Bochum. Der Ukraine-Krieg hat Folgen für die Wirtschaft in Bochum; gerade für die Industrie. Es könnte zu Kurzarbeit kommen – etwa bei Thyssenkrupp.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine schockiert und trifft auch die Unternehmen in Deutschland. Erste Auswirkungen spüren die 420 Mitglieder der Arbeitgeberverbände (AGV) Ruhr/Westfalen bereits. AGV-Hauptgeschäftsführer Dirk W. Erlhöfer ist besorgt: „Nicht nur politisch, auch wirtschaftlich stehen uns schwierige Zeiten bevor.“
Industrieverband bekommt besorgniserregende Meldungen
Die Industrieunternehmen in und um Bochum verzeichnen schon jetzt stark steigende Rohstoffpreise, ausfallende Lieferungen und den Wegfall von Aufträgen. Das hat eine aktuelle Umfrage des Industrieverbands ergeben.
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„Wir erhalten teils besorgniserregende Rückmeldungen aus der Industrie. Energie- und Rohstoffpreise gehen durch die Decke, zusammenbrechende Lieferketten im gesamten Osten und damit einhergehend ausbleibende, dringend benötigte Lieferungen führen bis hin zur Planung von Kurzarbeit“, so Erlhöfer.
Thyssenkrupp-Betriebsrat fürchtet Kurzarbeit
Das droht offenbar auch dem Werk von Thyssenkrupp Steel Europe an der Essener Straße. „Bis vor zwei Wochen war noch alles in Ordnung. Aber jetzt fürchte ich, dass wir bald über Kurzarbeit sprechen werden“, sagt Betriebsratsvorsitzender Engin Karakurt. Es heißt, etwa ein Viertel der angepeilten Monatsproduktion von 170.000 Tonnen in Bochum könnte wegbrechen. Das hätte Folgen für die Belegschaft; zuerst wohl für die erst vor kurzem eingestellten 60 Leiharbeiter.
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„Wir sind ja doppelt von der aktuellen Lage betroffen“, so der Betriebsratsvorsitzende. „Wir produzieren sehr viel für die Automobilindustrie, die aber gerade ihre Produktion herunterfährt, weil ihr Teile wie Kabelbäume und anderes fehlen. Und wir bekommen Rohstoffe aus Russland und der Ukraine.“ Ergo: Es gibt oder drohen Engpässe bei der Lieferkette und beim Absatz.
Einfuhr von Rohstoffen aus Ukraine und Russland stockt
Tatsächlich ist der Bezug von Erzpellets aus der Ukraine und von Kohle aus Russland eingeschränkt, so das Unternehmen. Mit der Bewertung der Lage und möglichen Auswirkungen auf den Stahlabsatz gerade in Richtung Autoindustrie, die 50 Prozent des Thyssenkrupp-Stahls abnimmt, hält es sich aber noch zurück. In einigen Tagen, so ist zu hören, werde klarer sein, ob und welche Standorte betroffen sein werden und Kurzarbeit drohe.
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Auswirkungen wird es auch für den traditionsreichen Bochumer Bergbau- und Windkraftzulieferer Eickhoff geben; auch wenn das im Detail noch nicht absehbar sei, so Geschäftsführer Ulf Achenbach. „Wir sind extrem bestürzt über diese kriegerische Auseinandersetzung, die völkerrechtlich nicht zu legitimieren ist und die Putin und seine Gefolgsleute zu verantworten haben.“ Die Ukraine sei das vorherrschende Thema in der Belegschaft. Und: Eickhoff unterstütze den Kurs der Bundesregierung und der Europäischen Union.
Kein Partner steht auf der Sanktionsliste
Produkte aus Russland und der Ukraine beziehe Eickhoff nicht, dennoch seien Auswirkungen auf die Lieferkette zu erwarten; wie auch jetzt schon die Energiepreisentwicklung zu spüren sei. Ob und welche Folgen die Sanktionen für die Lieferung von Maschinen haben wird, bleibe abzuwarten. „Bislang steht keiner unserer Geschäftspartner auf der Sanktionsliste.“
Automobilzulieferer machen sich Sorgen
Viele Unternehmer sorgen sich vor einer Ausweitung des Konflikts, so die Arbeitgeberverbände. Speziell die Handelsbeziehungen mit China sind unter anderem aufgrund der Sperrung von Transitlinien gefährdet.
Die Meldungen der Automobilbranche von zunehmend fehlenden Komponenten und möglichen Produktionsstopp betrifft direkt zahlreiche Zulieferer der Region.
In Russland beschäftigen die Bochumer in ihrem Tochterunternehmen 50 russische Mitarbeiter. Und über deren Zukunft mache sich das Unternehmen, so der Geschäftsführer, genauso Gedanken wie über die heimische Belegschaft.
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China ist der Abnehmer Nummer eins
Ein Ausfall der Geschäfte mit Russland hätte natürlich Auswirkungen, so Ulf Achenbach. Aber in der Bergbausparte sei das Land nicht der wichtigste Abnehmer. „Das ist China.“
Direkte Geschäftsbeziehungen nach Russland sind unter den AGV-Unternehmen nicht die Regel. Aber: Viele Anlagen- und Maschinenbauer sowie weiterverarbeitende Firmen der Metall- und Elektroindustrie sind auf Lieferungen aus Russland und der Ukraine angewiesen. „Die Geschäfte mit Russland liegen aufgrund der Sanktionen vielfach brach, zumal der Zahlungsverkehr eingeschränkt wurde. Einige Unternehmen haben bereits entschieden, ihr Russland-Geschäft vorerst komplett einzustellen und keine Aufträge mehr anzunehmen.“, so AGV-Geschäftsführer Erlhöfer.
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Handelshaus Picard büßt siebenstelligen Jahresumsatz ein
Auch der exportorientierte Handel ist betroffen. So liefert Picard, ein Handelsunternehmen für Wälzlager und Lineartechnik mit einem Jahresumsatz zwischen 130 und 140 Millionen Euro, u.a. nach Russland, Belarus und die Ukraine. „Mit einem kleinen siebenstelligen Betrag haben wir in diesem Jahr kalkuliert“, so Geschäftsführer Hans-Martin Reinhardt. Aber der falle nun weg. „Das werden wir überleben“, so der Geschäftsführer. „Selbst wenn wir noch Aufträge aus diesen Ländern bekommen würden. Die Transportunternehmen liefern nicht mehr dorthin.“
Auswirkungen befürchtet er im Laufe des Jahres auf der Lieferseite, auch wenn sie aktuell noch nicht zu spüren seien. In jedem Fall werde es zu längeren Lieferzeiten kommen. Flugzeuge müssen wegen der Sperrung von Lufträumen weiter fliegen, Schiffe länger fahren. Und auch die Eisenbahnverbindung von China, wo viele deutsche Hersteller produzieren lassen, nach Duisburg ist betroffen. Eine Herausforderung für ein Handelshaus, das im Tagesgeschäft und daher ohne lange Vorlaufzeiten unterwegs ist.