein Gastspiel (in Ottersberg) verabredet werden. „Wir hoffen, dass es bald wieder aufwärts geht.“