Bochum. Der Bochumer Medican-Strafprozess wegen Corona-Tests bleibt voll streitig. Ein Zeugin schilderte, wie sehr das Geschäft damals gebrummt hatte.

„Das hat wie eine Bombe eingeschlagen.“ Diese Worte sagte am Donnerstag eine enge Mitarbeiterin (37) des Hauptangeklagten (48) im Medican-Prozess über die ersten Presseberichte zum mutmaßlichen Abrechnungsbetrug mit Corona-Schnelltests. Er habe ihr damals aber versichert, „das würde sich klären, da ist nichts dran“.

Heute, siebeneinhalb Monate später, sitzt der Unternehmer in U-Haft – seit gut sieben Monaten. Nur wenige Tage nach den ersten Medienberichten war er verhaftet worden. Und sein Prozess vor der 6. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts lässt auch nach sechswöchiger Verhandlungsdauer noch kein Ende erkennen, weil fast alle Vorwürfe vollkommen streitig sind.

Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Phantom-Tests abgerechnet

Auch interessant

Am Freitagvormittag wurde in der Medican-Teststelle in Wattenscheid noch getestet (Archivbild).
Von Jürgen Stahl, Bernd Kiesewetter und Michael Weeke

25,1 Millionen Euro soll der Hauptangeklagte laut Anklage zu viel von der Kassenärztlichen Vereinigung kassiert haben, indem er für März und April 2021 fast eine Million Tests abgerechnet habe, die gar nicht gemacht worden seien. Zudem sollen die tatsächlich durchgeführten Tests – knapp 700.000 – überhöht in Rechnung gestellt worden seien: mit 15 Euro statt mit 12 Euro. 15 Euro waren nur bei Anwesenheit eines Arztes erlaubt, einen solchen soll es aber in fast allen Teststellen gar nicht gegeben haben.

Die Zeugin erinnerte sich, wie sehr das Geschäft mit den „Bürgertests“ brummte. Angefangen hatte es mit einer Drive-In-Teststelle in Wattenscheid. „Da war es immer voll. Totales Verkehrschaos. Es war immer viel zu tun. Dann ging es Schlag auf Schlag.“ Immer weiter expandierte Medican in Deutschland, vor allem in NRW. Der Hauptangeklagte witterte offenbar das ganz große Geschäft.

Die beiden Angeklagten (vorne Mitte und hinten rechts) neben ihren Anwälten vor dem Landgericht Bochum.
Die beiden Angeklagten (vorne Mitte und hinten rechts) neben ihren Anwälten vor dem Landgericht Bochum. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

„Irgendwann sagte er, wir kaufen jetzt Busse“, so die Zeugin. „Ich wusste nicht, wie das angenommen wird.“ Aber: „Wie verrückt haben sich die Leute testen lassen.“ Am Ende betrieb Medican mehr als 60 Teststellen. Mit zweistelligem Millionenumsatz binnen weniger Wochen.

Rund fünf Stunden befragte Richter Michael Rehaag am Donnerstag drei Zeuginnen. Immer drehte sich alles darum, ob der 48-Jährige wusste, dass er nur 12 statt 15 Euro abrechnen durfte. Eine Zeugin (29) vom letzten Sitzungstag hatte ihn stark belastet und der Richter sagte am Donnerstag den Verteidigern klipp und klar: „Wir haben keinen Zweifel, der Zeugin zu glauben.“

Fast 20 Prozessbeteiligte füllen den großen Gerichtssaal in Bochum

Gelöst scheint zumindest die Frage, ob der mitangeklagte Sohn, der offiziell der Geschäftsführer von Medican war, nur vorgeschoben war und der wirkliche Chef der Vater. Die Zeugin: „Ich glaube nicht, dass da einer was gemacht hat, ohne ihn zu fragen.“

Der Prozess findet fast ohne Zuschauer statt, trotzdem ist der größte Saal des Justizzentrums voll besetzt: zwei Kräfte der Staatsanwaltschaft, acht Richterinnen und Richter (davon drei Ersatzkräfte, falls jemand ausfällt), drei Verteidiger, eine Protokollantin, zwei Wachtmeister, ein Rechtsanwalt für Schadenersatzleistungen.

Noch schweigt der Hauptangeklagte. Ein Verteidiger sagt aber: „Es ist in jedem Fall beabsichtigt, dass er sich zu den Vorwürfen äußert.“

Fortsetzung: 17. Januar.