Bochum. In Bochum wächst der größte Modulbau in der EU in den Himmel. Ende des Jahres soll der Community Campus stehen. Eine Baustellenreportage
Bemerkenswerte Baustellen und Neubauten gibt es einige in Bochum: die riesigen Warenverteilzentren von Opel (Langendreer) und DHL (Laer), das Viktoria-Karree in der Innenstadt und natürlich das ständig wachsende Immobilienensemble auf Mark 51/7, dem ehemaligen Opel-Werk. Und dann noch dies: Mitten in der Stadt wächst der größte Modulbau in der Europäischen Union (EU) in den Himmel.
Modulbau: Kran hebt komplettes, 15 Tonnen schweres Apartment in die Höhe
Es sind gute Tage für die Monteure des niederländischen Bauunternehmens Jan Snel, das an der Universitätsstraße in Wiemelhausen ein Studentenwohnheim mit 737 Apartments, möblierte Ein-Raum-Wohnungen mit Bad, hochzieht. Es ist trocknen, es sind angenehme Temperaturen. Und vor allem: Es gibt so gut wie keinen Wind. „Da oben kann es mächtig blasen“, sagt Frederik Stockhausen und zeigt mit dem Finger in den Himmel.
Am zweiten Wohnturm werden gerade die Module auf der sechsten Etage angebracht. Sieben mal 3,23 Meter große und 15 Tonnen schwere Elemente, die ein 300 Tonnen schwerer Raupenkran in die Höhe hievt. „Bis Windstärke fünf können wir so arbeiten“, so Stockhausen. Weht der Wind stärker, müssen die Baustelle gesichert und die Arbeiten mit dem Kran eingestellt werden. So wie vor einigen Wochen, als das Wetter noch deutlich ungemütlicher war.
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Apartment-Anlage ist Ende 2022 bezugsfertig
Davon ist in diesen Tagen nichts zu spüren. „In drei Wochen sind wir mit dem Rohbau fertig“, sagt der Bauleiter beim Gang über die Baustelle vor einigen Tagen. Ende des Jahres wird der gesamte Komplex bezugsfertig, 90 Millionen Euro verbaut sein. Und das nach knapp zwei Jahren Bauzeit. Fertig werden sollte das Projekt ursprünglich schon deutlich früher. Aber die Corona-Pandemie und die Schließung der Unis hat den Investor nach eigenen Angaben bewogen, andere Vorhaben vorzuziehen.
Die Niederländer setzen auf eine Modulbauweise, Erst hatte das Herner Bauunternehmen Heitkamp im Februar 2021 sowohl die Fundamente als auch die vier riesigen Beton-Treppenhäuser gegossen; was, so Olaf Bade, der Deutschland-Manager von Jan Snel, schmunzelnd, einige Beobachter zu der scherzhaften Frage verleitet habe, wann US-Unternehmer Elon Musk denn seine Abschussrampe für eine SpaceX-Rakete fertigstelle. Tatsächlich ragten die bis zu 40 Meter hohen Treppenhäuser wie Säulen eines Raumfahrtbahnhofs in den Himmel.
Fertigteile werden in den Niederlanden hergestellt
Und dann kamen die Fertigmodule, jedes ein Wohnraum inklusive Küchenzeile plus Badezimmer und hergestellt am Unternehmenssitz von Jan Snel im niederländischen Montfoort unweit von Uetrecht. Sieben Mitarbeiter bilden ein Montageteam. Sie haken die per Kran hochgezogenen Module aus, umhüllen sie mit einer Brandschutzdämmung und befestigen sie. Bis zu 45 Module können – bei guten Witterungsbedingungen – jede Woche montiert werden.
