Bochum. Welche Bäume können sich in Bochum trotz Klimawandels halten? Der Baum-Manager gibt Antworten und verrät, wie er Bäume vor Sonnenbrand schützt.

Was tun, wenn sich die Innenstadt immer weiter aufheizt? Bochums erster Baum-Manger Marcus Kamplade setzt auf spezielle Baumsorten – und stellt sich damit nicht nur auf längere Trockenperioden ein. „Seine“ Bäume und deren vielseitige Funktionen spielen selbst eine essenzielle Rolle im Kampf der Städte gegen den Klimawandel.

Klimawandel in Bochum – diese Bäume sind hitzeresistent

Der Frühling 2022 war zu warm und viel zu trocken – insbesondere der März. „Seit 1927 gab es sogar nur in vier Jahren einen trockeneren März“, bilanziert der Ruhrverband. Das Stadt-Baum-Konzept soll bewirken, dass sich „Bochum mehr und mehr zur grünen Großstadt mitten im Ruhrgebiet“ entwickelt. Auf dem Weg dahin kommt Bochums Baum-Manager eine Schlüsselrolle zu. Seit 2018 hat er jährlich über 1000 neue Bäume in Bochum einpflanzen lassen.

Bochums Baum-Manager Markus Kamplade hat sich in Heidelberg zum Fachagrarwirt Baumpflege ausbilden lassen.
Bochums Baum-Manager Markus Kamplade hat sich in Heidelberg zum Fachagrarwirt Baumpflege ausbilden lassen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Heute kommt dem Baum an der Straße eine ganz andere Bedeutung zu als früher – als hoher Feinstaubbinder“, so Kamplade. Das sei auch daran zu erkennen, dass hohe Feinstaubwerte im Winter gemessen werden: in der Zeit, in der die Bäume ohne Laub da stehen. Die Rolle der Bäume in einer klimaveränderten Stadt Bochum sei nicht zu unterschätzen. „Neben der Bindung von Feinstaub gibt der Baum Schatten und Feuchtigkeit und reguliert die Temperatur.“

Baum-Manager – der Erste seiner Art

In Bochum stehen gut 32.000 Straßenbäume und insgesamt rund 230.000 Bäumeaußerhalb des Waldes. Das städtische Stadt-Baum-Konzept sieht vor, jedes Jahr mindestens genauso viele Bäume zu pflanzen, wie gefällt wurden. Mit rund einer Million Euro sollen pro Jahr 500 Bäume neu gepflanzt werden.

Marcus Kamplade, Fachagrarwirt Baumpflege, ist der erste Baum-Manager der Bochumer Verwaltung und koordiniert Baumpflege und -pflanzungen. Für die Stadt hat er das digitale Baumkataster im Umwelt- und Grünflächenamt aufgebaut.

Außerdem seien die Bäume verkehrslenkend, abschirmend und ein wichtiges gestalterisches Element – Faktoren, die in den Klima-Diskussionen oft untergingen.

Baum-Manager berücksichtigt unterschiedliche Böden im Stadtgebiet

Bei der Auswahl eines neuen Baums achtet Kamplade auf die richtige Sorte je nach Standort – für den steinigen Boden im Bochumer Süden, die dickere Humusschicht im Norden, den sandigen Grund im Nord-Osten. Auch die Insektenfreundlichkeit und in erster Linie die „Klima-Arten-Matrix“-Liste, in der alle klimaangepassten Stadtbaumarten aufgeführt sind, seien entscheidend.

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„Deshalb haben wir hier einen Amberbaum pflanzen lassen – der gilt als einer der klimaresistenten Sorten“, erklärt der Baum-Manager, während er mit einer Hand voller Erde neben einem jungen Stamm in einem Park in Wattenscheid-Leithe kniet. „Das hier ist spezielles Pflanzensubstrat.“ Dieses – großzügig um den Stamm verteilt – gebe dem neu eingepflanzten Baum alles, was dieser brauche.

Eine weitere Hilfe zum Start in ein eigenständiges Leben als Baum: Verdunstungs-, also Sonnenschutz. „Es gibt Bäume, die Sonnenbrand kriegen – beispielsweise Buchen oder gewisse Linden“, berichtet Kamplade, „Denn: In der Baumschule standen die Stämme dicht an dicht. Jetzt ist der Stamm plötzlich der Sonne von allen Seiten ausgeliefert.“ Schutz biete eine Bastmatte oder ein „Weißanstrich“ am Stamm.

Für die Anpflanzung eines Baums ist rund 12 Kubikmeter durchwurzelbarer Raum ist nötig, erklärt der städtische Baum-Manager. In einem kleinen Park an der Krayer Staße in Bochum-Leithe zeigt Markus Kamplade das tonhaltige Pflanzensubstrat.
Für die Anpflanzung eines Baums ist rund 12 Kubikmeter durchwurzelbarer Raum ist nötig, erklärt der städtische Baum-Manager. In einem kleinen Park an der Krayer Staße in Bochum-Leithe zeigt Markus Kamplade das tonhaltige Pflanzensubstrat. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Spezialfirmen übernehmen „Anwachspflege“

Der Stadt beauftrage spezialisierte Firmen mit der Anpflanzung neuer Bäume, diese verpflichteten sich auch zu einer dreijährigen „Anwachspflege“ – müssten die Stadtbäume in dieser Zeit also auch nach Bedarf gießen. Die Stadt kontrolliere auch, dass diese Bewässerung regelmäßig erfolge. „Wenn ein Bürger dann noch einen Eimer Wasser dazugeben will, kann er das gern tun,“ so Kamplade. Das zeige, dass sich die Anwohner mit den Pflanzen in ihrer Straße identifizieren.

Ehrenamtliches Engagement wie das der „Gieskannen-Helden“ in Essen könne er sich perspektivisch auch in Bochum vorstellen. Dort installiert ein Verein 1000-Liter-Tanks unter privaten Regenrinnen – die Bewohner gießen mit dem Regenwasser auch Bäume in ihrer Umgebung.

Baum-Manger spürt Misstrauen der Bürgerschaft

Der Baumpflege der Stadt würden Bochumerinnen und Bochumer häufig mit Misstrauen begegnen – beispielsweise bei Baumfällungen im Wattenscheider Stadtgarten. Daher versuche er als Baum-Manager „gläsern“ zu sein, sein Handeln und das Baum-Konzept der Stadt gut zu erklären, „wie ein Erklärbär“.

In seiner alltäglichen Arbeit in den Gremien stehe er grundsätzlich für den Erhalt der Bäume ein. „Aber ich bekomme keine Prämie, wenn mehr Bäume gepflanzt werden“, sagt er lachend. Die Verkehrswende-Debatte um Straßenbäume, die beim Bau von Radwegen häufig im Weg sind, nennt er ein „heißes Eisen“. Schließlich ließen sich viele Bäume ab einer bestimmten Größe einfach nicht mehr umsetzen. „In den Gremien versuchen wir – wenn es möglich ist – Lösungen zu entwickeln, die den Baumerhalt und den Radweg ermöglichen.“

Als Verdunstungsschutz dient an dem Amberbaum der Stadt Bochum eine Bast-Ummantelung.
Als Verdunstungsschutz dient an dem Amberbaum der Stadt Bochum eine Bast-Ummantelung. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde