Bochum. Die Inflation belastet die Geldbeutel der Bochumer, arme Haushalte sind überproportional betroffen. Leihhäuser erwarten einen Ansturm.

Vier Wochen sind in Sachen finanzielle Verpflichtungen schnell um, das hat wohl jeder schon einmal bei den Abbuchungen auf dem eigenen Konto gedacht. Für manche Bochumer bleibt es aber nicht dabei, kurz der abgebuchten Miete, den Telefonkosten oder den Versicherungsbeiträgen hinterher zu trauern. Für sie wird es am Ende des Monats richtig knapp.

Die derzeitige Inflation schmälert den Geldbeutel für viele Bochumer weiter. Derzeit liegt sie bei 7,5 Prozent. Bleibt die Teuerung etwa im Supermarkt, an der Tankstelle und in der Nebenkostenabrechnung auf diesem Niveau, gehen den Bochumer Haushalten in diesem Jahr rund 178,7 Millionen Euro an Kaufkraft verloren.

82,9 Millionen Mehrausgaben

Allein für Lebensmittel müssen Bochumer mit Mehrausgaben von 82,8 Millionen Euro rechnen. Das zeigen Daten des Pestel-Instituts. In der ersten Jahreshälfte hatte der durchschnittliche Bochumer Haushalt hier Zusatzbelastungen von 38 Euro im Monat zu tragen, bei Energie waren es zusätzliche 34 Euro, bei der Mobilität 10 Euro.

Wer ohnehin schon wenig hat, leidet am stärksten unter der aktuellen Wirtschaftslage. In den 81.200 Haushalten, in denen in Bochum Alleinerziehende und Singles mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 2000 Euro leben, belaufen sich die hochgerechneten Kaufkraftverluste insgesamt bis Ende 2022 auf 50,9 Millionen Euro.

Weg führt ins Pfandleihhaus

Kommt dann eine unerwartete finanzielle Belastung dazu - defekte Waschmaschine, Autoreparatur, Krankheitsfall - führt für einige der Weg ins Pfandleihhaus. Wertgegenstände können hier gegen einen kurzzeitigen Kredit beliehen werden. Nach einer vereinbarten Zeit können die Wertgegenstände dann wieder gegen die beliehene Summe plus Zinsgebühren eingetauscht werden.

"Die Kunden klagen über die gestiegenen Kosten, das merken wir schon", sagt Wiebke Feuser vom Pfandleihhaus "Friedrich Werdier KG" am Kurt-Schuhmacher-Platz. Noch schlage die Inflation aber nicht auf ihr Geschäft durch: "Es kommen derzeit nicht mehr Menschen, um Sachen beleihen zu lassen. Das erwarten wir aber für die Zukunft", sagt sie.

Pandemie wirkt nach

Anders als öffentlich wahrgenommen, hätten die Leihhäuser in der Pandemie nicht geboomt. "Zwar gab es Kurzarbeit, aber Kinos, Restaurants, Urlaub, Spielhallen und so weiter hatten geschlossen", erinnert Feuser. Gleichzeitig hätten die Leihhäuser aber keine staatliche Unterstützung bekommen, weil sie geöffnet blieben. Nach wie vor würde Gold von Älteren und technische Geräte von Jüngeren am häufigsten gebracht.

Ein ähnliches Bild auch im Leihhaus "easy-Pfand" am Südring. "Wir sind noch nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau", sagt dort Daniela Löschner. Sie ist sich sicher, dass das nicht lange so bleiben wird. "Wir sehen die Entwicklungen immer ungefähr sechs Monate versetzt", erklärt sie. Die Inflation werde sicherlich in den kommenden Monaten mehr Menschen in die Leihhäuser treiben.

Reizüberflutung nach Corona

"Die Menschen erleben jetzt eine Reizüberflutung - wollen wieder shoppen, auf Konzerte, ins Kino und brauchen Geld für Freizeitaktivitäten", sagt Löschner. Eventuelle Rücklagen, die im Lockdown gebildet worden seien, dürften schnell aufgezehrt sein. "Im Verkauf haben wir einen Rückgang verzeichnet", sagt sie.

Das beobachtet man auch in der "Schatztruhe" in Wiemelhausen. Der Juwelier kauft Gold, Silber und Schmuck an. "Es wird weniger verkauft, aber der Ankauf ist bislang gleichbleibend", sagt dort eine Mitarbeiterin. Ein Grund könne sein, dass die angekauften Gegenstände häufig aus Erbschaften stammen. "Das ist ja von der Inflation erst einmal unberührt", ergänzt sie.

Anfragen sind gestiegen

Das "123 KfZ-Pfandleihhaus" an der Oskar-Hoffmann-Straße sieht bereits Veränderungen in der Nachfrage. Phillip Tassler sagt: "Es fragen mehr Leute an, vor allem auch für kleinere Summen" Teilweise würden Autos mitgebracht, die von ihrem Wert her nicht mehr beliehen werden könnten. "Dabei wird auch nach Kleinstkrediten von 500 bis 1500 Euro gefragt. Die durchschnittliche Auszahlung im KfZ-Leihhaus liegt aber bei etwa 10.000 Euro", sagt Tassler.

Im Automarkt selbst sei aber Bewegung. Durch Materialknappheit, Personalmangel und Inflation sind die Preise für Neu- und Gebrauchtwagen spürbar gestiegen. "Als Grundlage für die Beleihung orientieren wir uns an den Marktpreisen, davon können wir im Regelfall 60 Prozent leihen", erklärt Tassler. Auch hier ist man sich sicher, dass die Nachfrage steigen wird. "Ich schätze, noch drei Monate, dann geht's richtig los", sagt der Mitarbeiter.

Versteigerungstermine

In Bochum gibt es fünf Leihhäuser, die Pfandkredite für Gegenstände wie Smartphones, Autos und Schmuck vergeben. Die meisten befinden sich in der Innenstadt.

Für einen Pfandkredit beträgt die reguläre Vertragslaufzeit drei Monate. Monatlich fallen Gebühren an.

Für nicht mehr eingelöste Gegenstände finden regelmäßig Versteigerungen statt. Die Termine finden sich auf den Websites der Leihhäuser.