Bochum-Wattenscheid. Die Pandemie lässt die Kinderarmut in Bochum wachsen. Das merkt auch die Tafel für Bochum und Wattenscheid, die Weihnachtspäckchen sammelt.

Die vier Jungs zwischen drei und 13 Jahren sind froh, dass Papa Thomas (57) und Mama Manuela (35) mit ihnen Schuhe aussuchen wollen. Allerdings im Sozialen Warenhaus der Tafel für Bochum und Wattenscheid an der Laubenstraße, denn mehr geht nicht, auch nicht zu Weihnachten. 15.000 Kinder unter 15 Jahren sind in der Stadt von Kinderarmut betroffen, schätzt Tafel-Geschäftsführer Niklas Fantasia. Etwas Glanz sollen vielleicht die Weihnachts-Päckchen der Tafel bringen.

Der Druck wird durch die Pandemie sogar noch größer, denn es gibt immer mehr, die bedürftig sind. Die Auflagen für Familien sind gewachsen – und immer mehr müssen mit ihren Kindern zu den Ausgabestellen kommen. Home-Schooling ist nur einer der Gründe, denn das setzt ein Mindestmaß an teurer technischer Ausstattung voraus. Mit der Rückkehr zum Präsenzunterricht sind die Schutzmasken für Kinder zudem zum nächsten Kostenfaktor geworden. Die Kleineren brauchen drei bis vier am Schultag, weil sie noch nicht so vorsichtig sind wie die Größeren.

Aussichten für Bedürftige sind in Bochum trübe

Manuela und Thomas müssen gleich für vier Kinder sorgen. Der Vater hat noch für ein halbes Jahr in einer Fördermaßnahme über das Jobcenter und das „Teilhabe-Chancen-Gesetz“ hier bei der Tafel in Wattenscheid einen Arbeitsvertrag. „Die Aussichten für Weihnachten sind aber wirklich düster“, meint auch Udo Appelhoff, Botschafter der Einrichtung.

Sie haben Regelsätze bei der Tafel, was die Bedürftigkeit angeht, auch, um „Schwarze Schafe“ fernzuhalten. „Aber 1500 Euro vom Amt reichen für eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern einfach nicht“, steuert Appelhoff bei. Bei Manuela und Thomas muss eine Wohnung mit 65 Quadratmetern reichen. Die Frage, was es wohl zu Weihnachten auf dem Tisch geben wird, beantwortet Thomas knapp: „Kommt drauf an, was es hier gibt.“ Er macht klar: „Ohne das hier kommen wir kaum zurecht.“

„Ohne das hier kommen wir kaum zurecht“

Thomas aus Friedberg in Sachsen ist mit der Wende gestrauchelt. Heute sagt er: „Ich wollte meine Kinder drüben nicht aufwachsen sehen.“ Er habe Schwierigkeiten mit der Stasi gehabt, wurde mit dem Mauerfall arbeitslos, jobbte dann als Lkw-Fahrer, erzählt der heute 57-Jährige. Dadurch war er dann so viel unterwegs, dass er seine Familie dort auch wieder nicht sehen konnte. Das hat Thomas irgendwann einfach nicht mehr ausgehalten und ist nach Bochum gezogen, wo er Manuela kennen kennengelernt hat.

„Weihnachten kocht der Mann“, meint die lächelnd – am Ende des Gesprächs vor dem Schuhregal für die Kinder lächelnd. Auch Thomas’ Mundwinkel ziehen sich daraufhin nach oben. „Was die Kinder wollen. Also wahrscheinlich doch wieder Nudeln.“ Wie so oft.

Die Besucher der Tafel in Bochum sind jünger geworden

„Weihnachten findet wie immer statt, nur anders“, fasst Geschäftsführer Niklas Fantasia zusammen. Bei den Besuchern hat sich mit den Einschränkungen in der Pandemie noch etwas verändert, meint er nach kurzem Nachdenken. „Sie sind im Durchschnitt jünger geworden“, schätzt er, „mehr Berufstätige und auch Studenten“.

Die Tafel hat hier wohl eines der größten sozialen Warenhäuser in Deutschland, da stapelt er tief, aber dahinter steckt gerade jetzt auch die wachsende Sorge. „Wie lange Corona noch dauert und was dann alles noch an Folgen kommen, das kann wohl niemand absehen“, fasst er zusammen. „Jeder von uns, dem es gut geht, sollte darüber nachdenken, etwas zu geben“, ist seine Botschaft.

Weihnachtspakete willkommen

Bochumer Tafel e.V. und Kindertafel wollen wieder Weihnachtspakete für Kinder sammeln und mit Institutionen und Kirchengemeinden an benachteiligte Familien weitergeben. Erwünscht sind Kleidung, Spielzeug, Spiele und Süßigkeiten, bitte keine gebrauchten Gegenstände. Die Angabe des Alters und ob es für ein Mädchen oder einen Jungen ist, erleichtert das Verteilen. Die Tafel ist auf dem Weihnachtsmarkt in der BO-City im „Haus der guten Tat“ am 24. und 25. November von 11 bis 12 Uhr zu erreichen.Die Päckchen werden entgegengenommen an folgenden Standorten: Bochumer Tafel, Bergmannstraße 35, Montag: 7-13 Uhr, Dienstag, Mittwoch, Freitag: 7-16 Uhr, Donnerstag 7-15 Uhr, Wattenscheider Tafel, Laubenstraße 19-21: Montag-Freitag, 7-16 Uhr, Evangelische Kirchengemeinde Langendreer, Alte Bahnhofstr. 28-30: vom 1.-15.12. montags 14.30-16.30 Uhr, di, do, fr 8-12 Uhr.Zusätzlich hält der Tafel-Bus in Stiepel bei Rewe Offergeld, Kemnader Str. 304: Mittwoch 1.12., 13.30-14.45 Uhr, in Linden, Marktplatz Hattinger Str./Ecke Dr.-C.-Otto-Str.: Mittwoch 1.12. ,15.15-16.30 Uhr, in Altenbochum bei Rewe Lenk, Wittener Straße 248: Donnerstag 2.12., 14-15.15 Uhr, in Hiltrop bei Rewe Lenk, Hiltroper Straße 450: Donnerstag 2.12.15.45-17 Uhr, in Eppendorf bei Rewe Lenk, Am Thie 9: Dienstag 7.12., 14-15.15 Uhr, in Harpen am Gartencenter Augsburg, Am Ruhrpark 7: Dienstag 7.12., 15.45-17 Uhr, in Riemke am Hannibal-Center, Dorstener Str. 400: Samstag 11.12., 14-16 Uhr. Nähere Informationen unter 02327/ 32 85 97, info@tafel-bochum-wattenscheid.de

Mit großer Sorge sehen die Tafel-Mitarbeiter auch die wachsende Zahl von Senioren, die inzwischen regelmäßig zuhause versorgt werden. „Es sind wöchentlich gut 200. Viele von denen waren praktisch verschwunden, abgetaucht durch die Isolation in der Corona-Zeit“, schätzt Niklas Fantasia.