Bochum. Schuldiger oder Strohmann? Im Bochumer Medican-Prozess hat der Sohn des Hauptangeklagten ausgesagt. Er spricht von einem „absoluten Chaos“.
Ja, er habe in der Firma mitgearbeitet. Aber nicht in verantwortlicher Position. Und von einem mutmaßlichen Betrug habe er nichts gewusst: Im Medican-Prozess hat am Dienstag der Sohn des Hauptangeklagten ausgesagt. Er weist alle Vorwürfe zurück.
Seit Anfang Dezember müssen sich Vater und Sohn vor dem Bochumer Landgericht verantworten. Dem 48-Jährigen wird gewerbsmäßiger Betrug, dem 26-Jährigen Beihilfe zur Last gelegt. Laut Anklage sollen sie bei Corona-Tests durch überhöhte Abrechnungen 25,1 Millionen Euro kassiert haben.
Sohn: Ab März überschlugen sich die Ereignisse
„Erste private Corona-Teststelle in Bochum startet lebhaft“: So berichtete die WAZ im Dezember 2020 über die Eröffnung eines Testzentrums in einem Wattenscheider Sportcenter. Sein Vater, Chef der Anlage, habe sich damals entschlossen, den Lockdown mit Corona-Bürgertests zu überbrücken, schildert der Sohn vor Gericht.
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Es war der Beginn einer anfangs furios erscheinenden Erfolgsgeschichte. Allein in Wattenscheid habe es schnell bis zu 800 Testungen am Tag gegeben. „Die Zahlen explodierten. Ab März überschlugen sich die Ereignisse“, erklärt der Angeklagte. Medican war binnen drei Monaten zu einem Test-Riesen mit bundesweit rund 60 Corona-Teststellen (u.a. in umgebauten Bussen) gewachsen.
26-Jähriger spricht von einem „absoluten Chaos“
Seine eigene Rolle beschreibt der 26-Jährige („Ich war von Beruf Sohn“) als eine Art IT-Servicekraft. Sein Vater habe ihn bereits in einer früheren Gesellschaft als Geschäftsführer eingesetzt: „Ohne Vertrag, ohne Entlohnung.“ Diese Gesellschaft sei in die Medican GmbH überführt worden – erneut mit ihm als Pro-forma-Chef. Dabei habe sein Vater, der technisch wenig versiert sei, lediglich seinen Sachverstand im Umgang mit der Computer-Software nutzen wollen. Nach einem heftigen Streit habe er eigentlich aufhören wollen. Aber die Familie habe ihn gebeten: „Wir brauchen dich.“ Und er „hatte Zeit und brauchte Geld, was mein Vater hatte“.
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Er habe sich um die technische Abwicklung gekümmert, auch Überweisungen getätigt. „Es herrschte das absolute Chaos“, sagt der Sohn. „Ich selbst hatte den Überblick über die Corona-Teststellen verloren.“ Zwar seien ihm die hohen Zahlungseingänge, einmal neun Millionen Euro, aufgefallen. Dass dabei Betrug im Spiel gewesen sein sollte, habe er inmitten des Durcheinanders aber nicht bemerkt, präziser: nicht bemerken können.
Schwieriges Verhältnis – „Aber er bleibt mein Vater“
Ausdrücklich distanziert sich der 26-Jährige in seiner Erklärung von jeglicher „Hilfeleistung zum Betrug“. Nicht jedoch von dem Hauptangeklagten, der seit sieben Monaten in U-Haft sitzt. „Auch wenn das Verhältnis schwierig ist: Er bleibt doch mein Vater.“
Der Prozess wird fortgesetzt.