Bochum. Azubis händeringend gesucht. Immer häufiger bleiben Lehrstellen unbesetzt; auch bei der Ruhr-Uni, eines der größten Ausbildungsbetriebe Bochums.

Ferienbeginn. Für die einen ist es ein Intermezzo bis zum Start des neuen Schuljahres, für die anderen der Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Hunderte junge Bochumerinnen und Bochumer verlassen in diesem Sommer die Schule – um zu studieren, um die Welt zu bereisen, um ein soziales Jahr zu absolvieren, um eine Ausbildung zu beginnen – oder um herauszufinden, wohin ihr Weg führen soll.

229 Ausbildungsstellen allen im Handwerk noch unbesetzt

Viele sind offenbar noch unentschlossen. Derweil haben Unternehmen immer größere Schwierigkeiten, ihre freien Lehrstellen zu besetzen. 1265 Ausbildungsstellen in Bochum waren Ende Mai noch frei. Zugleich waren 850 Schülerinnen und Schüler noch unversorgt. Allein im Handwerk sind in Bochum und im näheren Umkreis noch 229 Lehrstellen nicht besetzt.

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Frank Rous ist Ausbildungskoordinator der Ruhr-Universität Bochum.
Frank Rous ist Ausbildungskoordinator der Ruhr-Universität Bochum. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Eine der größeren Ausbildungsbetriebe in der Stadt mit insgesamt 160 Azubis in 21 Ausbildungsberufen, die Ruhr-Universität Bochum, ist da keine Ausnahme. „Wir haben in diesem Jahr 50 bis 55 neue Ausbildungsplätze zu vergeben. Wie im Vorjahr, als 27 Stellen unbesetzt blieben, werden auch in diesem Jahr wahrscheinlich 20 bis 25 frei bleiben“, sagt Frank Rous, Ausbildungskoordinator. Vor allem Berufe, in denen es mal „dreckig und laut sein kann“, so der 58-Jährige, werden immer unbeliebter. Für 15 Ausbildungsstellen zum Feinmechaniker haben sich gerade einmal 20 Schulabgänger gemeldet. „Und nur vier sind zum Test erschienen“, so Rous. Ernüchternd.

Hemmschuh des Handwerks: Demografie, Akademisierung und Image

Aber Erfahrungen, die auch in anderen Branchen gemacht werden. Bäcker und Metzger etwa wollen immer weniger Jugendliche werden. Und plötzlich tauchen auf der Liste der schwieriger zu vermittelnden Lehrstellen auch ehemalige „Renner“ wie etwa der Feinmechaniker auf. So breitgefächert wie heute war das Ausbildungsangebot in Deutschland nie, mittlerweile gibt es mehr als 300 Lehrberufe. Selten war es aber auch so schwierig, die Lehrstellen zu besetzen.

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Gerade im Handwerk, das nicht nur unter den Folgen des demografischen Wandels und der „Akademisierung unserer Gesellschaft“ leidet, wie nicht nur Kreishandwerksmeister Michael Mauer immer wieder gleichermaßen anführt. Auch das Image des Handwerks ist oft ein Hemmschuh. „Dabei kann man auch im Handwerk Karriere machen“, sagt Michael Mauer. „Und man kann vor allem auch spannende Dinge machen“, so Frank Rous.

Schon Azubis bekommen spannende Aufgaben

Feinmechanikermeister Thomas Hampel leitet eine der elf Werkstätten an der Ruhr-Uni.
Feinmechanikermeister Thomas Hampel leitet eine der elf Werkstätten an der Ruhr-Uni. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

An der Uni ganz besonders. Thomas Hampel, Werkstattleiter und Ausbilder der Feinmechaniker, erzählt etwa vom Windkanal der Maschinenbauer. „Dort arbeiten sie auch für Ferrari.“ Auch der Flüsterasphalt sei an der Ruhr-Uni entwickelt worden – mit Maschinen made in Bochum. Prototypen und Einzelstücke herzustellen, seien eine der spannenden Arbeiten, mit denen schon Azubis in den insgesamt elf Werkstätten der Universität in Berührung kämen.

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Lars Wenner ist froh, dass er sich für eine Ausbildung an der Uni entschieden hat. „Hier nehmen sich die Ausbilder richtig viel Zeit und wir müssen auch nicht wochenlang nur an Werkstücken feilen“ sagt der 18-jährige angehende Feinmechaniker im zweiten Lehrjahr.

Ruhr-Uni plant Kooperation mit Bochumer Schule

Er hat früher die Realschule an der Burg in Herne besucht; die Kooperationsschule der Ruhr-Uni. Schüler bekommen die Gelegenheit, sich so früh wie möglich über Berufe zu informieren und erste Eindrücke vom Berufsleben zu sammeln. Und die Uni kann auf diese Weise Berufsnachwuchs rekrutieren. Demnächst wird wohl eine zweite Kooperationsschule hinzukommen, die Gesamtschule Mitte aus Bochum.

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Alle möglichen Instrumente des Austauschs und der Werbung nutzt Frank Rous, um Schulabgänger oder auch Studienabbrechern über das Angebot der Ruhr-Uni zu informieren und zu treffen. „Vergangene Woche war ich auch beim Speeddating der IHK; eine wirklich gute Veranstaltung.“ Womöglich kommt nun doch noch der eine oder andere Azubi für das bald beginnende Ausbildungsjahr hinzu.

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Hohe Ausbildungsvergütung ist für alle gleich

Anders als Unternehmen in der freien Wirtschaft gibt es an der Uni keine Lockprämien. Aber mit einer guten Ausbildungsvergütung können sie dort schon winken. Fast 1100 Euro brutto erhält jeder Azubi schon im ersten Lehrjahr; egal ob der Feinmechaniker, Gärtner, Tierpfleger oder Bauzeichner werden möchte. Denn: Anders als später bei einer möglichen Festanstellung werden die Lehrlinge alle gleich bezahlt – nach dem Tarif für den öffentlichen Dienst. Und der kann sich sehen lassen.

Wer sich in Sachen Ausbildung in Bochum informieren und orientieren möchte, der kann sich wenden an die Arbeitsagentur in Bochum, an die auch für Bochum zuständige Handwerkskammer Dortmund oder auch an die Ruhr-Uni Bochum. Alle Anbieter von Ausbildungsplätzen betonen, dass eine Ausbildung auch nach dem klassischen Starttermin am 1. August oder 1. September begonnen werden könne.