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Der Flur des Erdgeschosses erinnert noch an eine Baustelle. Auf dem Boden liegt ein provisorisches Heizsystem aus Kunststoffrohren – noch aus kälteren Tagen. Es gewährleistet, dass notwendige Innenarbeiten erledigt werden können. Beim Blick in eines der Zimmer sieht es schon recht aufgeräumt aus. Bad und Küche sind fertig, da sie Teil des kompletten Moduls sind, Fenster und Türen ebenso, sämtliche Versorgungsleitungen liegen. Nur eine Acrylfuge werde vor Ort noch in den Räumen gezogen. „In einem der nächsten Projekte werden voraussichtlich auch die Möbel schon bei der Montage in dem Raum sein“, so Projektleiter Bade.
Bauleiter sagt weiteres Wachstum des modularen Bauens voraus
So weit ist es hier in Bochum noch nicht. Der Ausstatter, die Starke Objekteinrichtungen aus Sachsen, wird die Möbel anliefern, wenn beide Gebäude fertig sind. Und dennoch ist auch dieses Immobilienprojekt schon ein Statement. Was die Bauweise betrifft, von der Frederick Stockhausen überzeugt ist, dass sie in Zukunft eine noch viel größere Rolle spielen wird. „Wie soll sonst die große Zahl an Wohnungen hergestellt werden, die benötigt wird, und vor allem wie sollen die Nachhaltigkeitsziele erfüllt werden?“ Allein in Sachen Nachhaltigkeit, so der Bauleiter, habe der Modulbau ein großes Plus. „Wir könnten dieses Gebäude in einigen Jahrzehnten in nur wenigen Monaten wieder abbauen und bis auf den Beton dann vollständig wiederverwerten.“
Der Mann kennt sich aus. Er hat schon auf vielen Großbaustellen dieser Welt gearbeitet und schlüsselfertige Hochhäuser errichtet. So etwa beim Bau von Barwa City in Katar. Das deutsche Bauunternehmen Bilfinger Berger hatte dort binnen 36 Monaten ein ganzes Stadtviertel mit 7000 Wohnungen hochgezogen. Als Projektleiter hatte der 42-Jährige dabei die Arbeit von 1200 Beschäftigten zu koordinieren. In Bochum sind es „nur“ bis zu 130, die täglich auf der Baustelle arbeiten.
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Fassadenelemente werden mit 80.000 Schrauben befestigt
Während der zweite, zehngeschossige Turm, der näher zur Universitätsstraße liegt, allmählich wächst, laufen am hinteren, zwölfgeschossigen Gebäudeteil bereits die Arbeiten für die Verkleidung der Außenhaut. Spezialisten der Frankfurter Firma BIG Aluminium stehen jeweils zu einem halben Dutzend auf 16 Meter breiten Mastkletterbühnen und bringen in luftiger Höhe vorgefertigte Aluminiumelemente an. Sie werden mit insgesamt 80.000 Schrauben angebracht.
„Wenn das mal fertig ist, dann wird dieser Bau ein echter Blickfang sein“, verspricht Olaf Bade (50), der von seinem Büro an der Universitätsstraße die beste Aussicht auf die Baustelle hat. Auf der Rückseite des Gebäudes, auf der dem Stadtteil Wiemelhausen zugewandten Seite, können Beobachter sich davon schon ein Bild machen. Schwarz und weiß, beinahe schachbrettartig angeordnet, werden die Elemente an der Betonwand aufgehängt.
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Schwarz-weiße Fassade sorgt für hohe Energieeffizienz
Das werde, wie es heißt, nicht nur gut aussehen. Die beiden Ingenieure preisen auch die hohe Funktionalität der eigens entwickelten Fassade. Sie erfülle höchste Ansprüche in Sachen Energieeffizienz und Klimaschutz. Die schwarze Grundfassade ragt 15 Zentimeter von der Wand hervor, die weißen Elemente sogar 30 Zentimeter. Das Weiß sorge im Sommer bei hohem Sonnenstand dafür, dass die Wärme geradezu aufgesaugt und das Gebäude nicht erhitzt wird. Das Schwarz führe im Winter, wenn die Sonne von der Seite auf das Gebäude trifft, für eine Aufnahme der Wärme und damit für einen geringeren Energieverbrauch. Ein echter Clou.