Bochum-Linden. Helios zieht sich aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum-Linden zurück. Stadt und Politik sind in Rage, Klinik-Mitarbeiter verzweifelt.

Der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Axstraße 33 in Bochum-Linden droht das Aus. Wie die Helios Klinikum Krefeld GmbH mitteilte, will sie sich als Träger verabschieden. Damit stünden auch 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Arbeit da. Aus Mitarbeiterkreisen ist zu hören, dass sich Helios zum Jahresende 2022 zurückziehen will. Stadt und Politik sind darüber stinksauer.

Bochum: Aus für Kinder- und Jugendpsychiatrie – Stadt und Klinik-Konzern im Clinch

Wie wichtig die Kinder- und Jugendpsychiatrie für Bochum und die ganze Region ist, beschreibt eine Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte. Das Einzugsgebiet sei groß. „Ohne die Einrichtung hier in Bochum müssten die Kinder und Jugendlichen nach Marl oder Herdecke.“ Die drei Stationen mit je 16 Plätzen und die Tagesklinik für Jüngere seien immer belegt, die Wartelisten lang. Die Kinder und Jugendlichen, die mit schweren Krisen nach Linden kämen, würden immer mehr, gerade durch die Corona-Krise. „Was soll aus denen werden?“, fragt die Frau unter Tränen.

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Den Rückzug von Helios findet sie „schäbig“. „Wir machen hier richtig gute Arbeit. Die Kinder und Jugendlichen gehen nach ihrem Aufenthalt bei uns gut aufgestellt nach Hause.“ Auch finanziell laufe es: „Wir haben zum Jahresende immer gute Zahlen auf den Tisch gelegt. Das hätte man noch drei, vier Jahre weiterführen können.“

Bochum-Linden: Betriebsrat von St. Josef kritisiert Helios-Konzern

Der Betriebsrat bezichtigt Helios, eine Unterversorgung in Bochum in einem der sensibelsten Bereiche in Kauf zu nehmen. „Es muss einen nahtlosen Übergang zu einem neuen Träger geben, bei dem Kinder/Jugendliche und deren Eltern angemessen versorgt werden können; und zwar von dem hier in Linden, vorhandenen, fachkompetenten Personal.“

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Sozialdezernentin Britta Anger will nun mit Bezirksregierung, Ministerium und möglichen anderen Trägern Gespräche führen, um den Standort der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu sichern. Das Handeln von Helios findet sie „unverantwortlich“, zumal es immer mehr Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen gebe. „Da haben wir jetzt schon ein Versorgungsproblem.“

Bochum: Stadtbaurat bezeichnet Helios als unseriös und unprofessionell

Richtig sauer sind auch Angers Dezernenten-Kollegen Dietmar Dieckmann (Schule) und Markus Bradtke (Bauen), zumal Helios die Bochumer Verwaltung in ihrer Pressemitteilung scharf angreift. Ziel war es bisher, das ehemalige Klinikgelände – Helios hatte schon das St.-Josef-Hospital im Herbst 2020 aufgegeben – sowie die angrenzende Kinder- und Jugendpsychiatrie im St. Josefs-Hospital samt zugehöriger Außenanlagen planerisch zu sichern und für zukünftige Nutzungen und eine bauliche Weiterentwicklung vorzubereiten. So sollte für die städtische Ferdinand-Krüger-Schule, oben im „St. Josef“ untergebracht, und ein neues Gebäude errichtet werden.

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„Hierzu konnte mit der Stadt kein Konsens erzielt werden“, heißt es von Helios-Seite. Und: Helios habe „eine nachhaltige bauliche Entwicklung vorgeschlagen und einen Investor gefunden. Diese Pläne stießen auf städtischer Seite auf scheinbar nicht zu überwindende Hürden.“ „Das ist schlichtweg falsch“, schimpft Stadtbaurat Markus Bradtke. Helios unterstellt er „Unseriosität und Unprofessionalität in unvorstellbarem Ausmaß“. Ja, es habe Gespräche mit einem Berliner Investor gegeben, sogar sehr umfassend. Aber es sei nie etwas spruchreif geworden.

Stadt Bochum weist „schwarzen Peter“ von sich

Die Stadt schiebt den „schwarzen Peter“ zurück. „Die Gespräche mit Helios sind an Unverbindlichkeit nicht zu überbieten“, sagt Dietmar Dieckmann. Und Bradtke ergänzt: „Es wurden immer wieder Dinge versprochen und nicht eingehalten. Da fehlt jede Seriosität.“

Die vermisst auch Bezirksbürgermeister Marc Gräf (SPD). Für ihn steht fest: „Helios will das Gelände nur zu Geld machen und stellt die Wirtschaftlichkeit vor das Wohl der Kinder und Jugendlichen. Das ist unter aller Sau.“