Bochum.. Protest gegen den Pflege-TÜV: Als erstes Bochumer Altenheim hat das St. Anna-Stift gerichtlich erwirkt, dass ein Prüfbericht des Medizinischen Dienstes aus dem Internet verschwinden muss. „Ein Präzedenzfall“, so Geschäftsführerin Christine Bischoff.
Wie ist es um die Qualität der Pflege und Betreuung in den Altenheimen bestellt? Die Reform der Pflegeversicherung 2008 sah vor, dass sämtliche Einrichtungen bis Ende 2010 einmal durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) unangemeldet geprüft werden.
Katalog mit 80 Bewertungspunkten
Im Oktober 2009 rückte das Test-Trio im St. Anna-Stift an der Bruchspitze an. Jeder zehnte der 140 Bewohner wurde in Augenschein genommen, ein Katalog mit 80 Bewertungspunkten abgearbeitet. Ein Monat später lag der so genannte Transparenzbericht vor. Die Endnote von 2,4 löste nicht eben Freude aus. Empört waren die rund 100 Mitarbeiter indes über die scharfe Kritik an der Pflegeleistung. „Bei einer Bewohnerin hatte die Prüfkommission angeblich einen Dekubitus festgestellt und daraufhin den Umgang mit Wunden für die gesamte Einrichtung mit ,mangelhaft’ bewertet. Dabei haben wir u.a. durch ein ärztliches Gutachten eindeutig bewiesen, dass der Dekubitus nur ein harmloser roter Fleck am Gesäß der Rollstuhlfahrerin war“, erklärt Christine Bischoff. Eine Chance, den „fachlichen Fehler“ rechtzeitig zu korrigieren, habe man nicht gehabt. „Noch während wir unsere Stellungnahme abgaben, hatten die Pflegeversicherungen den Bericht auf ihren Internetportalen – u.a. auf pflegelotse.de des Verbandes der Ersatzkassen – bereits online gestellt.“
Wiederholungsbericht anberaumt
Dort ist er erst seit wenigen Tagen verschwunden. Nach dem Sozialgericht Dortmund stellte sich jetzt auch das von den Pflegekassen angerufene Landessozialgericht Essen weitgehend auf die Seite des Alten- und Pflegeheims. „Ein Vergleich sieht vor, dass der bemängelte Bericht sofort aus dem Internet genommen und eine Wiederholungsprüfung anberaumt wird“, bestätigt Gerichtssprecher Dr. Matthias Röhl (AZ L10P83/10BER).
Vor Gericht obsiegt hatte zuvor auch das St. Marien-Stift mit 85 Bewohnern an der Humboldtstraße. „Im ersten Prüfbericht 2009 gab uns der MDK die Note 3,0. Es gab viele Ungereimtheiten. Das konnten wir nicht auf uns sitzen lassen“, berichtet Leiterin Ulla Tameling. „Per Einstweiliger Verfügung haben wir damals verhindert, dass der Bericht veröffentlicht wurde. Vor dem Sozialgericht haben wir zudem eine Wiederholungsprüfung bewirkt.“ Die erfolgte Ende 2010. Das Resultat liegt seit wenigen Tagen vor: 1,3.
Gerichtsverfahren seien Einzelfälle
„Zu Beginn der Regelprüfungen 2008/2009 gab es einige Unklarheiten: sowohl in den 2500 Einrichtungen, die wir betreuen, als auch bei unseren Prüfern, die allesamt examinierte Pflegefachkräfte sind“, erklärt Dr. Barbara Gansweid, Leiterin des Referats Pflege beim MDK Westfalen-Lippe. Gleichwohl rege sich nur bei rund zehn Prozent der Heimbetreiber Widerstand gegen die Ergebnisse. Gerichtsverfahren seien „absolute Einzelfälle“ und künftig kaum noch zu erwarten: „Alle Beteiligten haben dazugelernt. Die Durchschnittsnote hat sich von 2,5 auf aktuell 1,8 verbessert.“
Von einem deutlichen besseren Notenschnitt geht man auch im St. Anna-Stift aus. Der erneuten Prüfung sehe man gelassen entgegen. „Eine Belegung von 99,8 Prozent spricht wohl eindeutig für Qualität.“