Bochum. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat Geschäftsräume eines Bochumer Pflegedienstes durchsucht. Es laufen Ermittlungen wegen Abrechnungsbetruges.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hat nach Betrugsermittlungen Geschäfts- und Privaträume eines Bochumer Pflegedienstes in Bochum und Umgebung durchsucht. „Es besteht der Verdacht, dass es (...) zu Abrechnungen von tatsächlich nicht oder in nicht ausreichender Form erbrachten Leistungen gegenüber unterschiedlichen Kostenträgern im Medizinalbereich gekommen ist“, heißt es auf Nachfrage von der zuständigen Oberstaatsanwältin Cornelia Kötter. Es seien mehrere Beweismittel beschlagnahmt worden.

Wegen laufender Ermittlungen möchte die Staatsanwaltschaft mit Schwerpunkt Wirtschaftsstrafsachen derzeit keine weiteren Details verraten. Nur so viel: Der Betrieb des Pflegedienstes laufe weiter, der Beschuldigte befinde sich auf freiem Fuß.

Durchsuchungen bei Pflegedienst in Bochum: Staatswaltschaft ermittelt

Nach Informationen der WAZ betreibt der Pflegedienst unter anderem eine Intensiv-Wohngemeinschaft, die bereits 2020 in den Schlagzeilen gewesen ist. In der Wohngemeinschaft leben etwa zehn Menschen, die zum Beispiel beatmet oder künstlich ernährt werden und rund um die Uhr von Pflegekräften überwacht werden müssen.

Mitte 2020 hatten sich mehrere Altenpflegerinnen und Altenpfleger mit schweren Vorwürfen gegen ihren Ex-Arbeitgeber – nach WAZ-Informationen der nun ins Visier der Staatsanwaltschaft geratene Pflegedienst – an diese Redaktion gewandt. Von einer chronischen Unterbesetzung, schlecht oder gar nicht qualifiziertem Personal und fehlender Zeit für die pflegebedürftigen Patienten war damals die Rede. „Unhaltbare Zustände“ seien die Regel, hieß es.

Medizinischer Dienst stellte bereits 2019 ein miserables Zeugnis aus

Nach Massen-Kündigungen im Sommer 2019 seien etwa zu wenig für die Intensivpflege qualifizierte Mitarbeiter vor Ort gewesen. „Einmal haben wir eine Patientin im Zimmer gefunden, die schon blau angelaufen war. Die Sauerstoffsättigung lag bei zwölf Prozent. Sieben Mitarbeiter standen hilflos ums Bett herum, der Fehler war mit Blick aufs Beatmungsgerät aber sofort gefunden“, erzählt eine Pflegerin.

Krankenkasse mit eigenen „Ermittlern“

Um Abrechnungsbetrug vorzubeugen hat die AOK Nordwest ein Ermittlungsteam im „Fachbereich Bekämpfung Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ gegründet. Insgesamt sieben Ermittler arbeiten eng mit anderen Krankenkassen sowie der Kriminalpolizei und den Staatsanwaltschaften zusammen. „Bestätigt sich der Verdacht der Abrechnungsmanipulation, schalten wir die Staatsanwaltschaft ein und fordern die finanzielle Wiedergutmachung des Schadens ein“, so heißt es von der Krankenkasse.

Ebenfalls werde geprüft, ob eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragspartner noch möglich ist. „Aktuell ermitteln unsere Experten auch in Westfalen-Lippe in allen Bereichen des Gesundheitswesens wegen möglicher Falschabrechnungen.“ Sofern ein hinreichender Verdacht auf eine Fehlabrechnung vorlag, habe die Krankenkasse auch Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwalt gestellt.

Ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) stellte dem Unternehmen damals ein miserables Zeugnis aus. Bei einer so genannten Anlassprüfung nach Beschwerden von Angehörigen oder Pflegern im Juli 2019 erreichte das Unternehmen in allen Kriterien – wie zum Beispiel pflegerische Leistungen und Organisation – die Note „mangelhaft“.

Heimaufsicht überprüfte die Intensiv-WG mehrfach

Die Heimaufsicht der Stadt erklärt auf Nachfrage, dass man „nach den Vorfällen in 2020“ die Dienstpläne monatlich bis August 2021 geprüft habe. „Eine unangemeldete Regelprüfung erfolgte im Mai 2021 mit im Ergebnis geringfügigen Mängeln. Der Personaleinsatz wurde dabei nicht beanstandet.“ Nach einer Beschwerde habe erst im Januar eine weitere Überprüfung stattgefunden, derzeit sei der Einsatz des Personals wieder stärker in den Blick geraten.

Der betroffene Pflegedienst möchte sich auf Nachfrage der WAZ nicht zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft äußern.