Bochum/Bremerhaven. Der Beschuldigte im Fall des versuchten Mordes 1991 in Bochum wurde auf einem großen Schiff verhaftet. „Er war natürlich überrascht“, heißt es.
Am vorigen Montag befand sich der 55-jährige Tatverdächtige noch als Arbeiter auf einem großen Schiff, das gerade internationale Gewässer verlassen hatte und nun in Bremerhaven vor Anker lag. Jetzt sitzt der Mann in Bochum in U-Haft – wegen des Verdachts eines versuchten Raubmordes in einer Spielhalle vor mehr als 30 Jahren in Bochum.
Nicht nur Mord verjährt nicht, auch versuchter Mord nicht.
Bundespolizei Bremerhaven führte grenzpolizeiliche Einreisekontrolle durch
„Er war natürlich überrascht“, sagte Holger Jureczko von der Bundespolizei Bremen am Freitag auf WAZ-Anfrage über den Tatverdächtigen. Die Beamten hatten an Bord routinemäßig eine grenzpolizeiliche Einreisekontrolle durchgeführt und die Pässe der Mitarbeiter kontrolliert. Diesmal wurde aus der Routine aber ein Ausnahmefall, den die Beamten nur selten erleben.
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Seit 13. Oktober 2021 war ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Bochum in der Welt, mit dem nach dem 55-Jährigen gesucht wurde. Alle Polizeibehörden haben Zugriff auf den Haftbefehl, auch die Beamten am Überseehafen an der Wesermündung. Als sie die Pässe der Beschäftigten auf dem Schiff überprüften, glichen sie sie auch mit dem Haftbefehl aus Bochum ab. Und siehe da: Volltreffer.
Spielhallen-Mitarbeiterin wurde von Notärzten gerettet
Der 55-Jährige wurde auf die Brücke gerufen. Dort wurde ihm mitgeteilt, dass er von der Kripo Bochum gesucht wird.
In der Nacht des 27. Februar 1991 war eine damals 48-jährige Mitarbeiterin einer Spielhalle an der Kortumstraße 105 von einem jungen Kunden im Kassenraum angegriffen. Mit einem Hammer schlug er zehn bis zwölfmal auf den Kopf der Frau ein, bis sie bewusstlos war. Sie schwebte in Lebensgefahr, konnte aber von den Ärzten gerettet werden. Der Täter war mit 5000 Mark Beute auf der Flucht.
Polizei Bochum leistete kriminalistische Feinarbeit
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Es soll der jetzt Verhaftete sein, ein Mann ohne festen Wohnsitz in Deutschland. Dank eines in jüngerer Vergangenheit digitalisierten Fingerabdrucks vom Tatort kam ihm die Kripo jetzt auf die Spur. Er war der Polizei bereits wegen anderer Angelegenheit bekannt, deshalb hatte sie seinen Fingerabdruck gespeichert, der nun mit den Tatortspuren von 1991 abgeglichen wurde. Eine kriminalistische Feinarbeit.
Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) reagierte auf diesen Erfolg, der bei so genannten „Cold Case“-Ermittlungen zustande kam (zu deutsch: Kalter Fall). Das Landeskriminalamt hatte alte ungeklärte Kapitalverbrechen (Tötungsdelikte und schwere Raubüberfälle) mit aktuellen kriminaltechnischen Mitteln neu bewertet, die Kripo Bochum rollte dann auch diesen speziellen Fall neu auf. „Diese Datenbank gegen das Vergessen ist für die Polizei eine große Arbeitserleichterung und zugleich unser Versprechen an die Angehörigen, dass alte Fälle neu angegangen werden, wenn es eine neue Spur gibt“, sagte Reul.
Polizei Bochum informierte Hinterbliebene des Raubopfers aus Bochum
Beschuldigter hat jetzt einen Verteidiger
Noch nicht bekannt ist, was der Beschuldigte zu den Vorwürfen sagt, ob er überhaupt Angaben macht oder von seinem Schweigerecht Gebrauch macht. Von der Staatsanwaltschaft gab es dazu am Freitag keine Information.
Die Justiz hat ihm einen Verteidiger zur Seite gestellt.
Das damalige Raubopfer (es wäre heute 79) ist mittlerweile verstorben. Die Bochumer Polizei hatte in dieser Woche zunächst die Hinterbliebenen informiert, bevor sie die Festnahme öffentlich bekanntgab.
Der Fall erinnert an den Bochumer Stadtpark-Mord: Im August 1975 war ein vermögende Witwe (71) im Keller ihrer Villa am Stadtpark tot aufgefunden worden. Sie hing an einer Kunstfaserschnur an einem Haken im Trockenkeller. Auch dieses Verbrechen blieb 30 Jahre ungeklärt.
Bochumer Stadtpark-Mord von 1975 wurde 30 Jahre später teilweise geklärt
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Im Jahr 2005 dann aber, bei einem routinemäßigen Abgleich uralter Tatortspuren mit neueren Fingerabdrücken, stellte sich heraus, dass sie zu einem damals 71-jährigen Rentner aus der Oberpfalz passen. 22 Jahre nach dem Stadtpark-Mord war er wegen Betrugs aufgefallen, so dass die Polizei seine Fingerabdrücke gespeichert hatte. Er sowie der weitere Personen (damals 64, 71 und 71). „Die sind aus allen Wolken gefallen“, sagte die Kripo damals.
Vor dem Schwurgericht Ende 2007 wurde aber nur der Oberpfälzer verurteilt (lebenslänglich). Die anderen drei wurden freigesprochen. Die Hintergründe der Tat blieben nebulös. Der einzige Verurteilte starb wenig später im Gefängnis.
2003 wurde vor einem Bochumer Baumarkt ein Wachmann erschossen
Die Kripo Bochum arbeitet an der Aufklärung von fünf weiteren uralten Kapitalverbrechen. Welche das sind, verrät sie nicht. Sie will weder die Täter aufschrecken noch die Opfer und Angehörigen belasten.
In Frage käme sicherlich auch der Raubmord auf einen Wachmann (35) im Eingangsbereich des Bauhaus-Barmarktes an der Fritz-Reuter-Straße in Wattenscheid am 20. Januar 2003. Aus nächster Nähe schoss der Mörder dem zweifachen Familienvater ins Herz und flüchtete mit 25.000 Euro Beute über die A40. Bis heute ist er unbekannt.