Bochum. Für Handwerker wird es immer schwieriger, angehende Azubis zu gewinnen. Eine Firmengruppe aus Bochum bläst jetzt bei Azubi-Suche zur Offensive.
Klappern gehört zum Handwerk. Eine Binsenweisheit, die fürs Handwerk selbst aber immer größere Bedeutung gewinnt. Vor allem wenn es um die Nachwuchsgewinnung geht. „Es ist schwieriger geworden, Auszubildende zu bekommen“, sagt Christian Mohr, Geschäftsführer der Gerhard Mohr Malerwerkstätten in Bochum.
Deshalb hat er zur Ausbildungsoffensive geblasen. Wer dieser Tage etwa die Bahnunterführung an der Viktoriastraße und der Wittener Straße passiert, der sieht große Plakate an den Wänden. „Farbe bekennen“ ist dort zu lesen. Vier Beschäftigte aus der Mohr-Mannschaft – ein Meister, ein Vorarbeiter sowie zwei Azubis – werben mit ihrem Konterfei für eine Ausbildung bei Mohr.
Auszubildende hilft bei der Kampagne mit
Die Aktion ist Teil einer umfassende Kampagne des Handwerksunternehmens. Das hat mit Hilfe der Agentur Kreativbüro Zwei nicht nur den Internetauftritt aufgepeppt, sondern den eigenen Berufsnachwuchs bei der Suche nach neuen Azubis eingebunden. Esther Betz, Auszubildende zur Malerin und Lackiererin im zweiten Lehrjahr, kümmert sich darum.
Die 20-Jährige hat zum Beispiel die Plakatkampagne mit auf den Weg gebracht. Weil sie wegen einer Sehnscheidenentzündung momentan selbst nicht auf der Leiter stehen und anstreichen kann, bringt sie sich an anderer Stelle ein. „Das gefällt mit gut“, sagt die Abiturientin. Noch lieber aber sei sie Malerin und Lackiererin. „Im Büro, das ist auf Dauer nichts für mich. Deshalb habe ich mir ja diesen Beruf ausgesucht.“
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Plötzliche fehlten Praktikanten und Bewerber
Geburtenschwache Jahrgänge, die Akademisierung in der Gesellschaft. Und als würde das dem Handwerk bei der Suche nach Azubis nicht schon genügend Probleme bereiten, kommt jetzt noch die Coronakrise obendrauf. „Wir hatten plötzlich keine Bewerbungen und auch keine Praktikanten mehr, die sich bei uns ein Bild von dem Beruf machen können“, erinnert sich Christian Mohr an die Situation im Frühjahr.
Nachzügler können sich noch bewerben
Mit der aktuellen Kampagne hofft Christian Mohr vor allem Bewerber für das Ausbildungsjahr 2020/21 zu gewinnen. Zehn bis 15 neue Azubis stellt sein Unternehmen jedes Jahr an. Das Ziel sei es, alle nach der Ausbildung zu übernehmen.
Neun neue Azubis haben im gerade angefangenen Ausbildungsjahr begonnen. Aber auch kurzfristig gehe noch etwas. „Wir nehmen noch Nachzügler. Bis Ende Oktober ist das immer möglich“, sagt der 52-Jährige.
Zur Mohr-Gruppe gehören nicht nur mehrere Betriebe in Bochum, sondern mittlerweile auch eine Glaserei in Essen und ein Malerbetrieb in Münster. Längst ist das Traditionsunternehmen zu einem gewichtigen Mittelständler geworden.
Ein ganzer Lehrlings-Jahrgang drohte auszufallen. Immerhin gut ein Dutzend junger Menschen, die Teil der Mohr-Gruppe mit ihren 190 Beschäftigten werden sollen. Dem Chef war klar: „Wir müssen etwas tun.“ Noch mehr als sonst schon.
Oftmals ist das Image schlecht
Die aktive Suche von Schülerinnen und Schülern nach dem für sie richtigen Beruf ist eines der Probleme im Handwerk. Zu wenige fühlen sich von Berufen angesprochen, deren Image vielfach noch immer, sie seien eintönig und zugleich körperlich anstrengend. Und: Bei den Malern bleiben nicht selten die hängen, die keine Lehrstelle als Mechatroniker, Kaufmann oder was auch immer bekommen haben. „Wer zu uns kommt, der sollte schon Interesse an dem Beruf haben“, sagt Christian Mohr. Deshalb sieht er es gerne, wenn angehende Azubis ein mindestens 14-tätiges Praktikum im Betrieb absolvieren und sich einen Eindruck vom Beruf verschaffen.
Von Powerpoint bis Youtube-Video
Im Internet sollen sie einen ersten – guten – Eindruck von dem Mittelständler bekommen. „Warum Mohr?“ lautet die rhetorische Frage. Die Antworten reichen von der Vielfalt des Berufs bis zur guten Bezahlung in der Ausbildung. Ein eigens produziertes Youtube-Video gibt einen Einblick in den Beruf. Für Schulen wurde eine Powerpoint-Präsentation erstellt. In Kneipen und anderen Orten, an denen Jugendliche verkehren, werden coole Postkarten ausgelegt. Und: „Wir sind massiv in die Schulen gegangen“, sagt Christian Mohr. Esther Betz hat alle weiterführenden Schulen in der Stadt angeschrieben. Powerpoint-Präsentation und Youtube-Video sollen Infos transportieren, die sonst über Praktika oder auch bei Messen vermittelt werden.
Ganz schön viel Aufwand. Aber der ist nötig. „Früher gab es mehr Bewerber“, sagt Christian Mohr. Heute interessieren sich weniger Leute für den Beruf, der – wie so viele andere – zugleich deutlich anspruchsvoller geworden ist als noch vor Jahrzehnten.
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