Bochum. Die Impfpflicht in der Gesundheitsbranche kommt. Mit welchen Konsequenzen? Unsicherheit und Sorgen sind vielfach groß. Besonders in der Pflege.

Gelassenheit, aber auch Unsicherheit und Sorge vor einer nochmals verschärften Personalnot: Unterschiedlich fallen in Bochum die Reaktionen auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht aus. Was passiert im März? Die WAZ hat sich bei den betroffenen Anbietern umgehört.

Was besagt das Gesetz?

Bis 15. März müssen alle Beschäftigten in Pflege und Gesundheit vollständig geimpft sein. Die Arbeitgeber müssen ungeimpfte Mitarbeiter ans Gesundheitsamt melden, das Arbeitsverbote aussprechen kann. Wie das genau erfolgen soll, ob und welche Fristen eingeräumt werden, ist noch ungewiss.

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Wie viele Beschäftigte sind betroffen?

In Bochum werden mehr als 20 Prozent der 138.000 Arbeitsplätze der Gesundheitswirtschaft zugerechnet. Wie viele Mitarbeiter der Impfpflicht unterliegen, vermag die Stadt nicht zu sagen. Die WAZ-Umfrage legt eine aktuelle Impfquote bis zu 95 Prozent nahe. Klingt hoch. Eine Beispielrechnung zeigt aber die Dimensionen auf. Werden 20.000 Arbeitsplätze in den Bereichen Kliniken, Pflegeheime, Pflegedienste, sowie Arztpraxen verortet, würden fünf Prozent Ungeimpfte bis zu 1000 Beschäftigte bedeuten, gegen die Kündigungsverfahren eingeleitet werden müssten.

Impfpflicht in Bochum: Gesundheitsamt bereitet sich vor

Sieht sich das Gesundheitsamt gewappnet?

„Durch die noch fehlenden rechtlichen Vorgaben ist der Aufwand noch nicht abschätzbar“, erklärt Stadtsprecher Peter van Dyk. Zwar bereite sich das Gesundheitsamt „personell bereits vor, allerdings sind die Ressourcen auch jetzt schon sehr knapp“.

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Was sieht es in den Altenheimen aus?

„Aus unserer Sicht ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht richtig und tragisch zugleich“, sagt Bodo de Vries, Geschäftsführer des Evangelischen Johanneswerks, das unter anderem die Heime Buchen-Hof und Wichernhaus mit 161 Beschäftigten betreibt. Richtig, weil sie Mitarbeitende und Bewohner schütze. Tragisch, „weil wir durch die Impfpflicht unsere Mitarbeiter reglementieren. Dabei haben wir in unseren Heimen praktisch Herdenimmunität“. Über 95 Prozent werden Mitte März geimpft sein, kündigt de Vries an. „Wir schreiben schon längst die Dienstpläne für März und wüssten gern, wer dann noch da ist. Diese Unsicherheit ist unerträglich.“

Die medizinische Versorgung in den Bochumer Krankenhäuser bleibt trotz der Corona-Ausfälle vieler Mitarbeiter, und der baldigen Impflicht gewährleistet, versichern die Kliniken (hier der neue OP im Augusta-Krankenhaus).
Die medizinische Versorgung in den Bochumer Krankenhäuser bleibt trotz der Corona-Ausfälle vieler Mitarbeiter, und der baldigen Impflicht gewährleistet, versichern die Kliniken (hier der neue OP im Augusta-Krankenhaus). © Evangelische Stiftung Augusta

Kliniken in Bochum melden hohe Impfquoten

Wie ist die Situation in den Kliniken?

Sie geben weitgehend Entwarnung. Im Katholischen Klinikum Bochum (KKB) mit seinen 5400 Mitarbeitern liege die Impfquote bei 98 Prozent. Eine Impfpflicht werde auf die Personalstärke somit kaum Auswirkungen haben, so das KKB. „Wir gehen davon aus, dass wir nur eine geringe Zahl ungeimpfter Mitarbeitender beschäftigen“, heißt es auch im Knappschaftskrankenhaus Langendreer. Die Augusta-Klinik verzeichnet eine Impfquote von 96 Prozent, während das Bergmannsheil 34 nicht bzw. nicht vollständig Geimpfte unter den 2100 Mitarbeitenden meldet. Ein Viertel davon habe sich bereits für eine Impfung mit dem neuen proteinbasierten Impfstoff von Novavax angemeldet.

Hoher Krankenstand in den Kliniken

Größere Sorgen als die bevorstehende Impflicht bereitet den Bochumer Kliniken der anhaltend hohe Krankenstand.

Durch Corona-Infektionen und Quarantänen fallen im Katholischen Klinikum aktuell 180 Mitarbeiter, im Bergmannsheil 32 und im Knappschaftskrankenhaus 56 Mitarbeiter aus. „Die Lage ist weiterhin angespannt“, heißt es auch in der Augusta-Klinik.

Einschränkungen bei der medizinischen Versorgung melden die Krankenhäuser aber nicht.

Was sagen die niedergelassenen Ärzte?

Eine Impfquote für die Bochumer Arztpraxen kann Dr. Michael Tenholt, Vorsitzender des Medizinischen Qualitätsnetzes (MedQN) mit mehr als 130 Haus- und Fachärzten, nicht beziffern. Sie dürfte „auf dem Niveau des Bevölkerungsschnitts“ liegen, vermutet er (am Dienstag in Bochum 76,5 Prozent). Groß sei die Ungewissheit, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen die Impfpflicht haben werde. „Darüber gibt es momentan keine Vorstellungen. Dabei wird in den Praxen jede Kraft dringend gebraucht.“

Pflegedienst: Wir können und wollen auf niemanden verzichten

Wie gehen Pflegedienste mit der Impfpflicht um?

„Wir können und wollen auf keinen und keine verzichten“, sagt auch Wolfram Junge, Geschäftsführer der Familien- und Krankenpflege Bochum mit 540 Beschäftigten. 95 Prozent betrage die Impfquote. Gesprächs- und Impfangebote sollen in diesen Tagen auch die „wenigen Ungeimpften“ in der Verwaltung, Betreuung und Pflege überzeugen. Gespannt blicke man auf den 15. März. „Selbstverständlich werden wir unserer Pflicht nachkommen und Meldungen ans Gesundheitsamt vornehmen“, so Junge. Dabei sei aber davon auszugehen, dass die Mitarbeiter unter Beachtung aller Hygieneregeln auch im Kontakt mit vulnerablen Gruppen vorerst weiterarbeiten dürfen.