Bochum. Krimi mit Weitsicht: In „Ihr letztes Stück“ prophezeite Autor Arne Dessaul viel von dem, was später tatsächlich am Theater in Bochum los war.
Mächtig viel Aufregung gab es während der letzten Monate im Schauspielhaus Bochum. Eine anonyme Mail, verschickt angeblich aus Mitarbeiterkreisen, beschrieb ein „Klima der Angst“ unter den Angestellten. Intendant Johan Simons wurde beschuldigt, statt an der Königsallee lieber in Holland zu weilen. Und einige Theatergänger bekundeten lautstark ihren Unmut, zu fordernd und zu wenig bürgernah seien die Aufführungen.
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Schauspielhaus Bochum wird zum Schauplatz für einen Krimi
Es gibt einen, der jetzt von sich behaupten kann, das alles vorhergesagt zu haben. Mit beinahe prophetischer Weitsicht beschrieb der Bochumer Autor Arne Dessaul in seinem jüngsten Krimi mit dem Titel „Ihr letztes Stück“ eine Menge von dem, was sich Monate später tatsächlich am Schauspielhaus zutragen sollte. Der Spielplan eines Intendanten, der auf einige Ablehnung stößt, sperrige Inszenierungen, die die Zuschauer verschrecken: All dies hat Dessaul hier bereits zum Thema gemacht.
Erschienen ist „Ihr letztes Stück“ im vergangenen November, geschrieben hat es Dessaul (57) vor etwa einem Jahr. „Ich bin kein fleißiger Theatergänger“, sagt er. „Aber was dort passiert, verfolge ich schon.“ Nachdem seine ersten fünf Bücher überwiegend in seinem Geburtsort Wolfenbüttel spielten, verlegte er seinen letzten Krimi komplett nach Bochum, wo er seit vielen Jahren wohnt und arbeitet. Dessaul ist hauptberuflich für die Pressestelle der Ruhr-Uni tätig, das Verfassen unterhaltsamer Krimis betreibt er als liebgewonnenes Hobby.
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Zwischen den Zeilen erkennt man eine Menge wieder
Gleich mehrere Gründe sprachen für ihn dafür, das Bochumer Schauspielhaus als Kulisse zu wählen, denn bislang haben dies noch nicht viele Autoren getan. Zuletzt ließ Rainer Küster wesentliche Passagen seines Ruhrgebietskrimis „Schuldenspiele“ (2015) im Schauspielhaus spielen. „Natürlich ist ein Theater auch ein spannender Ort, wo viele Eitelkeiten zusammenkommen.“ Dabei verfolgt Dessaul die letzten Intendanzen durchaus interessiert, ein Praktikum hat er für seine Recherchen am Theater aber nicht gemacht. „Das ist schon alles frei erfunden.“
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind also nicht beabsichtigt, zwischen den Zeilen erkennt man aber trotzdem eine Menge wieder. So kommt Dessauls Intendant Leo Kaufmann direkt vom Wiener Burgtheater nach Bochum. „Viele denken, dass er nicht so richtig hier ins Ruhrgebiet passt.“ Während Kaufmann unbedingt den „Kaufmann von Venedig“ auf die Bühne bringen will, verlassen einige Zuschauer das Theater vorzeitig und vertreiben sich den Abend lieber im Restaurant gegenüber: im „Sommernachtstraum“, dem renovierten und frisch eröffneten „Alt Nürnberg“, das in Wahrheit schon Ewigkeiten ein trauriges Dasein fristet.
Dann der Schock: Die Kulturredakteurin der lokalen Zeitung wird gefoltert und ermordet aufgefunden (zumindest in diesem Punkt hofft der Autor dieser Zeilen, dass Dessauls Weitsicht ihre Grenzen hat). Hat sie etwa einen Verriss zu viel geschrieben? Und mit wem verbringt Starschauspieler Veit Grosser seine Nächte? Bei einem Mord wird es nicht bleiben, und so nehmen Privatdetektiv Mike Müller sowie die Kommissare Lisa Bertram und Helmut Jordan die Fährte auf.
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Gespräch mit dem Kulturdezernenten
Zwischen Fiktion und echtem Leben sollte man gut unterscheiden, doch wenn Arne Dessaul heute sein Buch zur Hand nimmt, muss er schon schmunzeln. „So etwas wie die anonyme Mail konnte ich beim Schreiben natürlich nicht ahnen“, sagt er. Und was würde er dem echten Intendanten raten? „Er muss eigentlich nur mein Buch lesen, da steht alles drin.“ Sogar ein Gespräch mit Kulturdezernenten ist darin vermerkt: „Er rät dem Intendanten dringend zu einem leichteren Spielplan.“
Arne Dessaul: Ihr letztes Stück, Maximum-Verlag, 300 Seiten, 15 Euro. Sein nächster Krimi „Sein letzter Witz“ führt in die Comedy-Szene und erscheint im November.