Bochum. In einem Brief von angeblich 114 Mitarbeitern des Schauspielhauses Bochum wird die Absetzung des Intendanten gefordert. Doch keiner meldet sich.
Ein anonym gesendetes Schreiben schlägt am Schauspielhaus Bochum hohe Wellen: In einem „offenen Brief“, der Freitagmorgen, 25. März, per Mail verschickt wurde, fordern angeblich 114 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schauspielhauses vom Rat der Stadt, den Vertrag von Intendant Johan Simons nicht um drei weitere Jahre bis 2026 zu verlängern.
Allein: Bei einer eilig anberaumten Vollversammlung des Theaters am Freitagnachmittag habe sich laut Schauspielhaus kein Mitarbeiter gemeldet, der diese Mail verschickt habe. Die Belegschaft des Hauses habe sich zunächst in voller Belegschaft und später auch ohne Teilnahme des Leitungsteams getroffen. Danach veröffentlichten die Mitarbeiter ein gemeinsames Statement: „Diese Art und Weise der Kommunikation wird von allen Anwesenden abgelehnt“, heißt es darin. „Wir Mitarbeitenden verwahren uns gegen diesen Versuch der künstlerischen, politischen und menschlichen anonymen Einflussnahme.“
Zweifel an der Echtheit des offenen Briefes
Barbara Jeßel (Grüne), Vorsitzende des Kulturausschusses, äußerte bereits am Freitagnachmittag große Zweifel daran, ob der offene Brief tatsächlich von 114 Personen unterzeichnet wurde – und ob er überhaupt aus den Reihen des Schauspielhauses stammt. „Ich habe oft mit den Mitarbeitern des Hauses gesprochen und nie etwas davon gehört.“
Johan Simons ist seit 2018 Intendant des Schauspielhauses, zuvor war er drei Jahre Chef der Ruhrtriennale. Sein Vertrag in Bochum soll bis Mitte 2026 fortgesetzt werden: Der Verwaltungsrat des Schauspielhauses und der Kulturausschuss stimmten bereits dafür. Am 5. Mai entscheidet der Rat.
Anonymer Brief belastet Intendant John Simons in Bochum
Ob es sich bei dem Absender der Mail, in der als Verfasser nur „Wir gegen Simons“ angegeben wird, also tatsächlich um 114 Mitarbeiter handelt, ist mehr als ungewiss. Das wäre immerhin knapp die Hälfte der rund 260 Personen umfassenden Belegschaft. Eine entsprechende Nachfrage dieser Redaktion beim Absender der Mail blieb bislang unbeantwortet, zudem scheint die Mailadresse nicht mehr erreichbar zu sein. Auch Simons selber versuchte mit dem Mailschreiber in Kontakt zu treten: „Leider ist die Mail-Adresse aber mittlerweile gelöscht“, teilt er mit.
Der Inhalt des offenen Briefes ist allerdings starker Tobak: Darin wird ein „Klima der Angst“ beschrieben, das hinter den Kulissen herrsche. „Es findet keine Kommunikation zwischen den Abteilungen statt, und selbst innerhalb des künstlerischen Betriebes gibt es Kräfte, die mit allen Mitteln für ihr Gehalt und gegen das Haus arbeiten“, heißt es
Ebenfalls wird kritisiert, dass Intendant Simons „nie da“ sei: „Weil er in den Niederlanden lebt oder parallel in Hamburg oder Wien inszeniert, ist er für uns weder Ansprechpartner noch Vorbild.“ Zudem finde der Spielplan des Schauspielhauses „in keiner Weise Resonanz in der Stadtgesellschaft“ und sei „lediglich Theater für das Feuilleton“.
Kulturdezernent Dietmar Dieckmann (SPD) zeigt sich überrascht von der Mail: „Ich bin oft am Haus und mit dem Ohr gut dran. Wenn es Unmut innerhalb der Belegschaft gegeben hätte, der sich über den Personalrat organisiert hat, dann hätte ich davon erfahren.“ Den Weg in die Öffentlichkeit anonym zu wählen, hält Dieckmann für falsch: „Wenn es Probleme am Haus gibt, dann kann man sich jederzeit an mich wenden, meine Tür steht offen. Aber dies bitte mit offenem Visier.“
Anonymer Weg in die Öffentlichkeit
Dieckmann glaubt weiterhin, dass Johan Simons von einer „breiten Mehrheit“ am Haus getragen werde. Dass der Intendant auch an anderen Theatern arbeitet, sei Teil seines Vertrages: „Wenn er nie da wäre, würde er seinen Vertrag nicht erfüllen. Aber ich sehe nicht, dass dies seine Arbeit beeinträchtigt.“