Bochum. Bochums Pflegeschulen und Krankenhäuser suchen händeringend Bewerber. Bei einer Mini-Jobmesse wurden einige von ihnen fündig.
Zehn Minuten – die Zeit läuft. Doch Nazdar Ibrahim (18) braucht nicht länger am „Speed-Dating“-Tisch zu sitzen. Die Realschulabsolventin hat ihre Zusage zum Ausbildungsplatz schon in der Tasche, als sie das „Pflege-Speed-Dating“ in der Arbeitsagentur Bochumverlässt. Ab dem 1. Oktober wird sie Krankenpflege-Auszubildende bei der Diakonie Ruhr. „Das ist mein Traumberuf“, sagt sie. Ihr künftiger Arbeitgeber kann sich glücklich schätzen, denn: Die Kliniken und Pflegeschulen werben um jede und jeden der wenigen Interessenten.
„Bochum bewegt Pflege“ veranstaltet „Speed-Dating“ in der Arbeitsagentur
„Bei uns war der Andrang bisher überschaubar, aber wir hatten einen sehr guten Kandidaten, dem haben wir auch schon eine mündliche Zusage gegeben“, berichtet Claudia Pommeranz vom DRK Bochum, „Der war hochmotiviert und kommt aus einer Pfleger-Familie. Er hat nicht mal nach dem Gehalt gefragt.“ Sie wolle bei der Mini-Jobmesse die drei noch offenen Azubistellen besetzen.
„Wir haben gute Bewerberinnen und Bewerber, aber zu wenige“, sagt Uwe Machleit, Schulleiter der Pflegeschule der Evangelischen Stiftung Augusta. „Wir müssen uns anstrengen, dass wir die jungen Leute bekommen,“ so Machleit, „schließlich buhlen auch die Handwerksbranche, die Bäckerinnungen – quasi alle um sie.“
Auch interessant
Künftig werden Pflegekräfte mehr ärztliche Tätigkeiten übernehmen
Er habe beobachtet, dass viele Schulabgänger noch unsicher sind, welchen Berufsweg sie einschlagen wollen. Die Corona-Pandemie habe die Situation erschwert. Zudem würden sich mehr Jugendliche für ein Studium entscheiden.
Dabei spreche vieles für einen Job in der Pflege. „Wir sind krisensicher uns systemrelevant, es gibt eine gute Bezahlung, die künftig noch besser wird, und es ist ein Heilberuf“, sagt Machleit, „Das heißt, künftig werden Pflegekräfte mehr und mehr ärztliche Tätigkeiten übernehmen, zum Beispiel die Diabetes- oder Wundversorgung.“ Seit der 2020 eingeführten generalistischen Ausbildung zur Pflegefachkraft seien die Anforderungen höher geworden. Die Azubis müssten mehr eigenständig lernen, „fast so wie bei einem dualen Studium“.
Bündnis „Bochum bewegt Pflege“
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hat die Stadt die Initiative „Nachwuchskräftesicherung in der Pflege“ (Teil der Bochum-Strategie) gestartet. Im Zuge dessen wurde das Bündnis „Bochum bewegt Pflege“ gegründet. Die Wohlfahrtsverbände, Arbeitsagentur, Unternehmen der Gesundheits- und Pflegewirtschaft und Lehr- und Ausbildungseinrichtungen wollen Pflegefachkräfte finden, fördern und langfristig im Beruf halten.
Acht Arbeitgeber kamen zum „Pflege-Speed-Dating“. Von den eingeladenen Bewerbern hätte sich das Bündnis mehr Rückmeldungen gewünscht.
Ben Koch steht gerade von seinem Gespräch am Tisch des Evangelischen Krankenhauses Herne auf. Nun, nach seinem Realschulabschluss am Alice-Salomon-Berufskolleg sucht er einen Ausbildungsplatz. „Ich habe im St. Josef-Hospital ein Praktikum gemacht, jetzt will ich Pfleger werden“, sagt der 19-Jährige, bevor er zum Tisch des Knappschaftskrankenhauses weitergeht.
Manche Azubis arbeiteten zuvor als Hilfskräfte in der Pflege
„Das Alter der Interessenten ist sehr durchmischt“, sagt Meike Emmerich, die sich bei der Arbeitsagentur um den Arbeitgeber-Service kümmert. Beim „Speed-Dating“ gingen nicht nur unentschlossene Schulabgänger auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz von Tisch zu Tisch. „Manche jobben schon seit 20 Jahren als Hilfskraft in der Pflege und wollen sich jetzt weiterqualifizieren.“
Zu dieser Gruppe zählt auch Annika Gültzow. „Mein Jobcoach hat mich geschickt“, sagt Gültzow, die bereits seit vielen Jahren in der ambulanten Pflege arbeitet, sich nun aber weiterqualifizieren will. Einige der Arbeitgeber hätten ihr Interesse geweckt, sie werde sich definitiv bewerben.
Veranstalter der kleinen Jobmesse ist das Bündnis „Bochum bewegt Pflege“, das mehr junge Menschen für die Pflege begeistern will. „Viele wissen gar nicht, wie vielfältig der Beruf ist, wie viele Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten es gibt. Und auch die Vergütung ist häufig besser, als allgemein angenommen wird“, sagt Meike Emmerich.
Das Bündnis bringe auch eine bessere Vernetzung der 16 Arbeitgeber, Schulen und städtischen Akteure. „Die Kommunikation ist viel einfacher – jetzt geht einfach eine Mail an alle“, so die Expertin der Arbeitsagentur. Das Bochumer Bündnis wolle außerdem „das Image der Pflege verbessern“ und das Berufsfeld sichtbarer machen, und zwar mit Veranstaltungen und „Pop-up“-Ständen in der Fußgängerzone, beim Sportfest oder im Theater. Laut Vanessa Gaffron, Leiterin des Bündnisses, wolle man gemeinsam mit den Bündnispartnern auch die Strukturen hinter dem Pflegeberuf verbessern – denn Pflegekräften sollte es auch möglich sein, langfristig in ihrem Beruf zu arbeiten.