Bochum. Die Empörung über das angekündigte Aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie Bochum hält an. Betreiber Helios muss heftige Kritik einstecken.
Auch am Tag nach der Ankündigung der Helios Klinikum Krefeld GmbH, sich Ende 2022 als Träger der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum-Linden zurückzuziehen, schlagen die Wogen hoch. Fassungslos zeigt sich Serdar Yüksel, Bochums SPD-Vorsitzender und Mitglied des Gesundheitsausschusses im NRW-Landtag, über die Aufgabe des Standorts. Er fürchtet „einen Präzedenzfall“.
SPD-Chef Yüksel nennt Helios einen „unzuverlässigen Partner“
„Zum Wohle der Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Fachgebieten müssen die Kliniken mittlerweile eine bessere Personalausstattung vorweisen. Das scheint private Träger nunmehr dazu zu bewegen, die Kliniken, die früher höhere Gewinne erzielten, abzustoßen“, so Yüksel. Er spricht von einer „bodenlosen Unverschämtheit“ und wirft dem Klinikbetreiber vor, sich wie schon bei der Schließung des Allgemeinkrankenhauses St. Josefs vor gut einem Jahr „einmal mehr als unzuverlässiger Partner in schwierigen Zeiten“ zu erweisen.
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Helios will sich zurückziehen, weil es nach eigenem Bekunden keine Chance mehr sieht, mit dem Erlös aus dem geplanten Verkauf des angrenzenden Klinikgeländes die „notwendige Sanierung der Einrichtung“ zu finanzieren. „Vorgesehen waren eine Sanierung des Bestandshauses und ein Erweiterungsbau sowie ein Schulneubau mit integrierter Sporthalle. Dafür ist ein Investitionsvolumen von mehreren Millionen Euro notwendig“, so Unternehmenssprecherin Marina Dorsch. Aber: „Diese Pläne stießen auf städtischer Seite auf scheinbar nicht zu überwindende Hürden.“. Auch einem „einvernehmlichen Trägerwechsel“ habe sich Bochum verweigert.
Ehemaliger Schulleiter greift Unternehmen an
Die Stadt wiederum sieht den Schwarzen Peter beim Unternehmen. „Alle konstruktiven Vorschläge zur Errichtung einer neuen Schule sind letztlich von Helios nicht aufgegriffen worden und unbeantwortet geblieben“, sagt Schulausschussvorsitzender Ernst Steinbach (SPD). „Nachdem die Zustimmung der politischen Gremien zum Erbbaurechtsvertrag vorlag, hat die Helios St. Josefs-Hospital GmbH ihr Angebot zurückgezogen.“
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Ähnlich äußert sich Gerd Julius, der ehemalige Schulleiter der Ferdinand-Krüger-Schule. Die Schließung sei „ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten sowohl der Klinik wie auch der Klinikschule. Die Behauptung der Helios-Geschäftsführung, die Stadt sei in den Verhandlungen zu stur und unbeweglich gewesen, kann ich als ehemaliger Schulleiter der Ferdinand-Krüger-Schule glatt als grob falsch zurückweisen. Es war und ist leichter, einen Pudding an die Wand zu nageln, als eine verlässliche Auskunft oder Antwort der Helios-Geschäftsführung zu bekommen!“
Auch der Betriebsrat zeigt sich überrascht
Sorgen machen sich alle Beobachter über die Patienten, insgesamt hält die Kinder- und Jugendpsychiatrie 48 Plätze in drei Gruppen vor, deren Eltern, die an das Haus angeschlossene „Schule für Kranke“ und die 150 Beschäftigten im Haus. Sie alle wurden überrascht von der plötzlichen Ankündigung, dass die Helios St. Josefs-Hospital GmbH, ein Helios-Tochterunternehmen, ihre Trägerschaft aufgeben will. Das gilt auch für Bezirksbürgermeister Marc Gräf (SPD), der noch vor knapp zwei Jahren angesichts der damals drohenden Schließung des angrenzenden St. Josefs-Hospital gesagt hatte: „Um die Kinder- und Jugendpsychiatrie mache ich mir keine Sorgen.“
Selbst in der Einrichtung ist die Überraschung über das angekündigte Aus groß: „Es war nie die Rede von der Aufgabe des Versorgungsauftrags und der Schließung des Hauses“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Susanne Dörsam. Sie fordert einen „nahtlosen Übergang zu einem neuen Träger“ und eine Perspektive für das vorhandene, fachkompetente Personal.
LWL könnte als Träger in Frage kommen
Über die Vergabe des Versorgungsauftrags entscheidet das Land im Rahmen der Krankenhausplanung. Aber Sozialdezernentin Britta Anger will in Gesprächen mit der Bezirksregierung, dem Gesundheitsministerium und möglichen anderen Trägern ausloten, wer als künftiger Träger in Frage kommt.
Unweigerlich fallen dabei zwei Namen: der des Katholischen Klinikums Bochum (KKB) als größter Klinikbetreiber in der Stadt, und der des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).
KKB hat versucht zu vermitteln
Der LWL unterhält zahlreiche Kliniken, darunter auch die Kinder- und Jugendpsychiatrien in Marl, Dortmund und Hamm sowie in Bochum die Psychiatrische Klinik am Stadtpark. „Wenn wir gefragt werden, sind wir zu Gesprächen bereit“, so LWL-Sprecher Frank Tafertshofer.
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So weit will sich das KKB nicht aus dem Fenster lehnen. Gleichgültig ist dem Haus die Zukunft der Einrichtung in Linden aber nicht. „Die Entscheidung haben wir überrascht zur Kenntnis genommen“, kommentiert KKB-Sprecher Jürgen Frech die Ankündigung der Schließung. Und: „Zuvor war von unserer Seite versucht worden, in dieser Frage zu vermitteln.“ Offenbar vergebens.
Helios signalisiert Gesprächsbereitschaft
Gleichwohl signalisiert Helios auf Anfrage dieser Zeitung noch Gesprächsbereitschaft. „Selbstverständlich stehen Klinik- und Regionalgeschäftsführung persönlichen Gesprächen offen gegenüber und haben dies auch bereits angeregt“, so Konzern-Sprecherin Marina Dorsch.
Auch die CDU-Fraktion im Rat fordert Aufklärung von der Verwaltung, „ob nicht doch noch eine Einigung zwischen Helios und der Stadt möglich ist“, sagt Ratsfrau Monika Pieper.