Bochum. Fast doppelt so viele Kunden wie vor der Pandemie verzeichnet die Bochumer Tafel bei der Lebensmittelausgabe. Ursachen: Jobverlust und Kurzarbeit.

Bedürftigen mit Lebensmittelspenden unter die Arme greifen, Armut in Bochum bekämpfen und dabei Nahrungsmittel vor der Mülltonne retten - das ist seit Jahren die Mission der Bochumer Tafel mit ihren sechs Ausgabestellen in den Stadtteilen. Seit Beginn der Pandemie beobachtet die Tafel im gesamten Stadtgebiet einen deutlichen Anstieg des Unterstützungsangebotes.

"Es kommen schätzungsweise ein Drittel bis die Hälfte mehr Kunden, das ist spürbar", sagt Niklas Fantasia von der zentralen Ausgabestelle an der Laubenstraße in Bochum Wattenscheid. "Der harte Kern an Rentnern ist gleich geblieben, aber wir sehen viele neue junge Gesichter", hat er beobachtet. Dazu zählten Menschen, die ihren Job verloren hätten, in Kurzarbeit waren oder Studierende, die ihrem Nebenjob nicht mehr nachgehen könnten.

Lebensmittel reichen aus

"Die Lebensmittel reichen glücklicherweise weiterhin aus", betont Fantasia. Jeder bekomme etwas ab. "Natürlich können wir keine Grundversorgung eines Haushaltes leisten, das ist ja auch nicht das Ziel", erinnert Fantasia. Auch könne es sein, dass die Mitarbeiter nicht mehr so viel Lebensmittel wie zuvor an jeden einzelnen herausgeben könnten. "Es kommt zu längeren Wartezeiten, da wir beispielsweise auf den Abstand achten müssen", erklärt Fantasia.

Er schätzt, dass die Hälfte der neuen Kundinnen und Kunden dauerhaft bleiben wird. "Was wir noch gebrauchen können sind Spenden an Desinfektionsmitteln und Handschuhen - das wird immer wieder abgefragt", sagt Fantasia.

Andrang auch in Werne

Auch an der Werner Ausgabestelle, wo es mittwochs am Bürgertreff an der Rüsingstraße Lebensmittel für Bedürftige gibt, hat man einen verstärkten Andrang wahrgenommen. "Normalerweise haben wir etwa 22 feste Kunden, nun sind es 30", sagt Gudrun Schoss. Vor allem Familien seien dazugekommen.

"Not war vermutlich schon vorher da, aber vielleicht hat die Pandemie die Lage nun so verschärft, dass sich die Menschen endlich trauen zu kommen", vermutet sie. Durch die Pandemie sei der "Makel des Bedürftigen" bei einem Besuch der Tafel vielleicht abgeschwächt worden. "Allerdings sind die Familien sehr zurückhaltend und erzählen nicht viel über ihre Situation", sagt Schoss.

Spenden gleichbleibend

Von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit hat aber auch sie immer wieder gehört. "Viele Jobs in der Gastronomie sind ja auch weggebrochen", erinnert Schoss. Darüber sprechen wollen die Kunden der Tafel aber lieber nicht. "Sie zeigen ihren Berechtigungsschein vor und das war es dann", sagt Schoss. Ein netter und freundlicher Kontakt zwischen Mitarbeitern und Kunden bestehe aber weiterhin.

Auch in Werne reichen die Lebensmittel weiterhin aus. "Wir bekommen genug, teilweise bleiben wirklich sehr große Mengen übrig. Mal sind wir Joghurtkönige, mal haben wir sehr viele Brötchen", sagt sie. Eine Veränderung im Spendenaufkommen hat Schoss nicht erlebt.

Genug für zweite Runde

"Supermärkte, die uns Lebensmittel spenden, werden ja genauso besucht wie zuvor, wenn nicht sogar besser", sagt sie. Vor Start der Lebensmittelausgabe werde durchgezählt und ausgerechnet, wie viel jede Person bekommen könne.

"Bleibt dann noch etwas übrig, gibt es eine zweite Runde", erklärt Schoss. Auch in Pandemiezeiten habe es solche "zweiten Runden" häufig gegeben. "In der letzten Woche hatten wir zum Beispiel total viele Schokoladenosterhasen", sagt Schoss.

Neue Dauerkunden

Schoss kann sich vorstellen, dass viele Kunden dauerhaft zur Ausgabestelle kommen werden. "Wenn man sich einmal getraut hat, ist die Hemmschwelle nicht mehr so groß. Jetzt ist es für viele Familien noch enger als zuvor - das heißt aber nicht, dass sie sich nicht auch in normalen Zeiten über die Runden gequält haben", sagt Schoss.

Kurt Mittag von der Werner Ausgabestelle hat noch eine weitere Erklärung für die erhöhte Frequentierung: "Nicht alle Ausgabestelle konnten coronagerechte Ausgabeszenarien entwickeln und haben geschlossen. Vielleicht sind also auch Kunden beispielsweise aus Langendreer oder Laer nach Werne gekommen."

Nachweis über Bedürftigkeit

Die Tafel hat Ausgabestellen in Wattenscheid, Dahlhausen, Werne, Bochum Zentrum und Langendreer. Die Öffnungszeiten finden sich unter www.tafel-bochum-wattenscheid.de

Die Anmeldung für die Lebensmittelausgaben findet während der Lebensmittelausgaben statt, dazu sind ein gültiger Personalausweis notwendig sowie ein Nachweis über die Bedürftigkeit: Etwa ein ALG I-, ALG II-, Bafög- oder Rentenbescheid.